Warum es jetzt eine entschlossene Politik braucht

Steigende Corona-Infektionszahlen, Personalnot im Gesundheitsbereich, Hitzewellen, Inflation und Kriegssorgen belasten den Gesundheitsbereich. Doch die Politik agiert auf Stimmungslagen.

Ja, Corona geht uns allen schon auf die Nerven. Und Krieg, Inflation und Klimakrise machen vielen Menschen Angst. Im Gesundheitswesen kommt die immer deutlicher sichtbare werdende Personalnot zum Tragen. Die Bevölkerung fordert deshalb von der Politik Antworten und vor allem Taten. Rasch und spürbar. Das ist angesichts globaler Probleme nicht einfach. Die Stimmen, die wir aber jetzt aus der Politik hören, vermitteln nicht das Gefühl von Überblick und Lösungen, sondern von populistischen Antworten.

Die Landeshauptleute – auch jene der ÖVP – erhöhen den Druck auf die Bundesregierung, rasch etwas gegen die Inflation zu unternehmen. Der Grund liegt darin, dass sie den Unmut täglich bei Sommerfesten spüren, auf denen sie aktuell öfters anzutreffen sind. Dort wird wenig überraschend auch die Coronawelle noch kleingeredet. Der Wirtschaftskammer-Präsident wiederum spürt den Druck seiner Basis und stellt die Sanktionen gegen Russland in Frage, weil die Sorge vor einem Energienotstand steigt. All das zeugt weniger von politischem Weitblick und Intelligenz, als vielmehr von dem Versuch, sich je nach Stimmungslage nach dem Wind zu drehen.

Der Bundeskanzler wiederum versucht mit Stammtisch-Sagern bei der besorgten Bevölkerung zu punkten. Nach der Corona-Verharmlosung beim Bundesparteitag mit den Worten „So viele in einem Raum heißt auch: So viele Viren – aber jetzt kümmert uns das nicht mehr“, folgt nun „wenn wir jetzt so weitermachen, gibt es für euch nur zwei Entscheidungen nachher – Alkohol oder Psychopharmaka.“ Die ÖVP-Generalsekretärin erblödet sich dann auch nicht damit, das als „launigen Sager“ zu verteidigen.

Witze über Erkrankungen zu machen, ist immer unpassend und für Betroffene höchst verletzend. Ein Bundeskanzler, der in Zeiten einer Pandemie mit steigenden psychischen Erkrankungen und entsprechend steigenden Arzneimittelverordnungen über Psychopharmaka-Konsum witzelt, ist im besten Fall peinlich, im schlechtesten ignorant oder einfach dumm. Erst vergangene Woche führte der Verein „Lichterkette“ – eine Betroffenenvertretung für Menschen mit psychischer Erkrankung – Sensibilisierungsworkshops im Parlament durch. Viele Nationalratsabgeordnete und Mitarbeiter:innen des Parlaments ließen sich von Betroffenen einer psychischen Erkrankung erklären, wie es wirklich aussieht, wenn man damit lebt. „Bundeskanzler Nehammer ging mehrmals an der Station vorbei. Er hat die Gelegenheit aber nicht genutzt mit Betroffenen zu reden“, berichtet die Vorsitzende des Vereins, Brigitte Heller. Auch über Alkoholmissbrauch zu witzeln, ist unpassend. „Im Gegenteil solche rücksichtslosen Aussagen sind dafür verantwortlich, dass Menschen in schwierigen Lebenslagen endgültig den Halt verlieren“, sagt Heller.

All das zeugt davon, dass wenig Wissen darüber vorhanden ist, wie es der Bevölkerung wirklich geht und welche schwerwiegenden Problemlagen es in Familien und bei einzelnen Personen gibt. Die Politik reagiert also gar nicht wirklich auf Stimmungslagen, sondern nur auf jene, die am Stammtisch am lautesten schreien oder auf die eigene Klientel und jene mit wirtschaftlichen Interessen. Wenn dann noch Regionalpolitiker:innen mit Blick auf regionale Umfragewerte glauben, globale Probleme bewältigen zu können, zeigt das auch Orientierungslosigkeit auf Bundesebene. Das kennen wir bereits aus den bisherigen Corona-Jahren, als Landeshauptleute die Impfpflicht erfanden und dann aufgrund des Druckes lautstarker Gegner:innen mit Kritik am Bund wieder kippten…

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Föderalismus gesundheitsschädigend ist und sich die Bundesländer in Gesundheitsfragen zunehmend als inkompetent erweisen. Es braucht endlich Transparenz über regionale Ausgaben, Erkrankungszahlen, Spitalsdaten und eine zentrale Steuerung. (rüm)

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