Ein Gesundheitswesen, das zukünftige Krisen – leicht – übersteht

Österreich ist – bisher – recht gut durch die COVID-19-Pandemie gekommen. Die gerade noch rechtzeitige Reaktion durch die Verantwortlichen nach der Tragödie in der Lombardei hielt SARS-CoV-2 in Schach. Die österreichische Ärzteschaft hat in Spitälern und niedergelassener Praxis einen hervorragenden Beitrag geleistet.
Mängel: „Dass es über lange Zeit nicht genügend Schutzkleidung, Masken etc. gab, war ein reines Versäumnis der Vergangenheit“, sagte Dr. Fiedler.
Selbst die reichsten Staaten in der EU hatten – gleich wie Österreich – erhebliche Probleme. „Bei vielen dieser Waren gab es Produktions- und Lieferengpässe. Und dass Deutschland plötzlich die Grenzen auch nach Österreich für Exporte sperrte, kann wohl nicht das sprichwörtlich ‚Gelbe vom Ei‘ sein, wenn es um die gemeinsame Bewältigung einer solchen Krise geht“, erklärte der Bundesfachgruppenobmann.

Gegen mangelnde Solidarität

In der EU zeigten sich übrigens weniger Engpässe als ein Mangel an Solidarität. Von Italien nach Österreich waren medizinische Produkte zeitweise schwieriger zu bekommen als aus China. Plötzliche Exportsperren medizinischer Güter innerhalb des so hoch gehaltenen EU-Binnenmarkts setzten dem Ausweichen der Pharmaindustrie in Billigst-Produktionsländer ein zusätzliches Schlaglicht auf.
„Da müssen dringend die Lehren aus COVID-19 gezogen werden. Auch Österreich sollte danach trachten, bei bestimmten medizinischen Gütern eine gewisse Autarkie zu erlangen. Das kann man über Vorbestellungen für den Ernstfall mit Abnahmegarantie und eine gewisse Lagerhaltung sicher bewerkstelligen“, erklärte der Bundesfachgruppenobmann. Übrigens, einige niedergelassene Ärzte waren plötzlich über die ehemals so geschmähten „Rauch-Kallat“-Masken, die sie aus ihren Kästen noch hervorkramen konnten, durchaus glücklich, bis der Nachschub dann doch noch klappte.
Das führt natürlich auch zur Frage der ständigen Lieferengpässe vor allem bei Generika. Niedrigstpreise und damit notwendige Niedrigstproduktionskosten „kosten“ Liefersicherheit. „Hier wird man in der Zukunft Vorsorge treffen müssen. Die Sicherstellung der Antibiotikaproduktion in Kundl ist nur ein Aspekt“, sagte Dr. Fiedler.
(Ausfalls-)Sicherheit hat eben einen Preis. International sind von Experten längst die Listen jener essenziellen Medikamente erstellt worden, auf welche man in der Medizin auch im Krisenfall, und dann erst recht, angewiesen ist. Das könnten Wirkstofflager sein, weil Vorräte an Fertigprodukten (Arzneimittelpackungen) immer das Problem der „nationalen“ Fach- und Gebrauchsinformationen haben. „Außerdem sollte man zumindest in der EU wissen, was und welche Produkte in welchen Mengen wo vorhanden sind, um schnelle Lieferungen an den Ort des vermehrten Bedarfs zu gewährleisten“, betonte der Bundesfachgruppenobmann.

„Rasenmäher-Prinzip“ ungeeignet

Und das alles muss auch noch verschränkt werden mit den weiterhin notwendigen Reformen im österreichischen Gesundheitswesen. „Gesundheitsökonomen fordern schon wieder die Reduktion der Spitalsbetten in Österreich. Dabei haben diese uns während der ersten Welle der COVID-19-Pandemie doch einige Sicherheit geboten. Und Intensivbetten waren auch immer ausreichend zur Verfügung“, erklärte Dr. Fiedler.
„Es ist schon richtig, dass das österreichische Gesundheitswesen – übrigens genauso wie jenes in Deutschland – sehr stark auf den Spitalssektor ausgerichtet ist. Die Gefahr ist nur: Wenn man nach dem Ratschlag der Gesundheitsökonomen mit dem sprichwörtlichen Rasenmäher den Krankenhausbereich zurückkürzt, kommen dabei sehr leicht auch die ‚teuren‘ spezialisierten Einheiten, zum Beispiel die Intensivstationen, unter die Räder. So intelligent, dass man die spezialisierten High-Tech-Abteilungen überproportional zur Verfügung hat und gleichzeitig ‚unnötige‘ Betten abbaut, muss man bei der Planung und Umsetzung erst einmal sein. Ich bin da skeptisch, dass man das durchhält“, sagte der Bundesfachgruppenobmann.