Hausapotheken: Ministerin sorgt mit RELATUS-Interview für Debatte

Sozialministerin Brigitte Zarfl (c) Sozialministerium

Dass die Gesundheitsministerin im RELATUS-Interview das System der Hausapotheken beibehalten will, ruft die Ärztekammer auf den Plan. Die Ministerin ignoriere die Empfehlungen der Bundeswettbewerbsbehörde zur Liberalisierung.

Mit Erstaunen reagiert Johannes Steinhart, Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, auf die von Gesundheitsministerin Brigitte Zarfl im RELATUS-Interview getätigte Aussage, sie sehe „wenig Änderungsbedarf im Hinblick auf Hausapotheken“. Im Interview beruft sich Zarfl auf die Apothekergesetznovelle von 2006, wonach bei Ein-Arzt-Gemeinden grundsätzlich der Vorrang der Hausapotheke gilt, in Zwei- und mehr-Arzt-Gemeinden jener des Vorrangs öffentlicher Apotheken. „Es ist befremdlich, wenn eine Ministerin die aktuellen Empfehlungen der Bundeswettbewerbsbehörde, die organisatorisch beim Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort angesiedelt ist, ignoriert und sich auf ein nicht mehr zeitgemäßes Gesetz beruft, das dringend überarbeitet werden muss. Es liegt in der Verantwortung einer Gesundheitsministerin, die Rahmenbedingungen für die bestmögliche Patientenversorgung zu schaffen“, sagt Steinhart.

Für den Apothekerverband bringt Zarfl hingegen die bestehende Situation auf den Punkt. „Für eine umfassende Versorgung braucht es die Apotheken und ein gutes Zusammenspiel zwischen Ärzte- und Apothekerschaft. Will man mehr Ärztinnen und Ärzte aufs Land locken, ist eine Notabgabestelle für Medikamente nicht die Lösung. Zuerst sollte über eine bessere Vergütung als Anreiz nachgedacht werden”, sagt Verbandspräsident Jürgen Rehak.

In den vergangenen zehn Jahren wurden 155 öffentliche Apotheken neu eröffnet, mehr als 100 ärztliche Hausapotheken gingen hingegen verloren – heute gibt es nur noch rund 840, rechnet die Ärztekammer vor. „Das Nachsehen bei dieser Entwicklung haben Menschen, die in entlegenen Regionen leben, und darunter ganz besonders alte und nicht mobile“, kritisiert Steinhart. Schuld daran sei der „Mindestentfernungspassus“ zwischen öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken. „Eine bestmögliche Versorgung heißt, dass insbesondere Patienten in strukturschwachen, ländlichen Regionen direkt vom Arzt mit Arzneimitteln versorgt werden, damit sie sich lange Anfahrtswege zur nächsten Apotheke ersparen“, betont Steinhart. Es sei dringend an der Zeit, die Mindestentfernung bei der Bewilligung von Hausapotheken ersatzlos zu streichen, wie es auch die Bundeswettbewerbsbehörde fordert. „Zumindest im ländlichen Raum braucht die Bevölkerung ein duales System “, sagt Steinhart. (rüm)