Streit um Liefermengen von Corona-Impfstoffen

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Die EU hadert weiter mit AstraZeneca und der Mitteilung des Konzerns, deutlich weniger als die ursprünglich vertraglich vereinbarte Menge an Impfstoff-Dosen zu liefern. Die Zulassung der Vakzine durch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA ist für Freitag projektiert.

Kritik und Appelle, die Verträge einzuhalten, kamen am Dienstag unter anderem von EU-Budgetkommissar Johannes Hahn und seiner Chefin, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Hahn bekräftigte das „Ärgernis“ der EU-Kommission über das Pharmaunternehmen und dessen Ankündigung, vorerst nicht die vertraglich vereinbarte Menge an Corona-Impfstoff liefern zu können. Man erwarte eine Lösung bis Ende der Woche, dann werde man die Situation erneut beurteilen, sagte Hahn am Dienstag vor Journalisten. Man habe den Impfstoff-Anbietern genug Geld bereitgestellt, sagte Hahn. Die Mittel müssten auch dazu dienen, um Produktionskapazitäten in Europa aufzubauen – „also nicht irgendwo, sondern in Europa“, betonte der EU-Kommissar. Man werde genau darauf schauen, was in den Produktionen im Hinblick auf die Verteilung stattfinde. Zuvor hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Hersteller von Corona-Impfstoffen aufgefordert, ihre Lieferverpflichtungen zu erfüllen. Europa habe im Vorjahr „Milliarden investiert, um die Entwicklung der weltweit ersten Covid-19-Impfstoffe zu unterstützen“, sagte von der Leyen am Dienstag in ihrer per Video übertragenen Rede für das Weltwirtschaftsforum. „Und jetzt müssen die Firmen liefern, sie müssen ihre Verpflichtungen einhalten.“ Von der Leyen bekräftigte, dass die Kommission einen „Transparenzmechanismus für den Export von Impfstoff“ in Länder außerhalb der EU plant.

AstraZeneca hatte am Freitag mitgeteilt, nach der für diese Woche erwarteten Zulassung durch die EMA zunächst weniger Impfstoff als geplant an die EU liefern zu wollen. In Brüssel gibt es den Verdacht, dass das Unternehmen andere Länder wie Großbritannien außerhalb der EU mit ungekürzten Mengen beliefert. „Wir sehen, dass Dosen anderswohin geliefert werden“, sagte der Kommissionssprecher. Da die EU Vorauszahlungen für die Produktion geleistet habe, „sollten diese Dosen eigentlich für die Lieferung verfügbar sein“, sobald die EMA grünes Licht gebe. Den Hinweis von AstraZeneca auf Produktionsprobleme bei einem Zulieferer in Belgien hält die Kommission für nicht stichhaltig.

Astrazeneca-Chef Pascal Soriot prangerte unterdessen beim Weltwirtschaftsforum (WEF) das egoistische Vorgehen einiger Länder bei der Beschaffung von Corona-Impfstoffen an. Die Entwicklung der Vakzine hätte ein Grund zum Feiern sein können, sagte Soriot bei der virtuellen Veranstaltung am Montag. Stattdessen hätten sich einige Länder vorgedrängelt und eine „Ich-zuerst“-Mentalität vertreten, fügte er hinzu. AstraZeneca nannte am Dienstag den langsamen Vertragsabschluss als Grund für Lieferengpässe. „Wir sind in Europa jetzt zwei Monate hinter unserem ursprünglichen Plan. Wir hatten auch Anfangsprobleme in Großbritannien. Aber der Vertrag mit den Briten wurde drei Monate vor dem mit Brüssel geschlossen. Wir hatten dort drei Monate mehr Zeit, um Pannen zu beheben“, sagte Soriot der Zeitung „Welt“ und fügte hinzu: „Vergessen Sie nicht: Wir entwickeln den Impfstoff gemeinnützig, wir verdienen damit kein Geld.“

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner plädiert indes für eine „Krisenproduktion“ in Europa. Der Impfstoff sollte nicht nur von den Entwicklern hergestellt werden, sondern auch andere Unternehmen mithelfen. Die Regierung müsse sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, forderte die SPÖ-Chefin Dienstag in einer Pressekonferenz. Derzeit sei „zugespitzt gesagt“ der Gesundheitsschutz einer halben Milliarde Menschen in Europa von einer Handvoll Unternehmen abhängig. Diese Firmen hätten zwar mit der Entwicklung der Impfstoffe „Wichtiges und Großartiges“ geleistet, konstatierte Rendi-Wagner. Aber im Sinn der Versorgungssicherheit müsse die Produktion jetzt „auf sichere und breitere Schulter gelegt werden“, um mehr Impfstoffe in kürzerer Zeit produzieren zu können.

Alexander Herzog, Generalsekretär der Pharmig, hat sich am Dienstag gegen Schuldzuweisungen und Drohungen ausgesprochen. „Die Produktion von Impfstoffen ist eine hoch komplexe Angelegenheit. Wir befinden uns in einer für uns alle einmaligen, neuen Situation. Noch nie mussten in so kurzer Zeit so viele Mengen produziert werden wie jetzt“, erklärte Herzog in einer Aussendung. Derzeit würden viele Partner in der Produktion und im Vertrieb rund um die Uhr zusammenarbeiten, ohne dass sie dabei Kompromisse bei der Qualität oder Sicherheit in irgendeiner Phase eingehen würden. „Dass es da in einem laufenden Prozess auch zu Adaptionen kommen kann, ist nachvollziehbar und grundsätzlich nicht überraschend. Es soll damit nichts beschönigt werden, jedenfalls aber erklärt. Außerdem liegt es ja im ureigensten Interesse der Unternehmen, die Menschen mit ihren Produkten zu versorgen“, sagte Herzog. „Die EU wird beliefert, so rasch und in den Mengen, die angesichts der besonderen Umstände möglich sind. Dabei ist es nach wie vor das Ziel, die Kapazität der Produktionsanlagen stetig zu erhöhen und die Prozesse zu verfeinern“, versicherte Herzog. (red)