AASLD-Jahrestagung – Aktuelle Daten zu neuen antiviralen Substanzen

Postgraduate Course „Cirrhosis: Current Challenges and Future Directions“: In dem von Guadalupe Garcia-Tsao und Patrick Kamath zusammengestellten Postgraduate Course wurden die Naturgeschichte der chronischen Lebererkrankung, Management der kompensierten Zirrhose, Komplikationen der Zirrhose, akut-auf-chronisches Leberversagen sowie primäre Lebermalignome behandelt.
Besonders erwähnenswert erscheint die von Gennaro D’Amico vorgestellte neue klinische Klassifikation der Leberzirrhose in 5 Stadien, welche auf Ösophagusvarizen, Blutung und Aszites basiert und eng mit der Prognose verknüpft ist (> Tab. 1).

Therapie der chronischen Hepatitis B

Marcellin et al. berichtete über die 5-Jahres- Ergebnisse einer Langzeitstudie mit Tenofovir. Von den 490 noch in der Studie verbleibenden Patienten erzielten 97 % eine virologische Remission und immerhin 10 % eine HBs-Serokonversion. Ein passagerer „breakthrough“ fand sich in 0,8 % und war typischerweise mit Noncompliance assoziiert. Nach wie vor fand sich keine Resistenzmutation. Ein weiteres Abstract zeigte eine deutliche histologische Verbesserung unter 5-jähriger Tenofovir-Therapie (Regression von Zirrhose in 75 %).
Lampertico et al. präsentierten die Ergebnisse einer 3-jährigen Entecavir-Therapie bei 418 Patienten mit chronischer Hepatitis B. Eine virologische Remission konnte damit ebenfalls in 97 % erreicht werden, während Resistenzen in < 1 % beobachtet wurden. In einer Vergleichsstudie von Lok et al. war die Kombination Entecavir plus Tenofovir der Entecavir-Monotherapie nicht überlegen. Ebenso fanden Xie et al. keinen Unterschied zwischen Peginterferon in Monotherapie und der Kombination Peginterferon/ Entecavir.

Therapie der chronischen Hepatitis C

Die aktuellen Daten zu neuen antiviralen Substanzen (Direct Acting Antivirals – DAAs) stellen das zentrale Highlight des Kongresses dar.

Boceprevir und Telaprevir: Zu den beiden ersten Substanzen, den kürzlich zugelassenen Proteasehemmern Boceprevir und Telaprevir, wurden einige ergänzende Analysen der Phase- III-Studien präsentiert: Pol et al. analysierte die Ergebnisse mit Telaprevir/Peginterferon/Ribavirin in einer Subgruppe von 143 Zirrhotikern der REALIZE-Studie und fand eine SVR in 49 % (84 % bei Relapsern, aber nur 14 % bei Nullrespondern auf eine Peginterferon/Ribavirin- Vortherapie). Zur antiviralen Wirksamkeit von Boceprevir/Peginterferon/Ribavirin bei Nullrespondern, wofür bisher keine Daten vorlagen, berichteten Vierling et al. in der PROVIDE-Studie eine SVR von 38 %.

Mehrere neue DAAs zeigten in Phase-II-Studien – jeweils in Kombination mit Peginterferon und Ribavirin – sehr vielversprechende Ergebnisse (> Tab. 2):
Der Proteasehemmer TMC-435 wurde in einer Phase-IIb-Studie bei therapienaiven Patienten untersucht (PILLAR Study). Zwei Therapiearme erlaubten eine Therapieverkürzung auf 12 Wochen („response-guided“), wobei SVR-Raten bis zu 86 % erreicht wurden. Gegenüber der Standardtherapie zeigte diese Substanz kaum zusätzliche Nebenwirkungen. Die Triplekombinationstherapie mit dem Proteasehemmer BI-201335 erzielte in der SILEN- C1-Studie eine SVR von 83 % (in einer Subgruppe mit dem IL28B-Genotyp C/C sogar von 100 %). Dabei ist die Photosensibilisierung der Haut zu beachten (Lichtschutz, vor allem in den Sommermonaten).
Daclatasvir (BMS-790052), ein „first-in-class“ NS5A-Inhibitor, zeigte in Kombination mit Peginterferon/ Ribavirin sehr gute frühe virologische Ansprechraten (RVR 85 %, EVR 84 %). Diese Substanz wirkt auch bei Genotyp 4. PSI-7977, ein nukleosidischer NS5B-Polymerasehemmer, erzielte in einer Phase-II-Studie an 121 therapienaiven HCV-Genotyp-1-Patienten (PROTON Study) einen ausgezeichneten antiviralen Effekt: In Kombination mit Peginterferon/ Ribavirin wurde eine SVR von 91 % erzielt.
Ebenso konnte bei therapienaiven HCV-Genotyp- 1-Patienten mit einer Vierfachkombination aus VX-222 (einem Polymeraseinhibitor), Telaprevir, Peginterferon und Ribavirin („Quad“) Response-gesteuert bei Therapieverkürzung auf 12 Wochen eine SVR von 82–93 % erreicht werden.

 

Zur interferonfreien Anti-HCV-Therapie wurden mehrere zukunftsweisende Konzepte präsentiert: Bei therapienaiven Patienten mit HCVGenotyp 1b konnte mit der interferonfreien Dreifachkombination BI-201335/BI-207127/Ribavirin eine SVR von 69 % erreicht werden (SOUND-C2 Study). In der ELECTRON Study erzielte der interferonfreie duale Therapiearm PSI-7977 plus Ribavirin bei der Ersttherapie von HCV-Genotyp-2/3-Infektionen eine SVR von sogar 100 % (allerdings bei nur kleiner Fallzahl: 10 von 10 Patienten). Interferonfreie Therapieschemata mit dem Cyclophilin-Inhibitor Alisporivir beim Genotyp 2/3 waren ebenfalls vielversprechend.

ASH/NASH

Mehrere Arbeitsgruppen untersuchten die Rolle des PNPLA3-Genpolymorphismus bei alkoholischer bzw. nicht-alkoholischer Fettlebererkrankung und fanden deutliche Assoziationen mit NASH, alkoholischer Hepatitis und dem hepatozellulären Karzinom.

Komplikationen der Leber-zirrhose/Transplantation

Villa et al. präsentierten die Ergebnisse einer Thromboseprophylaxe mit Enoxaparin bei fortgeschrittener Leberzirrhose. 70 Zirrhotiker (Child B7–C10) erhielten Enoxaparin (4.000 IU/Tag) oder Placebo 12 Monate lang, gefolgt von einer 12-monatigen Follow-up-Periode; zur Verlaufskontrolle wurde alle 3 Monate eine Sonographie und alle 6 Monate ein CT der splenoportalen Achse durchgeführt. Enoxaparin konnte sowohl Pfortaderthrombosen (0 % vs. 17 %) als auch hepatische Dekompensationen (12 % vs. 53 %) verhindern.
In der Sekundärprophylaxe der Varizenblutung befasste sich eine spanische Studie mit der Frage, ob eine Therapieanpassung mittels Lebervenenkatheter einer Standardtherapie mit Pharmaka plus Bandligatur überlegen ist (Graupera et al). 5–6 Tage nach Ösophagusvarizenblutung wurden 170 Patienten randomisiert in (i) Nadolol + ISMN + Bandligatur oder (ii) HVPG-gesteuerte Therapie mit Nadolol + ISMN (bzw. Prazosin bei Nonres – ponse). Tatsächlich zeigten sich in der HVPGgesteuerten Gruppe eine niedrigere Rezidivblutungsrate (13 % vs. 25 %) sowie ein besseres Überleben (73 % vs. 56 % nach 3 Jahren).
Ein österreichischer Beitrag der Medizinischen Universität Innsbruck (Finkenstedt et al.) untersuchte das Outcome von Lebertransplantationen bei akut-auf-chronischem Leberversagen. Die untersuchte Kohorte umfasste 145 Patienten mit akut-auf-chronischem Leberversagen gemäß der Definition der APASL, wovon 94 zur Lebertransplantation evaluiert und 71 gelistet wurden. Während 37 Patienten auf der Warteliste verstarben, wurden 34 Patienten nach einer mittleren Wartezeit von 62 Tagen transplantiert – mit ausgezeichneten Ergebnissen (5-Jahres-Überleben 81 %).