Weiter heftige Diskussion um Wirkstoffverschreibung

Die österreichische Ärztekammer hat sich am Dienstag bei einem Pressegespräch heftig gegen eine Wirkstoffverschreibung bei Medikamenten gewandt. Unterstützung kam von der Pharmaindustrie.

Die Ärztekammer warnt vor einer „Gefährdung der medikamentösen Patientenversorgung“ durch eine mögliche Wirkstoffverschreibung. Man sehe „keinerlei Nutzen, aber viele Nachteile“. Auch Generika- und Pharmaverband sprachen sich am Dienstag in einer Aussendung gegen eine derartige Lösung aus. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hatte im RELATUS-Interview angekündigt, das Thema im Herbst mit allen Stakeholdern diskutieren zu wollen. Der Gesundheitssprecher der Grünen, Ralph Schallmeiner, appellierte nicht zuletzt deshalb am Dienstag an alle Stakeholder sich „nicht jetzt schon auf eine Position einzubetonieren.“ Österreich gehöre zu den wenigen Ländern wo noch konkrete Präparate und nicht Wirkstoffe durch Ärzte verschrieben würden. Schallmeiner: „Gesundheitsminister Anschober will nicht zuletzt auch auf Basis der Erfahrungen anderer Länder diese bisherige Praxis hinterfragen und ergebnisoffen diskutieren.“ Zudem lehnt es Schallmeiner ab, „den Apothekern die Qualifikation zur Entscheidung abzusprechen. Wer jahrelang Pharmazie studiert, und dann auch entsprechende Berufserfahrung aufweist, ist per se durchaus qualifiziert. Hier so zu tun, als ob nur eine Berufsgruppe kompetent wäre, halte ich persönlich für den falschen Zugang.“

Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundesobmann der Kurie der niedergelassenen Ärzte, verwies vor Medienvertretern am Dienstag einmal mehr auf „rein wirtschaftliche Motive auf Kosten der Versorgung“. Der Verband der pharmazeutischen Industrie (Pharmig) als auch der Österreichische Generikaverband (OeGV) gaben in Aussendungen an, „keinen Vorteil in einer sogenannten Wirkstoffverschreibung oder auch Aut-Idem-Regelung zu sehen. Das Argument, Lieferengpässe könnten vermieden und Kosten im Gesundheitswesen eingespart werden, wies die Ärztekammer scharf zurück und sprach von „Risiken für Patienten und das Versorgungssystem, auch weil davon auszugehen sei, dass die Apotheken bei der Auswahl einer Arzneispezialität nach wirtschaftlichen Kriterien vorgehen, also zum Beispiel das Medikament mit der größten Gewinnspanne bevorzugt abgeben werden.“ Würden Ärzte nur noch Wirkstoffe und keine Medikamente mehr verschreiben, würde das nicht nur die Therapietreue auf Patientenseite gefährden, sondern die Versorgung mit Arzneimitteln insgesamt“, erläuterte Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog. Auch OeGV-Präsident Wolfgang Andiel sieht „kein Instrument, um die negativen Folgen von Arzneimittel-Lieferengpässen abzufedern.“ Ähnlich sieht es Michael Freissmuth, Leiter des Zentrums für Physiologie und Pharmakologie der Meduni Wien: „Eine Aut-idem-Regelung würde der öffentlichen Hand keine nennenswerten Einsparungspotenziale bringen, bei vielen Patienten Verunsicherung erzeugen, das Risiko von Einnahmefehlern erhöhen.“

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