Zu einem gesunden Leben gehört ein gesunder Schlaf – ein Satz, dem wohl kaum jemand ernsthaft zu widersprechen vermag. Es stellt sich dabei aber natürlich die Frage: Was ist gesunder Schlaf? Ist ein gesunder Schlaf dann gegeben, wenn der Schlaf-Wach-Rhythmus ein regelmäßiger ist, ganz ohne Ein- oder Durchschlafstörungen, ohne wesentliche Verkürzung oder Verlängerung und ohne verfrühtes morgendliches Erwachen – oder braucht es dazu mehr? Muss er nicht auch erholsam und erquickend sein, uns tagsüber mit Kraft erfüllen? Oder sollte man von einem gesunden Schlaf überhaupt nur dann sprechen, wenn er – seine zentrale Zeitgeberfunktion hinreichend erfüllend – uns Wohlfühlen im Wachzustand bringt? Alles Fragen, denen im vorliegenden Themenschwerpunktheft „Schlaf und Schlafstörungen“ nachgegangen wird.
„Wohlsein“ und Verlust an Lebensfreude
Bringt man den Schlaf wie eingangs mit gesundem Leben in Verbindung, dann stellt sich aber natürlich ebenso die Frage, was nun unter einem gesunden Leben zu verstehen wäre. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezieht hier zumindest auf den ersten Blick ganz unmissverständlich Stellung. Ein gesundes Leben ist viel mehr als ein nur krankheitsfreier Zustand. Es ist dann gegeben, wenn sich der Mensch in einem Zustand geprägt von körperlichem, seelischem und sozialem Wohlbefinden, eigentlich richtiger „Wohlsein“, befindet. In der ursprünglichen englischen Fassung heißt es nämlich „physical, mental and social well-being“, das in jedem Fall mehr ist als bloßes Wohlfühlen.
Was nun allerdings mit „well-being“ konkret gemeint ist, wann ein solches als erreicht gilt, bleibt dann weitgehend für persönliche Interpretationen offen. In der Regel wird Wohlsein heute einerseits mit der Absenz von Leid und andererseits mit Funktionstüchtigkeit des Individuums gleichgesetzt. „Gutes Funktionieren“ bleibt hier nicht nur auf die Arbeitswelt beschränkt, sondern wird auch auf die Privatsphäre ausgeweitet, auf den Umgang mit Freunden, Partnern, mit Familie, Kindern etc. Gesund gelten dann diejenigen, die kein körperliches, seelisches und/oder soziales Leiden beklagen müssen und die im körperlichen, psychischen und sozialen Bereich voll funktionstüchtig sind.
Man kann den Gesundheitsbegriff auch weiter fassen und ihn über subjektiv erlebte bzw. objektiv festgestellte Lebensqualität bestimmen; oder noch weiter – reichend ihn mit einem schönen Leben gleichsetzen. Wir sprechen üblicher – weise dann von einem schönen Leben, wenn es möglichst autonom geführt wird und weitgehend freudvoll erlebt wird. Bei einer solchen Definition steht dann nicht mehr die Funktionstüchtigkeit bzw. das Nicht-Funktionieren im Zentrum des Interesses, sondern es geht vielmehr um die Feststellung eines etwaig erfolgten Autonomieverlustes und der Bewertung des Ausmaßes desselben sowie um Fokussierung auf Zustände zunehmender Freudlosigkeit. Dieser Verlust an Lebensfreude steht seinerseits in enger Verbindung mit erlebtem Leiden.
Schlafstörungen im Zustand des Ausgebranntseins
Das Leben wird von den Betroffenen dann auch nicht mehr als schön erlebt. Wilhelm Schmid, einer der führenden Lebensphilosophen unserer Zeit, hat in seinem Buch zur Lebenskunst ganz zu Recht darauf verwiesen, dass schönes Leben in unmittelbarem Zusammenhang mit einem auch als sinnvoll erlebten Leben steht. Schönheit ist ein zentrales lebensbejahendes Moment: Kaum jemand wird Schönes als nicht bejahenswert ausweisen. Alles Bejahenswerte macht und gibt uns Sinn. Unter einem solchen Blickwinkel ist ein schönes Leben dann auch ein sinnvolles, zumindest ein als sinnvoll erlebtes Leben.
Bezeichnenderweise stellen wir uns die Sinnfrage zum eigenen Leben immer dann, wenn unser Leben als nicht mehr schön empfunden wird. Gerade in solchen Zuständen treten dann meist auch vermehrt Schlafstörungen auf. Führt man ein freudloses bis hin zu leidvollem Leben, fühlt man sich der Umgebung und dem Leben gegenüber ausgeliefert, erlebt man das Leben als unschön, findet man keine Erholung mehr von der Mühsal des Lebens, dann reagiert der Körper ganz regelhaft mit Schlafstörungen. Charakteristischerweise finden sich Schlafstörungen daher auch bei an Burn-out leidenden Patienten. Im Zustand des Ausgebranntseins, dann wenn die Burnout- Symptomatik in der klassischen Trias Erschöpfung, Entfremdung und Leistungsverfall sichtbar wird, also dann, wenn der daran Leidende die im Schlaf gebotene Erholung am meisten braucht, gerade dann wird sie ihm von unserer Natur verwehrt. Umso wichtiger ist es diesen Menschen, Behandlungsmöglichkeiten zu offerieren, die sie aus diesem Teufelskreis herausführen können.
Burn-out – immer häufigere Krankheit unserer Zeit?
Von vielen wird Burn-out heute einfach als nicht ernstzunehmende Modediagnose abgetan. Von diesen wird allerdings wenig verantwortungsvoll ein ungeheurer Leidenszustand von Menschen negiert, die meist nicht nur von ihrer Arbeit, sondern im weiteren Verlauf auch vom Zusammenleben mit ihnen vorher noch nahestehenden Menschen und zuletzt von ihrem ganzen Leben selbst überfordert werden.
Ob Burn-out nun bloß eine Erfindung unserer Zeit ist oder doch eine naturgegebene Krankheitsform, ob es sich bloß um einen ubiquitär vorkommenden Schwäche- und Erschöpfungszustand handelt oder doch um eine immer häufiger werdende Krankheit unserer Zeit, ob es von Arbeitsfaulen bzw. Arbeitsscheuen nur als Ausrede genutzt wird oder aber als multimorbides Geschehen tragischer Endpunkt einer übermäßigen Einsatzfreudigkeit bzw. Leistungswilligkeit von sich selbst überschätzenden Menschen ist, das alles sind Fragen, die am 27. und 28. Jänner 2012 im Rahmen eines vom Anton-Proksch-Institut veranstalteten und im Palais Ferstl stattfindenden Kongresses zu diskutieren sein werden. Es wird dabei auch darauf einzugehen sein, wie man ein so schönes Leben führen kann, dass die daraus gewonnene Kraft ausreicht, einem Ausgebranntsein und damit auch den damit regelhaft verbundenen Schlafstörungen vorbeugend entgegenzuwirken. Natürlich gibt es darüber hinaus noch viele andere Gründe, warum Menschen an Schlafstörungen leiden, über sie wird im vorliegenden Heft ausführlich berichtet. Wir sollten aber auch nicht vergessen, dass auch dann, wenn noch keine psychische Erkrankung im engeren Sinn vorliegt, bereits Schlafstörungen auftreten können, die ein solches Ausmaß annehmen können, dass sie immenses Leiden nach sich ziehen. Immer dann nämlich, wenn wir uns in längerdauernden Überforderungen gefangen finden, seien es nun chronische Arbeitsüberlastungen, moralische Grenzsituationen oder aber Problembeziehungen, kann unser gesunder Schlaf beeinträchtigt werden, immer dann, wenn unser Leben als nicht mehr schön erlebt wird, ist die Gefahr für Schlafstörungen besonders groß.
Aus diesem Grund wünsche ich uns allen ein schönes, ein gesundes, also ein möglichst selbstbestimmtes und freudvolles Leben und damit verbunden auch einen gesunden und erquickenden Schlaf. All jenen, die selbst von Schlafstörungen betroffen sind und natürlich auch all jenen, die Patienten mit Schlafstörungen behandeln, sei die Lektüre dieses Themenschwerpunkt-Heftes eine interessante und hilfreiche Orientierung.