Umwelt und COVID-19: Experten sehen Zusammenhänge bei Erkrankung

Umweltmediziner Hans-Peter Hutter

Anlässlich des Weltumwelttages verknüpften am Wochenende Experten in Österreich COVID-19-Erkrankungsfälle mit der Umweltverschmutzung. Auch die EU tut das. Die EU-Kommission will mit einem Corona-Konjunkturprogramm die grüne Agenda vorantreiben.

Die Coronakrise zeigt, dass sozial und gesundheitlich benachteiligte Personen stärker betroffen sind, weil sie etwa in stärker Schadstoff-belasteten Gegenden wohnen, sagten Forscher am Donnerstag in Wien. Sie hoffen daher angesichts der drastischen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie darauf, dass nun Bewegung in verkehrs- und gesundheitspolitische Langzeitdiskussionen kommt. Im Zuge des Corona-Ausbruchs habe sich eindrucksvoll gezeigt, dass Veränderungen möglich sind und auch gesellschaftlich akzeptiert werden, die zu deutlichen Reduktionen des Individualverkehrs führen, sagte Hanns Moshammer, Leiter der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin der Medizinischen Universität Wien, in einem vom Verein „Diskurs. Das Wissenschaftsnetz“ organisierten Pressegespräch. Etwa hinsichtlich der Belastung der Luft durch Stickstoffdioxid (NO2) haben sich in Lockdown-Zeiten dadurch „deutliche Verbesserungen“ in der Luftqualität eingestellt.

Gerade am Beispiel der Stickoxide lasse sich auch ein Faktor festmachen, warum Covid-19 gesellschaftliche Randgruppen im Durchschnitt stärker betrifft. Denn in Gegenden mit höherer Luftverschmutzung – das sind in Wien etwa die Lagen in der Nähe von Hauptverkehrsadern – sind die Mieten meist niedriger. Das zieht dementsprechend Personen mit niedrigerem Einkommen an, die wiederum in tendenziell schlechterer gesundheitlicher Verfassung sind, betonte auch Willi Haas vom Institut für Soziale Ökologie der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien. Laut Moshammer gibt es Daten, die darauf hindeuten, dass in der Bundeshauptstadt in Bezirken mit höheren Schadstoffbelastungen das Risiko am Coronavirus zu erkranken oder zu sterben höher ist. Diese vorläufigen Befunde müssten allerdings noch durch Fachkollegen überprüft werden.

Damit sich diese Situation verbessert, brauche es endlich mehr Bewegung bei umweltpolitischen Dauerthemen wie der Verbesserung des öffentlichen Verkehrs bei gleichzeitigem Einbremsen des Individualverkehrs und mehr Räume für aktive Mobilität in Städten. Die EU-Kommission denkt offenbar in eine ähnliche Richtung. Sie will mit dem Corona-Konjunkturprogramm ihre Klimaschutzagenda vorantreiben. Hilfen für den Wiederaufbau der Wirtschaft nach der Krise im Rahmen von EU-Programmen würden immer an grüne Kriterien gebunden, kündigte der für den Klimaschutz zuständige Vizepräsident Frans Timmermans in Brüssel an. Es sei zum Beispiel „undenkbar“, dass Unterstützung gezahlt werde, damit auf Kohle basierende Industrien weitermachten wie bisher, sagte Timmermans.

Am Freitag informierten Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, Gesundheitsminister Rudolf Anschober (beide Grüne) und Hans-Peter Hutter, Facharzt Hygiene und Mikrobiologie mit Schwerpunkt Umweltmedizin sowie Landschaftsökologe, über „Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesundheit“. Während man die Coronakrise mit Ausdauer, konsequenten Maßnahmen und schließlich Impfstoffen in den Griff bekommen könne, würde die Klimakrise zum Dauerzustand. Sie sei auch während der Coronakrise fortgeschritten: Es gab einen der trockensten Frühlinge in Österreich, der Neusiedlersee ist auf Rekord-Tiefstand und die Sommer werden immer heißer, so die Klimaschutzministerin. Die zusätzlichen Kosten durch die Klimakrise für das österreichische Gesundheitssystem beziffert sie mit 2,3 Milliarden Euro jährlich bis 2030. (red)