Antibiotic Awareness Event der ABSGROUP

Ziel des Antibiotic Awareness Days ist es, an diesem Tag alle Beteiligten – Verschreiber wie Konsumenten – auf den verantwortungsvollen Umgang mit der kostbaren Ressource Antibiotikum hinzuweisen. Zum Thema des diesjährigen EAADs hat die ABSGROUP den Harnweginfekt gewählt: Bereits an diesem sehr häufigen, wenn auch meist nicht sehr schwer verlaufenden Infekt zeigen sich die Herausforderungen, eine effiziente Therapie
zu initiieren.

Neue Richtlinien zum Harnweginfekt

In der Datenbank von National Guideline Clearinghouse finden sich unter den Suchbegriffen: “urinary tract infection” in den Jahren 2009 bis 2011 etwa 90
Dokumente. Die relevanten internationalen Guidelines, die sich auf akute Zystitis
und Pyelonephritis beziehen, lassen sich auf 3 maßgebliche Quellen beschränken,
die im Jahr 2010 jeweils von der European Urological Association und von der Paul-Ehrlich-Gesellschaft und im Jahr 2011 in einem gemeinsamen Dokument von
der IDSA (Infectious Diseases Society of America) und der ESCMID (European Society
of Clinical Microbiology and Infectious Diseases) publiziert wurden.

Akute Zystitis: In der Behandlung der akuten Zystitis bei Frauen zwischen 15 und 50 Jahren ist allen drei Guidelines gemeinsam, dass dem Bemühen um effiziente und Resistenz-angepasste Therapie mit möglichst kurzer Therapiedauer ebenso Rechnung getragen wird wie der Minimierung von “biologischen Kollateralschäden” wie Antibiotikaassoziierter Clostridien-Kolitis. Die empirische Anwendung von Fluorochinolonen und Cotrimoxazol sollte auf Regionen beschränkt werden, in denen die Resistenzrate von E. coli weniger als 20% beträgt; weiters sollten Fluorochinolone deshalb nicht in der ersten Wahl stehen, um die Resistenzlage von gramnegativen Erregern für gravierende Infektionen, bei denen Fluorochinolone therapeutisch unverzichtbar sind, nicht weiter zu verschlechtern; das gilt so lange, als sich vertretbare Alternativen in der Behandlung der akuten Zystitis finden. Als erste Wahl werden Pivmecillinam, orales Fosfomycin und Nitrofurantoin genannt, weil diese gegenüber dem Leitkeim E. coli die günstigste Resistenzlage bei gleichzeitig zumindest akzeptabler Verträglichkeit aufweisen.

 

Akute Pyelonephritis: Aufgrund der aktuelle Resistenzsituation gestaltet sich die empirische Behandlung der akuten Pyelonephritis nach dem Motto: “Einfaches wird kompliziert” schwierig. Fluorochinolone als bisherige 1. Wahl sind lediglich in Regionen mit einer Resistenzrate von unter 10% zulässig, was nur vereinzelt gefunden werden kann; in solchen Fällen kommen parenterale oder bei leichten Verlaufsformen orale 3.-Generations-Cephalosporine wie Ceftriaxon oder Cefpodoxim in Betracht. In Regionen mit zusätzlich hoher ESBL-Rate wird die Verwendung von Carbapenemen und – auch monotherapeutisch – Aminoglykosiden empfohlen. β-Laktam/β-Laktamase-Inhibitor-Kombinationen sollten nur bei bekannter Empfindlichkeit und vorzugsweise bei grampositiven Erregern verordnet werden.

 

Katheter-assoziierter HWI: Empfehlungen zur antibiotischen Therapie in der Behandlung von Katheter-assoziierten Harnwegsinfektionen beschränken sich auf symptomatische PatientInnen, solche mit bevorstehenden traumatisierenden urologischen Eingriffen und inkludieren breite antibiotische Regimes basierend auf aktualisierten lokalen Prävalenz- und Resistenzdaten.

Interventionen: Umgebung, Patient, Arzt

Die Expositionsprophylaxe, d. h. das Vermeiden des Kontakts mit pathogenen Erregern, ist eine bewährte Möglichkeit, sich gegen pathogene/multiresistente Erreger zu schützen. Die weitverbreitete Umgebungskontamination mit multiresistenten Erregern wie ESBL oder auch New-Delhi-Metallo-β-Laktamase-Bildnern, wie rezent auch im Trinkwasser in Neu Delhi beschrieben (Lancet Infectious Diseases 2011), begünstigen jedoch die rasche Ausbreitung auch außerhalb von Spitälern. In Pakistan waren 27,1% der stationären Patienten, aber auch schon 13,8% der ambulanten Patienten mit NDM-1 besiedelt. Eine unerwartet hohe Kontamination durch ESBL-bildende E. coli im Kot von Möwen fand sich auch an portugiesischen Stränden. Kein Urlaub? Eine schlechte Alternative …
Eine hohe Belastung der Umgebung von infizierten Patienten durch multiresistente Erreger ist gut dokumentiert. Da gerade Reinigungspersonal häufig von Sparmaßnahmen
betroffen ist, können diese Erreger infolge mangelhafter Reinigung und Desinfektion leicht von Patient zu Patient übertragen werden, wie bei MRSA oder auch Clostridium difficile belegt. Erst durch Investition in mehr Reinigung konnten Ausbrüche beendet werden.

Auch der Umgang von Patienten mit Antibiotika ist eine wichtige Komponente in der Resistenzentwicklung. Die Häufigkeit der Antibiotikaeinnahme in einzelnen Ländern, auch ohne ärztliche Verschreibung, korreliert gut mit den bekannten Resistenzdaten in Europa. In Ländern mit bekannt hoher Antibiotikakultur wie Holland oder Slowenien nehmen Patienten seltener Antibiotika – offensichtlich auch ein Erfolg von wiederholten landesweiten Aufklärungskampagnen durch die öffentliche Hand, wann Antibiotika helfen und daher sinnvoll sind.

Schlüsselrolle des Arztes: Die Schlüsselrolle in der komplexen Interaktion “Arzt – Patient – Antibiotikum” hat der Arzt inne. Seine Überzeugungskraft, Antibiotika bei viralen Infektion nicht zu verschreiben, sowie die Motivation des Patienten, bei gegebener Indikation diese Medikamente auch entsprechend den Vorgaben einzunehmen, sind wichtige Faktoren für die Compliance. Ebenso essenziell ist die Auswahl des Antibiotikums: Verbrauchszahlen aus Österreich zeigen, dass im niedergelassenen Bereich bei den oralen Cephalosporinen überwiegend jene aus der dritten Generation verschrieben wurden. Dies ist keinesfalls durch die Resistenzsituation erklärbar, ist aber eine mögliche Ursache für die Zunahme von ESBL-Bildnern auch im niedergelassenen Bereich.

Was bringen Restriktionen? Interventionen, durch landesweite Restriktionen bei einzelnen Substanzgruppen die Resistenzentwicklung rückgängig zu machen oder zumindest zu verlangsamen, haben unterschiedliche Resultate gezeigt. Verbessert nach landesweiter Restriktion haben sich die Makrolidresistenz von Streptokokken in Finnland, die Penicillinresistenz von Pneumokokken in Island sowie die Chinolonresistenz von E. coli in Israel. Unverändert blieb jedoch die Resistenz von E. coli auf Trimethoprim und Trimethoprim-Sulfamethoxazol trotz massiven Rückgangs der Verschreibungen. Auch wenn bei einzelnen Interventionen die gewünschten Erfolge nicht erreicht werden konnten, ist als wesentlicher Aspekt dokumentiert, dass das Patienten-Outcome durch die Restriktion in keiner Weise gefährdet war.

Literatur
bei der Verfasserin