Die Verantwortung der Ausbildner

Als Obmann der Bundesfachgruppe Innere Medizin in der Österreichischen Ärztekammer ist Dr. Lothar Fiedler die Ausbildung der jungen Kollegen ein großes Anliegen. Natürlich die der künftigen Fachärzte des eigenen Faches, aber auch die für Ärzte aller anderen Fächer und – ebenso wichtig – die Ausbildung der künftigen Allgemeinmediziner. Fiedler ist niedergelassener Arzt, trotzdem weiß er sehr gut, dass leider vieles in der Ausbildung in den Spitälern heute nicht so läuft, wie es sein sollte. Eine österreichweite Umfrage unter Turnusärzten hat das vor kurzem mehr als bestätigt.
„Die Schwestern fühlen sich überlastet, aber den Turnusärzten geht es heute leider noch oft viel schlechter“, erfährt Fiedler in Gesprächen mit Mitarbeitern in den Spitälern immer wieder. In der Arbeit der Schwestern gibt es Kontinuität, fixe Beziehung und Abläufe. Turnusärzte, meist nur für einige Monate an einer Abteilung, werden dagegen oft allein gelassen. Fiedler sagt ganz offen, dass er hier bei vielen ärztlichen Vorgesetzten das fehlende Engagement vermisst: „Aber die Kontinuität bis ganz oben ist wichtig!“ Primarii und Oberärzte müssen sich jener Kollegen, die – weil in Ausbildung – nur vorübergehend an der eigenen Abteilung tätig sind, genauso annehmen wie der eigenen und bleibenden Mannschaft. Beispiel Codierung, oft genannt: Wer kann das a priori in einer Abteilung am besten? „Natürlich jemand von der Stammmannschaft. Dieses Wissen durch Beispielgebung an die junge Kollegenschaft weiterzugeben bewirkt natürlich – auf Sicht gesehen – eine bessere Qualität dieser Tätigkeit und eine allgemeine Entlastung“, ist für Fiedler ganz klar.
Dies gilt nicht nur für administrative Belange, sondern noch viel mehr für ärztliche Tätigkeiten: „Turnusärzte müssen das Gefühl bekommen, wichtiger Teil eines Teams zu sein!“ Längst fordert die Ärztekammer von der Politik Administratoren an den Abteilungen. Aber solange es die nicht gibt, darf man nicht einfach die jungen Ärztekollegen mit dieser Aufgabe allein lassen.

Teilnahme an der Visite ist wichtig!

Aus authentischen Erzählungen können Turnusärzte bei den Visiten häufig nicht dabei sein, weil sie Routineaufgaben zu erledigen haben, Blut abnehmen, Blutdruck messen müssen oder Ähnliches. Nach der Visite bekommen sie dann möglicherweise den Auftrag, mit einer anderen Abteilung des Hauses für bestimmte Patienten etwa einen Herzultraschall oder eine Koloskopie zu vereinbaren. Die angesprochene Abteilung, ebenfalls überlastet, spielt den Ball mit der Frage „Warum?“ zurück. Dem armen Turnusarzt fehlen die Argumente. Er war ja nicht dabei, als die Untersuchung angeordnet wurde und kann daher über die Gründe dafür nichts sagen. Und sei es, dass der Grund lautet: „Unser Chef besteht darauf.“ Frustration auf beiden Seiten ist die Folge, es geht viel Energie verloren. „Das muss man besser organisieren!“, mahnt Fiedler.
Auch das ist nicht erfunden: Die (Ober-) – Schwester ordnet dem Turnusarzt vor versammelter Mannschaft während der Visite an, dass er in einem anderen Raum eine Infusion anzuhängen habe. Der möchte dies nach der Visite sofort erledigen, der Primarius jedoch unterstützt seine Oberschwester, statt dem jungen Kollegen die Teilnahme an der Visite zu ermöglichen. Der junge Arzt steht doppelt begossen da: gemaßregelt von Schwes – ter und Primarius, ohne Chance auf die für ihn wichtige Teilnahme an der Visite, ohne Informationen. Das Wissen aus der Visite ist aber für den ganzen weiteren Ablauf und auch für den bevorstehenden Nachtdienst wichtig. Von wem sollen die jungen Kollegen lernen, wenn nicht von den erfahrenen Ärztekollegen?
Dazu noch einige Daten aus der österreichweiten Umfrage der Ärztekammer unter Turnusärzten. Sie wurde vor Kurzem veröffentlicht. Nur eine Minderheit von 41 % kann hinter dem eigenen Einsatz ein Ausbildungskonzept erkennen. Genauso gibt es nur für eine Minderheit eine Rotationsregelung. Die Teilnahme an Abteilungsgesprächen ist eine Seltenheit: Sie ist nur für 22,1 % der Befragten „immer“ möglich, für 19,1 % noch „meistens“. Für 28,3 % der Turnusärzte ergibt sich diese Möglichkeit aber „nie“. Dafür sind andere Dienste weit verbreitet. Blutdruckmessen für 42 % der Jungärzte „immer“ oder „meistens“, EKG-Schreiben steht in Wien für fast 70 % der Turnusärzte an der Tagesordnung, österreichweit für rund 25 %. Fiedler bleibt nur zu sagen: „Es ist die Verantwortung des Primarius, die Ausbildung der Turnusärzte gut zu organisieren.“ Und die der Politik, sich die Ausbildung der nächsten Ärztegeneration endlich zu einer Priorität zu machen.