Rettet uns die Lebensstilintervention?

Interessant bei der Tagung der American Diabetes Association 2011 waren vor allem die groß angelegten Studien, die sich mit Lifestyle-Intervention bei frühem Diabetes mellitus Typ 2 beschäftigt haben (Look AHEAD; Early ACTID). Besonders bemerkenswert ist dabei aus meiner Sicht die Beobachtung, dass in der Look-AHEAD-Studie 25% der besonders adipösen Patienten (BMI ≥ 40 kg/m2) ihr Gewicht innerhalb von 4 Jahren um zumindest 10% reduzieren und halten konnten. Studien der letzten Jahre sprachen eher dafür, dass diese Personengruppe nur mittels bariatrischer Methoden (Adipositaschirurgie) zur anhaltenden Gewichtsreduktion gebracht werden kann. Natürlich können pessimistische Gemüter auf die drei Viertel der Patientengruppe hinweisen, bei denen dies nicht gelang. Dennoch ist ernsthafte Lifestyle-Intervention vor einer Operationszuweisung sinnvoll und gerechtfertigt, wenn der Patient dies auch will.
Motivation und Compliance sind in der Führung bzw. Betreuung chronisch kranker Personen von zentraler Bedeutung. Klarerweise war der Erfolg in der Look-AHEAD-Kohorte dann am größten, wenn die Patienten viele Schulungssitzungen und Bewegungsgruppen besucht hatten. Interessanterweise waren dabei ältere Teilnehmer oft erfolgreicher als jüngere (vielleicht, weil diese mehr Zeit hatten und nicht so von Beruf und Familie konsumiert wurden wie jüngere).
Klar festzuhalten ist auch, dass professionelle, individuelle Lebensstil-Therapie nicht gratis ist. Als Sparkonzept der aktuellen Gesundheitspolitik “Iss ‘was G’scheit’s und beweg Dich mehr” zu propagieren, ist zwar prinzipiell richtig, greift aber in der Behandlung bereits erkrankter Menschen zu kurz. Auch wenn Nachanalysen des amerikanischen Diabetes- Präventionsprogramms (DPP) eine positive Kosteneffizienz der Lebensstilintervention und der präventiven Metformingabe nach 10 Jahren (bezogen auf die globalen Gesundheitskosten) nachweisen konnten, muss bei allen Prä- bzw. Interventionsprogrammen mehr Geld heute ausgegeben werden, um morgen (d.h. nach 10-20 Jahren) vielleicht zu sparen. Die Frage ist, welchen derzeitigen Entscheidungsträger dies in Zeiten begrenzter Ressourcen interessiert. Angesagt scheint eher medienwirksame, kurzfristig spektakuläre Reparatur- und High-Tech-Medizin (die natürlich für die Betroffenen auch wichtig ist), und der Hinweis auf die Eigenverantwortung des Einzelnen bezüglich seines Gesundheitsstatus und möglicherweise seiner finanziellen Ressourcen in der Zukunft. Gespannt erwarten wir die harten Endpunktdaten der Look-AHEAD Studie, welche nach mehr als 13-jähriger Laufdauer für 2014 angekündigt werden.
Dass eine ambitionierte, multifaktorielle Diabetestherapie Komplikationen senkt und die Lebenserwartung steigert, ist meiner Meinung nach trotz vordergründig “negativen” Ergebnisses aus der ADDITION-Studie abzuleiten. Sowohl in der Interventions- als auch in der sehr gut geführten Kontrollgruppe lag die beobachtete Rate an diabetesbezogenen Komplikationen deutlich niedriger, als auf Basis von älteren Studien vorhergesagt.

Metformin forever: Obwohl in der schwedischen Observationsstudie von Frid et al. auch in Risikogruppen die Laktatazidoserate verschwindend gering war, ist eine regelmäßige klinische Kontrolle von Patienten unter Metformin erforderlich – vor allem, wenn diese älter sind (> 70 Jahre) und eine eingeschränkte Nierenfunktion aufweisen (daher bitte e-GFR immer mitbestimmen!).