Update vom MTIS 2022
Der monoklonale CGRP-Antikörper Fremanezumab ist zur Migräne-Prophylaxe bei Erwachsenen mit mindestens vier Migränetagen pro Monat zugelassen. Die Ergebnisse der Phase-III Studienprogramme HALO und FOCUS untermauern die schnell eintretende und lang anhaltende Wirksamkeit des CGRP-Antikörpers bei monatlicher und vierteljährlicher Dosierung sowohl bei Patient:innen mit chronischer (CM) als auch episodischer Migräne (EM).1–5 Die auf dem diesjährigen Migraine Trust International Symposium (MTIS) vorgestellten Daten aus Beobachtungsstudien belegen den Therapienutzen von Fremanezumab auch in der klinischen Routine.6 Zudem wurden Analysen zur Wirksamkeit bei Migräne-Patient:innen mit komorbider Depression präsentiert.7, 8
Real-World-Evidence hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und stellt eine wichtige Ergänzung zu den Ergebnissen randomisierter klinischer Studien dar. Die auf zwei Jahre angelegte pan-europäische prospektive Beobachtungsstudie PEARL evaluiert die Wirksamkeit von Fremanezumab in der klinischen Praxis.
Aus der noch laufenden Studie wurden am MTIS 2022 die Ergebnisse der zweiten Interimsanalyse zu 574 Patient:innen mit einer Behandlungsdauer von bis zu 12 Monaten vorgestellt (CM 74 %; EM 26 %). Von den Patient:innen mit Sechsmonatsdaten erreichten 56 % den primären Endpunkt, eine Reduktion der monatlichen Migränetage um > 50 % sechs Monate nach der ersten Verabreichung von Fremanezumab. Dies betraf 52 % der CM- und 69 % der EM-Patient:innen. Ab dem dritten Behandlungsmonat erreichte über die Hälfte der eingeschlossenen CM- und EM-Patient:innen eine Reduktion der monatlichen Migränetage um zumindest 50 % (Abb. 1). Die Anzahl der monatlichen Migränetage sank von 14,8 zu Behandlungsbeginn auf 6,7 nach sechs Monaten.
Die Tage mit Bedarf an Akutmedikation konnten im Durchschnitt um 5,1 bis 8 Tage reduziert werden. Zusätzlich zeigten sich über den zwölfmonatigen Beobachtungszeitraum Verbesserungen der migränebedingten Beeinträchtigung gemäß MIDAS-Score (–41,6 bis –56,1) sowie klinisch relevante Verbesserungen im HIT- 6-Score* (–8,3 bis –16,4).6 Ähnliche Ergebnisse lieferte die Interimsanalyse der prospektiven Beobachtungsstudie FINESSE aus Österreich und Deutschland. Im sechsmonatigen Zeitraum nach der ersten Verabreichung von Fremanezumab war bei 43 % der CM- und 53 % der EM-Patient:innen eine Reduktion der monatlichen Migränetage um mindestens die Hälfte zu beobachten. Zudem konnte eine Reduktion der durch Migräne und Kopfschmerzen verursachten Beeinträchtigung gemäß MIDAS-Score und HIT-6-Score sowie in Form eines reduzierten Bedarfs an Akutmedikation beobachtet werden.10
Modifiziert nach: Ashina M et al., MTIS 2022; MTIS22-PO-054; Abkürzungen: EM = episodische Migräne; CM = chronische Migräne
Psychiatrische Erkrankungen sind eine häufige Begleiterkrankung bei Migräne, so leiden bis zu 47 % der Patient:innen an einer komorbiden Depression und bis zu 58 % an einer begleitenden Angststörung. 11,12 Diese Komorbiditäten können nicht nur die Lebensqualität maßgeblich beeinträchtigen, sondern stellen auch einen Risikofaktor für die Chronifizierung einer Migräne dar. Zudem können sie die Behandlung der Migräne erschweren.13–15 Eine gepoolte Analyse der Phase-III-Studien HALO EM, HALO CM und FOCUS untersuchte die Wirksamkeit einer vierteljährlichen oder monatlichen Verabreichung von Fremanezumab bei Migränepatient:innen mit mindestens einer psychiatrischen Begleiterkrankung, darunter Depressionen, Angststörungen und ADHS. Insgesamt wurden 616 Patient:innen mit EM und CM in die Analyse eingeschlossen. Fremanezumab führte auch in dieser Patientengruppe zu einer nachhaltigen Reduktion der monatlichen Migränetage. Nach drei Monaten erreichten 42 % unter der monatlichen Dosierung und 38 % unter der vierteljährlichen Dosierung eine Verringerung der monatlichen Migränetage um 50 % oder mehr, verglichen mit 27 % in der Placebo-Gruppe. In der Open-Label-Phase zeigten sich unter Fortsetzung der Fremanezumab-Behandlung bzw. nach Umstellung auf den CGRP-Antikörper weitere Verbesserungen über die Behandlungsdauer von sechs Monaten (Abb. 2).7
Am MTIS 2022 wurden zudem die Ergebnisse einer Subgruppenanalyse der FOCUS-Studie präsentiert, welche die Wirksamkeit von Fremanezumab einer kleinen Untergruppe (n = 82) von Migränepatient:innen mit unzureichendem Ansprechen auf mindestens drei vorherige präventive Migräne-Medikamentenklassen und komorbider Depression (Patient-Health-Questionnaire-9[PHQ-9]-Score) > 10) untersuchte. Sowohl unter monatlicher als auch vierteljährlicher Behandlung mit Fremanezumab zeigten sich numerische Effekte im Hinblick auf die Reduktion der monatlichen Migränetage sowie die 50%-Responderrate gegenüber Placebo (n. s.). So wurden die monatlichen Migränetage über 12 Wochen um 3,5 bzw. 3,8 Tage (vierteljährlich/monatlich Fremanezumab) vs. 1,0 Tage mit Placebo reduziert (n. s.).8
UNITE-Studie: Im Rahmen des MTIS 2022 wurde auch ein Update zum aktuellen Stand der Phase-IV-Studie UNITE bekannt gegeben. Die auf 24 Wochen ausgelegte Studie prüft die Wirksamkeit und Sicherheit von Fremanezumab bei erwachsenen CM- und EM-Patient:innen, die an einer mittelgradigen bis schweren depressiven Störung leiden (PHQ-9-Score > 10). UNITE umfasst eine zwölfwöchige placebokontrollierte, doppelblinde Phase, in der alle Patient:innen zu einer Behandlung mit Fremanezumab monatlich oder Placebo randomisiert werden, und eine anschließende zwölfwöchige unverblindete Verlängerungsphase, in der alle Patient:innen Fremanezumab vierteljährlich erhalten. Bislang wurden 237 Patient:innen eingeschlossen, der Großteil davon weiblich (88 %). Zu Studienbeginn berichteten die Patient:innen über durchschnittlich 15 Migränetage pro Monat. Etwa die Hälfte litt unter CM (52 %). Die Mehrheit hatte einen PHQ-9-Score > 15, der auf eine schwere Depression hinweist. Erste Daten zur Wirksamkeit werden in Kürze erwartet.16
* Eine Reduktion um > 6 Punkte im HIT-6 gilt als klinisch relevant. 9