Verknüpfung von Gesundheitsdaten soll Medizin-Forschung helfen

(c) Bernhard Noll / ÖÄK

Gleich mehrere Organisationen fordern die Nutzung und Verknüpfung medizinischer Daten, um die Suche nach neuen Medikamenten – vor allem gegen Covid-19 – zu beschleunigen. Auch die Ärztekammer wünscht sich das.

Das jüngste Beispiel ist die Debatte über einen Asthmaspray, der laut einer Studie auch gegen Covid-19 helfen soll. Das Problem: die Studie war klein. Fachgesellschaften fordern bessere Daten und Studien für ein endgültiges Urteil. Helfen könnte die Verknüpfung von Daten, sagen Experten. „Gerade in der Pandemie wäre es wichtig, Gesundheitsdaten von Covid-19-Erkrankten zu analysieren. Wir haben ja einerseits eine meldepflichtige Erkrankung, andererseits sind die auf dem Wirkstoff Budesonid basierenden Medikamente rezeptpflichtig. Diese Daten zusammenzuführen, kann helfen, die Therapie von Erkrankten anzupassen und dadurch auch die Spitäler zu entlasten“, sagt Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde an der Johannes Kepler Universität in Linz und Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie warnt vor der Qualität der Daten: „Die Sozialversicherung, weiß wohl über die Medikation (zumindest über die Verordnung und Apothekenabholung, nicht unbedingt über die tatsächliche und regelmäßige Verwendung), aber es fehlen dort Informationen über jene Personen, die positiv getestet aber nicht hospitalisiert werden mussten“, sagt er auf Anfrage des Onlineprotals RELATUS MED. „Der einzige Weg wirklich für Klarheit zu sorgen, sind größere, verblindete und plazebokontrollierte Studien“, meint er.

Die Debatte über die Vernetzung von Daten ist dennoch eröffnet: „Digitalisierte Daten bergen ein großes Potenzial, die medizinische Forschung schneller voranzutreiben, das sollte auch genutzt werden“, sagt Szekeres. Er verweist auf eine Kritik des Forschungsrats, wonach in Österreich große Datenmengen der öffentlichen Hand bisher für Wissenschaft und Forschung großteils nicht zugänglich seien. Der Forschungsrat empfiehlt einen regulierten Zugang zu Individualdaten aus den Registern der öffentlich sowie der amtlichen Statistik über sichere und einfache Remote-Zugänge. „Gerade in der Pandemie ist es wichtig, dass die Daten der Gesundheitsbehörden mit den Medikationsdaten verglichen werden können, selbstverständlich anonymisiert“, sagt Szekeres. Das sei eine Erleichterung, um Medikamente zu identifizieren, die eventuell vor schweren Verläufen schützen können.

Eine „unabhängige nationale Medizindatenstelle“ für Österreich fordert der Komplexitätsforscher Stefan Thurner. Nicht zuletzt die Coronapandemie habe gezeigt wie schlecht entwickelt hierzulande das Erheben, Aufbereiten und Verknüpfen von Gesundheitsdaten eigentlich ist, so der Experte im Rahmen einer Online-Diskussion. Dazu komme ein ausgeprägtes Besitz- und Silodenken, das wichtige Daten etwa für Start-ups oder die Forschung unerreichbar mache. Der an der Medizinischen Universität Wien und am Complexity Science Hub (CSH) Vienna tätige Thurner bekam als Teil des Covid-19-Prognosekonsortiums unmittelbar mit, woran es im Feld der Gesundheitsdaten hapert. Fazit: nahezu überall und dies auf kafkaeske Weise. Selbst wenn man Informationen bekomme, würde das teils „auch nicht viel bringen“, weil die Daten schlecht und unvollständig seien, zeitverzögert einlangen oder der Datenfluss über Institutionen hinweg nicht funktioniere, die mitunter auch noch unterschiedlich pseudonymisieren. Das Feld werde „nicht konsistent durchgedacht“, man bringe es einfach „nicht zusammen“, sagte Thurner im Rahmen der Veranstaltung des Verbandes der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig) und des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF).

Daher brauche es die Gründung einer unabhängige nationale Medizindatenstelle, die an das Parlament oder den Rechnungshof berichtet. Die „Datenproduzenten“ würden dort ihre Informationen einmelden. Unter einem breiten Governance-Board würde diese Stelle dann „den verschiedenen Nutzern – das sind Sozialversicherungen, die Politik, die Planung, die Forscher – die Daten, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben brauchen zur Verfügung stellen“. Der Forschungsrat fordert gleichzeitig die Bundesregierung auf, „die nationalen Rahmenbedingungen für datengetriebene Wissenschaft zu optimieren“. Er empfiehlt, das geplante „Austrian Micro Data Center“ (AMDC) rasch umzusetzen und die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen auszuarbeiten. Regulierungen, die vor Datenmissbrauch schützen, seien dabei unerlässlich. Der Zugang zu und die Nutzung von Daten müsse geregelt und kontrolliert werden. Einrichtung und Betrieb des AMDC soll als Aufgabe der Statistik Austria verankert werden, erklärte indes Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der NEOS. Voraussetzung für die Schaffung des AMDC sei sowohl eine Novellierung des Bundesstatistikgesetzes 2000 als auch eine Novellierung des Forschungsorganisationsgesetzes (FOG). Wann das AMDC seinen Betrieb aufnehmen wird, darüber macht Faßmann keine Angaben. (red)