Rückendeckung für Kassenärzt:innen aus der Sozialversicherung

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Unerwartet scharfe Kritik am von der Regierung forcierten Startbonus für Kassenärzt:innen kommt vom Sozialversicherungsvorsitzenden Peter Lehner. Die Gesundheitsreform hält er für mäßig gelungen.

Nach der Ärztekammer kommt nun auch aus der Sozialversicherung unerwartet harsche Kritik am Startbonus für niedergelassenen Ärzt:innen durch die Regierung und dem von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) angekündigten Ausbau dieser Zuschüsse von 100 auf 200 Stellen. Ausgerechnet der aus dem ÖVP-Wirtschaftsbund kommende, aktuelle Vorsitzende im Dachverband der Sozialversicherungen, Peter Lehner, kritisiert die jüngste Ankündigung von Nehammer. „Auch mit 100.000 Euro für 200 Ärzte wird die Idee nicht besser“, richtete Lehner seinem Parteikollegen am Wochenende in mehreren Interviews aus. „Zusätzliche Kassenstellen sind sehr gut, aber ein Startbonus ist ein Bärendienst am System. Und es ist ein Eingriff der Politik von außen, was das System nachhaltig gefährdet“, sagt er im ORF-Interview. Es schaffe zwei Klassen von Ärzt:innen.

Unklar ist für Lehner auch, wie das Ausweitungsversprechen Nehammers finanziert werden soll. „Ich habe die vergangenen Tage nichts in Erfahrung gebracht“, sagte der SV-Vorsitzende: „Wir haben sowohl im Finanzministerium als auch im Gesundheitsministerium nachgefragt, ob es hier schon Finanzierungszusagen gibt. Die gibt es nicht.“ Das sei kontraproduktiv und genau dieser Eingriff von außen, „der verständlicherweise politisch gut klingt, der Sozialversicherung und den Versicherten wahrscheinlich langfristig nicht hilft“, wird Lehner in der APA zitiert. Im ORF wird er konkreter: Das unterhöhle die Selbstverwaltung der Sozialversicherung.

Dazu komme, dass die jetzt zugesagten Mittel den Kassen vorher im Rahmen des Finanzausgleiches genommen werden. Die Krankenkassen müssten heuer mit 7,65 Milliarden Euro (35 % der Gesamtausgaben) deutlich mehr an die Spitäler bezahlen und das bei dort sinkenden Leistungs- und Bettenzahlen. Im niedergelassenen Bereich stiegen hingegen die Patient:innenzahlen laufend. Die Stärkung des niedergelassenen Bereichs könne er dadurch nicht erkennen. „Das gehört geändert.“ Lehner will die Zahlungen an die Spitäler einfrieren.

Zuletzt hatte auch die Ärztekammer die Initiative der Regierung kritisiert und gefordert, dass ein Bonus allen Ärzt:innen, die eine Ordination gründen oder übernehmen zustehen müsse. Edgar Wutscher, Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzt:innen in der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), forderte die Einbindung der Kammer. „Allein die Ansage, dass man die Stellen schafft, bringt ja in keiner Weise irgendwoher eine Verbesserung in der Versorgung“, sagte er vergangene Woche. Es gebe bereits jetzt 400 offene Stellen, die großteils bereits ausgeschrieben seien. Wutscher: „Es kann nicht die Lösung sein, dass ich 100 dazu schaffe und fördere, und die anderen kriegen nichts.“

(red)