Wechsel an der ÖGK-Spitze zeigt Konflikte in Selbstverwaltung

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Mit 1. Juli wechselt turnusmäßig die Obmannschaft in der ÖGK. Arbeitnehmervertreter Andreas Huss löst Arbeitgeberobmann Matthias Krenn ab. Huss präsentierte sein Arbeitsprogramm und erntete prompt massive Kritik von ÖVP-Seite.

Eigentlich habe sich das Klima zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der ÖGK-Selbstverwaltung in den vergangenen Monaten gebessert, erzählt Andreas Huss im RELATUS-Interview am Dienstag vor der Vorstellung seines Arbeitsprogrammes am Mittwoch. Arbeitgeber und Arbeitnehmer würden auf Augenhöhe zusammenarbeiten, berichtet Huss. Am Mittwoch zeigte sich allerdings ein anderes Bild. Vertreter des Wirtschaftsbundes und der ebenfalls scheidende Dachverbandsvorsitzende Peter Lehner schossen sich mit Presseaussendungen auf Huss ein und warfen ihm nicht nur unrealistische Forderungen vor, sondern auch Alleingänge, die in der Selbstverwaltung nicht abgesprochen seien. Interessant dabei: die Pressestelle des Dachverbandes rief eine Presseaussendung Lehners vom Mittwoch per Mail am Donnerstagfrüh ohne weitere Erklärung wieder zurück.

Stein des Anstoßes war eine Pressekonferenz von Huss, der zu seinem Amtsantritt ein Arbeitsprogramm für den Ausbau des Gesundheitswesens vorgelegt hat. Zentraler Punkt ist die Verbesserung der hausärztlichen Versorgung. Geht es nach Huss, soll es einen leichteren Unizugang für jene geben, die Allgemeinmediziner werden wollen. Wie der Arbeitnehmervertreter ausführte, sollen sich potenzielle praktische Ärzte künftig entweder den Medizinaufnahmetest ersparen oder nur eine abgespeckte Version absolvieren müssen. Auch ein einschlägiger Zivil- oder freiwilliger Sozialdienst soll hier Vorteile bringen. Stipendien seien ebenso angedacht. Im Gegenzug müssten sich die Absolventen dazu verpflichten, mindestens zehn Jahre lang dem öffentlichen Gesundheitssystem als Allgemeinmediziner zur Verfügung zu stehen. Huss will dies nun mit dem Gesundheits- und dem Bildungsminister diskutieren. Die weiteren Punkte, die sich er sich bis 2025 gesetzt hat, umfassen ein österreichweites Impfprogramm und die Sicherung der Medikamentenversorgung, die Sicherstellung auch von Ergotherapie oder Logotherapie im kassenfinanzierten Bereich oder den Ausbau der Gesundheitshotline 1450. Weiteres Ziel seien strukturierte Betreuungsprogramme für chronisch Kranke wie etwa Diabetiker. Bei der Vorsorge will Huss ein Darmkrebs-Screening-Programm nach Vorarlberger Vorbild in ganz Österreich ausrollen; allein dort habe man sich dadurch nicht nur viel Leid, sondern auch 75 Millionen Euro an Behandlungskosten erspart. Und: Die Zahl der subjektiv wahrgenommenen gesunden Lebensjahre soll gesteigert werden. All das koste etwas, das Geld sei aber im System vorhanden, zeigte sich Huss überzeugt. Mit der Fusion der neun Gebietskrankenkassen zur ÖGK hat sich der neue Obmann inzwischen abgefunden. Begeistert sei man bekanntlich nicht gewesen, aber: „Wir müssen ganz einfach das Beste daraus machen.“

Die Kritik kam rasch: Der ÖGK-Obmann habe die Interessen der Versicherten zu vertreten. Diese brauchten Sicherheit, dass ihre Leistungen gewährleistet sind, keine utopischen Pläne ohne Finanzierung und eine undurchschaubare Geldpolitik, betonte Lehner, Co-Vorsitzender der Konferenz der Sozialversicherungsträger, und forderte Huss auf, verantwortungsvoll seine Aufgabe wahrzunehmen. „Parteipolitik und PR-Aktionen haben hier keinen Platz.“ Huss solle seine „One-Man-Show“ beenden, formulierte der Wirtschaftsbund. „Das Amt des ÖGK-Obmanns ist kein Profilierungsposten für das Rennen um den nächsten ÖGB-Vorsitzenden.“ Huss’ „Wünsch dir was“-Papier sei weder mit der Arbeitgeberkurie noch mit der Arbeitnehmerkurie in der ÖGK abgestimmt worden. Verwundert zeigte sich auch der Vorsitzende der Dienstgeber-Vertreter in der Österreichischen Gesundheitskasse und bisherige Obmann Matthias Krenn (FPÖ). „Der ausgegebene Forderungskatalog ist kein offizielles Programm der ÖGK und wurde ohne Kenntnis und Zutun der hauseigenen Experten erarbeitet. Auch wurden weder Dienstgeber-Vertreter noch alle Mitglieder der Dienstnehmer-Kurie in die Erstellung eingebunden“, sagte Krenn. Es gelte zu vermeiden, in einer finanziell sehr herausfordernden Zeit, hohe Erwartungshaltungen zu wecken, die den budgetären Möglichkeiten nicht standhalten. Neben dem ÖVP-Wirtschaftsbund hat auch der ÖVP-Arbeitnehmervertreter im ÖGK-Verwaltungsrat, Martin Schaffenrath, die Forderungen des neuen Obmannes der Österreichischen Gesundheitskasse, Andreas Huss, kritisiert. Er betonte, dass die von Huss vertretenen Positionen nicht jene der gesamten Arbeitnehmerseite seien. Mit ihm seien die Forderungen jedenfalls nicht abgestimmt. Es sei „nicht der österreichische Weg“, sich die Dinge über die Medien auszurichten, kritisierte der ÖVP-Arbeitnehmervertreter seinen SPÖ-Kollegen. SP-Gewerkschafterin Barbara Teiber eilte Huss zur Hilfe und hat den ÖVP-Wirtschaftsbund aufgerufen, seinen „Beißreflex“ gegen Huss einzustellen. (rüm)