Ineffizienzen und unklare Schnittstellen erschweren die optimale Versorgung uro-onkologischer Patient:innen. Das war der Tenor der 4. Folge des Österreichischen Onkologie Forums.
Die jüngste Folge des Österreichischen Onkologie Forums (ÖOF) widmete sich diese Woche den Versorgungsstrukturen für Patient:innen mit urologischen Tumoren und stellte den aktuellen Ist-Stand möglichen Zukunftsperspektiven gegenüber. „Wir verfolgen das Ziel, in einen praxisnahen und lösungsorientierten Dialog zu Versorgungsthemen von Patient:innen mit onkologischen Erkrankungen in Österreich mit Stakeholdern aus dem Gesundheitswesen zu treten“, erkärte Wolfgang Hilbe, Past-Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (OeGHO). Das ÖOF ist ein interdisziplinärer, unabhängiger Think-Tank der OeGHO. Das bewährte Dialog- und Denkformat wurde von der medizinischen Leiterin der OeGHO, Kathrin Strasser-Weippl, moderiert.
Sie hob eine Besonderheit und damit Herausforderung in der Versorgung von urologischen Tumoren hervor: „Die Uro-Onkologie ist ein Spezialgebiet, in dem auch viele niedergelassene Urolog:innen als zentrale Drehscheibe eingebunden sind und damit völlig neue Versorgungsfragen außerhalb des Spitals oder an Schnittstellen auftreten, die es in dieser Form in anderen onkologischen Bereichen nicht gibt.“ Fragen der Effizienz waren ein roter Faden, der sich durch die Diskussion zog. Viele Spitäler sind mit Untersuchungs- oder OP-Terminen an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt. Das erfordert nicht nur Geduld und lange Wartezeiten auf Seiten der Patient:innen, sondern auch ein aufwendiges Terminmanagement sowie die Koordination und die Abstimmung mit extramuralen Versorgungsangeboten wie Labor oder bildgebender Diagnostik.
Unter dem Stichwort „Triage“ müssen weniger dringliche Patient:innen umgereiht werden, der Abstimmungs- und Organisationsaufwand belegt Ärzt:innen mit zusätzlichen administrativen Tätigkeiten. „Das verursacht neuerlich Kosten, etwa weil Überstunden bezahlt werden müssen. Je näher ein Spital also an seiner Kapazitätsgrenze arbeitet, desto höher sind die organisatorischen Aufwände für zusätzliche Patient:innen. Damit wird es letztlich sehr ineffizient. Diese Belastungen werden mit der demografischen Entwicklung künftig auch noch steigen“, prognostiziert Thomas Czypionka, Leiter der Forschungsgruppe Gesundheitsökonomie und -politik am Institut für Höhere Studien (IHS). Silvia Bodi bestätigt die Situation aus Sicht der Landesgesundheitsagentur Niederösterreich: „Wir sehen in der Uro-Onkologie einen Patientenrückstau bei gutartigen Erkrankungen wie der Prostatahyperplasie. Die onkologischen Patient:innen werden vorgezogen, andere müssen oft Monate auf ihre Behandlung warten.“ Für sie sind die Einrichtung von Erstversorgungsambulanzen, die Bündelung von Tumorboards und der Ausbau der OP-Kapazitäten ein Gebot der Stunde. „Der Aufbau operationstechnischer Assistenzkräfte, von denen heuer die ersten 30 ihren Abschluss machen, war für uns ein Teil der Lösung und hat Jahre Vorarbeit erfordert“, sagt Bodi.
Eine Unterversorgung in der Urologie im niedergelassenen Sektor ortet auch Stephan Kriwanek, medizinischer Geschäftsführer der Gesundheit Burgenland – mit der Konsequenz, dass in den Spitälern ein Versorgungsshift zu beobachten ist: „Onkologische Patient:innen haben Vorrang und manche Aufgaben müssen ausgelagert werden.“ Die vermeintlich einfache Lösung einer Verlagerung von CT- und MR-Untersuchungen in den extramuralen Bereich schaffe neue Herausforderungen, etwa bei der Übermittlung und Qualität der Bilder oder dem Verlust radiologischer Expertise im Spital, die auch in der Ausbildung des Nachwuchses von hoher Bedeutung ist. Daher fordert Felix Keil aus dem Wiener Hanusch-Krankenhaus und Vertreter der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), dass die onkologische Diagnostik trotz aller Engpässe unbedingt in onkologischen Zentren angesiedelt bleiben muss. Einig ist er sich mit Stefan Eichwalder, Abteilungsleiter aus dem Gesundheitsministerium, dass der Ausbau der Digitalisierung, die Nutzung der Dateninfrastruktur von ELGA, die Diagnosecodierung, aber auch die von der EU geforderten einheitlichen Datenaustauschformate oder eine Patient Summary im Rahmen der Implementierung des European Health Data Space wichtige Schritte zu mehr Effizienz sein werden.
Weitere Brennpunktthemen waren der Zugang zu innovativen Therapien – sowohl extra- als auch intramural – sowie die Chancen, klinische Studien durchzuführen. Auch hier zeigt sich, dass bürokratische Hemmnisse und die fehlenden einheitlichen Strukturen die Arbeit der Ärzt:innen im Spitalsalltag erschweren und die Zahl der klinischen Studien, die in heimischen Spitälern durchgeführt wurden, in den letzten Jahren deutlich rückläufig war. Mitentscheidend für ein Investment von Pharmakonzernen sind die Geschwindigkeit und die Flexibilität, um mit innovativen Produkten in den Markt zu kommen – bei beiden Faktoren positioniert sich Österreich weder in Europa noch international derzeit als Vorreiter. Dass sich diese Rolle rasch ändern muss, betont Ronald Pichler, Head of Public Affairs & Market Access der Pharmig: „Klinische Studien bringen nicht nur neue Behandlungsoptionen für Patient:innen, sondern holen auch Investitionen, Expertise und internationale Sichtbarkeit nach Österreich.“ (red)