Engpässe: Arzneimittel-Versorgung in Gefahr

(c) BiVÖ/Rainer Fehringer

Der Biosimilarsverband Österreich warnt vor Versorgungsengpässen und fordert rasch eine Verlängerung der Preis-Regelung für Biosimilars.

Der Biosimilarsverband Österreich (BiVÖ) schlägt Alarm: Mit Ende dieses Jahres läuft die Preisregelung für Biosimilars aus. Laut BiVÖ droht dann ein Rückfall in die alte Preisregelung für Biosimilars, was wiederum zu Engpässen bei Arzneimitteln führen könnte. Bereits jetzt, am Anfang der Erkältungssaison, häufen sich in Österreich Meldungen über Probleme bei der Versorgung mit Medikamenten. Dabei spielen laut BiVÖ unterschiedliche Faktoren eine Rolle – die Preisregelung für die Kostenerstattung von Biosimilars könnte aber ausschließlich vom Gesetzgeber geregelt werden.

Seit April 2017 haben Biosimilars in Österreich erstmals durch eine Gesetzesänderung im ASVG einen eigenen Rechtsstatus und eine eigene Erstattungs-Preisregelung erhalten. Diese reguliert die Erstattung von Biosimilars und des entsprechenden Referenzprodukts und kann zu Gesamteinsparungen von über 50 Prozent bei den Behandlungskosten führen. „Diese Preisregelung hat sich in den vergangenen sechs Jahren bewährt und hat die Verfügbarkeit neuer Biosimilars positiv beeinflusst“, sagt Sabine Möritz-Kaisergruber, Präsidentin des Biosimilarsverband Österreich.

Seit ihrer Einführung wurden laut BiVÖ nahezu gleichzeitig mit anderen europäischen Ländern 25 Biosimilars in den Erstattungskodex aufgenommen. Allein in den Jahren von 2017 bis 2022 hätte das zu Einsparungen in der Höhe von 818 Millionen Euro geführt. Der BiVÖ setzt sich daher auch für eine Überführung der Biosimilars-Preisregelung in Dauerrecht ein. Sollte das nämlich nicht passieren, werden Biosimilars in den Erstattungskodex aufgenommen, wo sie sich der alten Generika-Preisregel unterwerfen müssten – diese sieht eine bis zu 60 Prozent verpflichtende Preisabsenkung vor. Der Biosimilarsverband befürchtet in der Folge, dass keine neuen Biosimilars mehr auf den Markt kommen und den Patient:innen in Österreich nur die patentabgelaufenen Original-Biologika zu wesentlich höheren Preisen zur Verfügung stehen werden.

„Um die Arzneimittelversorgung zu gewährleisten, müssen wir sicherstellen, dass mehr kostengünstige Biosimilars verfügbar gemacht und dadurch Einsparungen ermöglicht werden. Ein Rückfall in die alte Regelung wäre fatal“, warnt Möritz-Kaisergruber. „Es würden weniger Biosimilars in Österreich auf den Markt kommen. Für Ärzt:innen bedeutet das weniger Therapieoptionen, für Patient:innen längere Wartezeiten auf einen breiteren Einsatz von ,state-of-the-art‘-Therapien und für das österreichische Gesundheitssystem höhere Kosten.“

Auch das Einsparungspotenzial würde sinken: Stefan Baumgartner-Bisschoff, Geschäftsführer vom Marktforschungsinstitut IQVIA Austria, leitete in diesem Zusammenhang eine Biosimilars Verbrauchsstudie. „Unsere Studie prognostiziert für Österreich weitere Einsparungen in Höhe von über 330 Millionen Euro für den Zeitraum von 2023 bis 2027. Diese Einsparungen könnten sich um mindestens 40 Prozent verringern, wenn die bestehende Regelung nicht aufrechterhalten wird und in Folge weniger Biosimilars auf den österreichischen Markt kommen. In diesem Fall beläuft sich das entgangene Einsparungspotential also auf rund 140 Millionen Euro“, erklärt Baumgartner-Bisschoff.

Durch das Auslaufen der Biosimilars-Preisregelung steht auch eine Verschärfung der bereits in vielen Bereichen angespannten Versorgungssituation mit Humanarzneimitteln bevor. Aktuell sind bereits mehr als 600 Arzneimittel nach dem Vertriebseinschränkungsregister des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) von Lieferengpässen betroffen. Pro Monat verlassen ungefähr 20 Arzneimittel den Erstattungskodex und stehen damit in Österreich nicht mehr zur Verfügung. „Für chronisch kranke Menschen ist ein dauerhafter Medikamentenzugang essenziell“, mahnt Evelyn Groß, Präsidentin der ÖMCCV – Österreichische Morbus Crohn Colitis ulcerosa Vereinigung. „Selbst scheinbar kleine Umstellungen, wie bei wirkungsgleichen Arzneimitteln, können eine große Herausforderung darstellen, da selbst die Handhabung eines Pens von Medikament zu Medikament stark variieren kann. Die Sicherheit und Kontinuität in der Behandlung dürfen nie gefährdet werden.“ In Europa wurden seit der Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) im Jahr 2006 über 2 Milliarden Behandlungstage mit Biosimilars verzeichnet. (red)