COVID-19 und Rauchen

Seit den Influenza-Pandemien sind Kombinationswirkungen von Viruserkrankungen und Tabakrauch auf den Respirationstrakt und andere Organsysteme bekannt. Tabakindustrie und -handel versuchen seit einem Jahrhundert, diese Zusammenhänge zu verschleiern und Viruspandemien für ihre skrupellosen Geschäfte zu missbrauchen. In der Coronapandemie 2020 stieg der Tabakkonsum global, was nicht nur auf die Zunahme von Arbeitslosigkeit, das Rauchen im Homeoffice, Stress, Vereinsamung und andere psychologische Faktoren zurückgeführt werden kann, sondern auch auf die Beeinflussung der Politik durch Geschäftsinteressen von Nikotinindustrie und -handel. Statt Raucher auf Automaten und vor allem auf Entwöhnungsprodukte aus der Apotheke hinzuweisen und Trafiken in der Pandemie zu schließen, wo sich Lungen-Vorgeschädigte auf engem Raum treffen, wurden Tabakhändler als „essenziell“ für die Versorgung mit lebenswichtigen Produkten erklärt. In Italien intervenierte ein bekannter Lobbyist bei der Regierung für das Offenhalten von Vape-Shops in der Corona-Pandemie und propagierte E-Zigaretten sowie erhitzte Tabakprodukte (HTPs), für die bereits bekannt war, dass sie Corona-Infektionen schwerer verlaufen ließen. In Frankreich und Griechenland veröffentlichten Forscher (die z. T. im Sold der Tabakindustrie standen) die These, dass Nikotin vor COVID-19 schützt, was sofort über PR-Agenturen weltweit verbreitet wurde, obwohl diese Studien noch kein Peer Review bestanden hatten. Der griechische Kardiologe hatte den Raucherstatus von Coronakranken in 5 klinischen Studien mit dem der Gesamtbevölkerung von China verglichen und dabei Erhebungs- und Selektionsbias ignoriert. Die französischen Autoren leiteten aus Rauchanamnesen von 22 Rauchern eines einzigen Spitals (nach Ausschluss von Intensivpatienten) eine Schutzwirkung des Nikotins ab, verbunden mit Spekulationen über den Angiotensin-converting Enzyme (ACE) 2 Receptor, über den das SARS-CoV-2-Virus aufgenommen wird. Das führte zu Hamsterkäufen von Nikotinersatz in Frankreich und machte ein Verbot des Internetkaufs und eine Abgabebegrenzung in Apotheken erforderlich. Das European Respiratory Journal hatte als Preprint eine Arbeit zur angeblichen Schutzwirkung von Tabakrauchen vor einer COVID-19-Infektion in Mexiko veröffentlicht, musste die Annahme aber zurückziehen, da mindestens zwei der Autoren ihre geschäftlichen Beziehungen zur Tabakindustrie verschwiegen und nicht als Interessenkonflikt deklariert hatten. Bei Studien, die Tabakrauch oder Nikotin eine Schutzwirkung vor Virusinfektionen wie mit SARS-CoV-2 zuschrieben, sind Geschäftsbeziehungen der Autoren zur Tabakindustrie oft erst durch medizinische Fachgesellschaften und NGOs aufgedeckt worden.*

Die schädlichen Wirkungen luftverunreinigender Aerosole (PM2.5) und Tabakrauch in Kombination mit Virusinfektionen wie Corona oder Influenza sind schon lange epidemiologisch und experimentell nachgewiesen. Auch durch andere Coronaviren erkrankten überwiegend Raucher schwer. 2002–2003 kam es durch SARS-CoV-1 zu Pneumonien, die vor allem bei Männern tödlich verliefen, und 2012 durch MERS-CoV zu gleichfalls tödlichen Verlaufsformen, die vorwiegend männliche Raucher betrafen. Für SARS-CoV-2 wurden Hospitalisierungen und Sterbefälle zunächst mit PM2.5 assoziiert, wobei wir wissen, dass die PM2.5-Belastung durch Rauchen höher ist als durch das Stadtluftaerosol im Freien. Schon die ersten Studien in China zeigten, wer häufiger COVID-19-Symptome zeigt, hospitalisiert werden muss, Intensivbehandlung braucht bzw. trotz Beatmung verstirbt: ältere Raucher mit Vorerkrankungen. Letztere sind oft auch auf das bisherige Aktiv- oder Passivrauchen zurückzuführen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen, COPD, Diabetes etc.). Später bestätigte ein Survey an 2,4 Mio. Briten, dass symptomatisches COVID-19 bei Rauchern signifikant häufiger ist, was für eine schlechtere Infektabwehr der Raucher spricht. Eine US-amerikanische Studie fand Zusammenhänge zwischen der Kumulativdosis (Packungsjahre) und der Schwere von COVID-19 (Hospitalisierung, Sterblichkeit). Inzwischen liegen zahlreiche Metastudien vor, die übereinstimmend einen Zusammenhang zwischen Tabakrauch (bzw. E-Zigaretten-Aerosol), Schwere und Letalität von COVID-19 nachweisen (Tab.).

Ursachen für das um 14–50 % häufigere Auftreten von symptomatischem COVID-19 und für das um etwa 20–120 % häufigere Auftreten schwerer Verlaufsformen bei Rauchern sind vielfältig: Schon das durchschnittliche Verhalten des Rauchers beim Maskentragen und Abstandhalten spielt eine Rolle für das Infektionsrisiko, das gemeinschaftliche Rauchen in Gruppen, das Teilen einer Shisha, die Compliance beim Tragen einer dichtsitzenden FFP2-Maske und die häufigen Hand-zu-Mund-Kontakte von Rauchern. Kleine Partikel, die ein- und ausgeatmet werden, sind lange schwebefähig, wie man auch bei dem Aerosol sieht, das „Dampfer“ ausblasen. Diese Partikel dienen auch als Carrier, können nach Einatmung tief in die Lunge vordringen und dort lange verweilen oder von der großen Oberfläche der Lungenbläschen als Nanopartikel mit dem Blut in andere Organe gelangen. Nikotinrezeptoren regulieren die Expression von ACE-2 und vermehren diesen Rezeptor in den kleinen Atemwegen. Nach Bindung an ACE-2 aktiviert die Serinprotease TMPRSS2 (transmembrane Protease Serine 2) das S-Protein des Virus. Von einem protektiven Effekt des Nikotins auf die vermehrten Andockstellen kann keinesfalls ausgegangen werden. Außerdem wird die Immunabwehr durch Tabakrauch und andere nikotinhaltige Aerosole unterdrückt. Auch E-Zigaretten stören die mukoziliäre Clearance, Muzinsekretion, Neutrophilenreaktion, Lungenfunktion und fördern Bronchitis. Ein US-amerikanischer Survey bei 4.351 Burschen im Alter von 13 bis 24 Jahren fand die Diagnose COVID-19 fünfmal häufiger, wenn jemals E-Zigaretten konsumiert wurden, und siebenmal häufiger bei abwechselndem Konsum von Tabak- und E-Zigaretten. Experimentell vermindert Tabakrauch die SARS-CoV-2-Abwehr in vitro in Atemwegsepithelzellen von Nierauchern, die Infektion basaler Stammzellen nimmt zu, und ihre Proliferation, die Interferonantwort und die Reparatur nehmen ab. An 49 Versuchspersonen zeigten sich ähnliche Beeinträchtigungen der Abwehr gegen Influenzaviren durch das Aerosol von E-Zigaretten: Bronchoskopien mit wiederholter Lavage über 5 Wochen wiesen Zunahmen von Zellzahl, Makrophagen, Lymphozyten, Zytokinen (IL8, IL13, TNFa) und Bronchitis durch das Virus unter Einfluss der E-Zigaretten nach. In vitro ließ sich mit einem Pseudovirus als Träger des Corona-Spikeproteins der ACE2-Rezeptor, seine Aktivität und Infektion nicht nur durch Tabakrauchkondensat steigern, sondern auch durch Fluids von E-Zigaretten.