Corona: So wollen die Bundesländer das Gesundheitswesen ändern

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Mehr Mitsprache, mehr Geld und mehr Vorsorge: Im RELATUS-Interview fordert die Vorsitzende der Gesundheitsreferenten in der Landeshauptleutekonferenz, Christine Haberlander (OÖ), weitreichende Änderungen im System.

Wo hat Corona Stärken und Schwächen in der Versorgung gezeigt und wie kann man sie stärken beziehungsweise beheben? Die Krise hat manche Themenlagen bestätigt und gezeigt, dass man auf manche Dinge mehr achten muss. Ein Thema ist das der Finanzierung, ein anderes das der Vorsorge. Für Oberösterreich haben sich in der Krise auch Stärken gezeigt. Der Rechnungshof hat etwa 2018 kritisiert, dass wir Verbrauchsgüter von zu vielen Anbietern beziehen. Jetzt sieht man, dass die Diversifizierung sinnvoll ist. Man muss sich immer auch ein Krisenszenarium vorstellen und kürzere Lieferketten, Lagerhaltung sowie die Reduktion von Einwegprodukten ansehen. Das Thema Schutzausrüstung ist sicher auf allen Ebenen vernachlässigt worden, wir waren hier aber noch besser gerüstet als andere. Offensichtlich ist auch, dass wir alle im Hinblick auf Digitalisierung viel gelernt haben. Hier wurde ein Schalter umgelegt und viele stehen dem Thema jetzt offener gegenüber. Das Thema Telemedizin ist in der Begeisterung dafür durch, jetzt geht es um die Umsetzung.

Wird (oder soll) die Corona-Krise die Finanzierung der Spitäler verändern? Wir stehen generell vor einer herausfordernden demographischen Entwicklung und einem kostspieligem medizinischen Fortschritt. Die einseitige Belastung von Ländern und Gemeinden gehört in jedem Fall geändert. Wir haben auch jetzt gesehen, dass das Auffangbecken im worst case die Spitäler sind. Es muss künftig also faire und korrekte Beteiligung der Länder und Gemeinden in Gestaltung des Systems geben. Das wird wohl auch Thema bei kommenden 15a-Verhandlungen zum Finanzausgleich sein. Derzeit gibt der Bund Regeln vor und die Risikolast liegt bei Ländern und Gemeinden. Das muss sich ändern.

Wie sind die Wünsche und Einschätzungen der Länder im Hinblick auf die 15a-Gespräche im Herbst? Es braucht sicher eine bessere und verbindliche Abstimmung, wo Länder und Gemeinden auch mitsprechen können. Wir müssen uns auch überlegen, wie wir mit der medizinische Entwicklung umgehen. Da geht es etwa um die Zulassung und Finanzierung von Medikamenten. Das werden wir einfordern. Es gibt gute Dinge, an denen ich festhalten möchte und solche, die ich ändern möchte – etwa das Denken in Szenarien und die Digitalisierung. Am System der Abgangsdeckung möchte ich festhalten. Bei uns gibt es deshalb im Gegensatz zu anderen Staaten keinen Leistungsdruck. Dadurch können wir Betten vorhalten.

Wie viel Geld wollen Sie für das Gesundheitswesen? Die konkreten Forderungen haben die Länder noch nicht überlegt, wir wollen vor allem über ein verbindliches Miteinander sprechen. Es ist zu kurz gegriffen, über Summen zu reden.

Braucht es eine Neugestaltung des Gesundheitswesens und wie? Wir müssen uns fragen, wie Anreizsysteme zur Vorsorge aussehen. Da muss man sich auch bei Sozialversicherung wirklich drum kümmern. Die Konsequenzen der Nichtvorsorge zahlen Länder und Gemeinden. Was Corona gerade zeigt, ist was eine Infektionskrankheit bewirkt. Über die Verbindlichmachung von Impfungen nachzudenken, halte ich in manchen Bereichen für sinnvoll. In jedem Fall muss man die Impfempfehlungen überarbeiten. Bei Influzenza würde ich nicht auf ein Muss gehen, aber es braucht Anreize um die Impfraten zu erhöhen. Man muss aber auch fragen, wie es in Krankenhäusern und Pflegeheimen aussieht. Bei Masern sollte man hingegen über eine Verbindlichkeit nachdenken. Corona hat jedenfalls zu einer Sensibilisierung bei den Menschen geführt. Dass die Krise die Gesellschaft Geld und Wohlstand kostet, ist offensichtlich. Wir müssen also das System und die Bedingungen an das Virus anpassen. Die Pandemie ist sicher eine Ausnahmesituation, sie zeigt aber: in Gesundheitsversorgung investiertes Geld ist gut investiertes Geld. Hier zu sparen, halte ich für falsch. Wir müssen aber effektiver und effizienter werden.

Bringt Corona das Ende für den niedergelassenen Hausarzt, weil Alte nun aufgeben und Junge erst recht nicht wollen? Bei der Allgemeinmedizin wurden in der Krise Schwächen offenbart, aber auch Stärken. Die Menschen haben sich auch mehr denn je an den Hausarzt gewandt. Das gibt den Menschen Sicherheit und ist auch eine Wertschätzung dem Berufsbild gegenüber. Man wird aber die Jungen unterstützen müssen auch bei der Frage, wie sie starten und arbeiten. Dass eine solche Krise Angst macht, ist nachvollziehbar. Eine Lösung ist, mehr in Gemeinschaftsorganisationen zu gehen. Gemeinsam kann es besser gelingen als allein. Corona ist nicht der Tod für die Einzelordination – es wird sie weiter geben. Aber es ist eine Bestätigung, dass es nicht nur ein Modell gibt. Wir müssen einen Blumenstrauß der Möglichkeiten anbieten, um das Berufsbild zu stärken.

Das Interview führte Martin Rümmele