Kommentar: Der ewige Kniefall vor Kritikern und Touristikern

Martin Rümmele ist Chefredakteur von Relatus.

Der neue Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hat keine Schonfrist zur Einarbeitung erhalten. ÖVP und Bundesländer bremsen trotz steigender Infektionszahlen.

In den niederösterreichischen Landeskliniken sind nach Angaben der Landesgesundheitsagentur per Freitag 1.812 Beschäftigte als Kontaktpersonen oder mit bestätigter Corona-Infektion dienstverhindert gewesen. Die Gesamtzahl inklusive generellen Krankenständen oder Pflegeurlauben wurde mit 3.387 beziffert. Zum Vergleich: Die Kliniken im Bundesland haben etwa 22.000 Beschäftigte. In anderen Bundesländern ist die Lage ähnlich. Es zeigt sich, dass es ein Fehler war, bei der „Überlastung des Gesundheitssystems“ immer nur über Betten zu reden und nicht über das Personal.

Es zeigt sich aber auch, dass weiter gebremst wird. Der Unterrichtsminister will keine Verschärfungen von Maßnahmen vor den Osterferien. Die Touristiker in Tirol werden es ihm danken. Dennoch kommt in anderen Innenräumen nun wieder die Maskenpflicht. Eine solche kann die Infektionszahlen „deutlich senken“, hielten die Gecko-Experten fest. „Der Nutzen von Masken in Innenräumen ist durch Evidenz sehr gut belegt“, unterstrich Gecko-Vorsitzende Katharina Reich den individuellen und gesamtgesellschaftlichen Nutzen. Beim Personalmangel im Gesundheitswesen machen die Länder indes Druck, dass die Quarantäneregelungen verkürzt werden. Dass das nicht unbedingt die weiseste Lösung in Zeiten steigender Infektionszahlen ist, liegt auf der Hand. Doch wann haben die Länder in der Pandemie schon weise agiert?

Dennoch weise die Länder jede Verantwortung von sich. „Dass die Maskenpflicht kommen muss, ist leider der der Entwicklung geschuldet. Und die war so nicht vorhersehbar“, sagte Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) am Wochenende. Doch, das war sie. Fast alle Experten hatten davor gewarnt. Heute wisse man, dass die Lockerungen zu früh gekommen seien, sagte Rauch. Man sei damals anhand von Prognoserechnungen davon ausgegangen, dass die Zahlen sinken. Nein, davon ist nur die Regierung ausgegangen – die Experten erwarteten steigende Zahlen. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP), immerhin derzeit Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, wollte am Freitagabend angesichts vieler offener Fragen überhaupt kein Statement mehr abgeben. „Es war die Bundesregierung, die uns dieses Schlamassel eingebrockt hat. Nicht irgendwelche Modellrechnungen“, ärgerte sich SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher. Die Regierung habe „in steigende Zahlen hinein einen ‚Freedom-Day‘ veranstalten wollen, weil ihr die Inszenierung wichtiger ist, als die Expert*innen, die sie versucht haben vor dem Blödsinn zu warnen“, meinte Kucher in einer Aussendung. Die steigenden Zahlen seien schon bei der Verkündung der Öffnungsschritte vorherzusehen gewesen, sagte auch NEOS-Pandemiesprecher Gerald Loacker. Es ist jedenfalls nicht verwunderlich, dass der Unmut in den Expertengremien steigt. Und nicht nur dort.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Föderalismus gesundheitsschädigend ist und sich die Bundesländer hier zunehmend als inkompetent erweisen. Es braucht endlich Transparenz über regionale Ausgaben, Erkrankungszahlen, Spitalsdaten und eine zentrale Steuerung. (rüm)