Ernährung der pneumologischen Rehabilitation – Bilanzierung und Ausgleich von Defiziten

Die Zufuhr von Nährstoffen und Energie mit der Nahrung und Umsatz oder Verbrauch bzw. Ausscheidung müssen sich die Waage halten. Die Beurteilung von Quantität und Qualität einer Ernährung erfolgt daher an besten anhand von 5 Ernährungsbilanzen:
1. Energie
2. energiehaltige Nährstoffe
a. Eiweiß (Protein)
b. Fett
c. Kohlenhydrate
3. Wasser
4. Elektrolyte
5. Vitamine

Energiebilanz

Der Tagesenergieumsatz (TEU, das ist der Verbrauch an Energie in 24 Stunden, nicht die Zufuhr mit der Nahrung) wird in Kilokalorien (kcal) oder Kilojoule (kJ) angegeben (1 kcal = 4,2 kJ). Der TEU wird als Erstes berechnet, da der Nährstoffbedarf mit dem Energieumsatz zu- oder abnimmt. Der TEU setzt sich aus 3 Komponenten zusammen:
• Der Grundumsatz (GU): Er beträgt bei Menschen zwischen 20 und 35 Jahren 1 kcal/kg/Stunde für Männer (also Körpergewicht x 24 in 24 Stunden) und 0,9 kcal/kg/Stunde bei Frauen (also –10 %), jeweils bei Normalgewicht. Bei adipösen Menschen kann man anstatt des Ist-Gewichtes das Normalgewicht nach Broca nehmen (Körpergröße [cm] –100), da der GU durch die schlanke (atmende) Körpermasse definiert ist. Ab 35 Jahren müssen pro Dekade jeweils 3 % abgezogen werden, also mit 60 jeweils ca. 10 % weniger (0,9 bzw. 0,8 kcal/kg/h).
• Die nahrungsmittelinduzierte Thermogenese: Das ist jene Wärme, die bei der Verdauung und chemischen Verarbeitung der Nährstoffe in Darm und Leber entsteht und abgestrahlt wird, bevor die Nährstoffe oxidativ abgebaut werden. Diese Energiemenge muss daher von der an sich in der Nahrung enthaltenen abgezogen werden, da sie dem Körper nicht mehr zur Verfügung steht. Das macht bei gemischter Kost ca. 5–6 % des TEU aus. Dieser Anteil kann durch eine Erhöhung des Eiweißanteils am TEU erhöht werden, was man sich bei proteinbasierten Reduktionsdiäten, wie Atkins oder Metabolic Balance, zunutze macht.
• Der Leistungsumsatz: Das ist im Großen und Ganzen jener Energieumsatz, der durch Muskelaktivität entsteht. Der TEU wird allgemein als Physical Activity Level (PAL) angegeben, das ist der TEU/GU jeweils für 24 Stunden. Für den PAL gelten folgende Richtwerte in Abhängigkeit von der Alltagstätigkeit (beruflich und Freizeit):
– bettlägerig oder Rollstuhl 1,2
– Wechseln zwischen Bettruhe und Sitzen 1,3
– rein sitzende Tätigkeit 1,4
– gemischt sitzend, stehend, gehend 1,6
– nur stehend, gehend 1,8

Der individuelle TEU in kcal in 24 h errechnet sich also:
• Mann, 60 a, Sollgewicht 75 kg, bettlägerig: 75 * 0,9 * 24 * 1,2 = 1.944 kcal
• Frau, 60 a, Sollgewicht 65 kg, Tagesablauf gemischt sitzend, gehend, stehend: 65 * 0,8 * 24 * 1,6 = 1.996 kcal


Fettabnahme erwünscht: Ist, etwa bei Adipositas, eine Fettabnahme erwünscht, so soll ein Energiedefizit von höchstens 200–300 kcal/ Tag angestrebt werden. Allerdings nicht durch spezielle Diäten, da praktisch jede Diät mit einer nahezu 100%igen Rückfallquote belastet ist. Grundsätzlich sollen keine Ernährungsempfehlungen gegeben werden, die nicht ein Leben lang eingehalten werden können. Im Folgenden zwei Hinweise zur Verringerung der Energieaufnahme, die auf Essverhaltensänderungen beruhen und erlernt werden müssen (das dauert bei konsequentem Üben 6–9 Monate), aber dann ein Leben lang beibehalten werden können: Abnehmen ist kein Diätproblem, sondern ein Lernvorgang!
• Hinweis zur Verringerung der Nahrungsmenge (bei gleicher Energiedichte): Kauen Sie jeden Bissen 30-mal.
• Hinweis zur Verringerung der Energiedichte (bei gleicher Nahrungsmenge): Entfernen Sie sichtbares Fett (Fettrand, Streichfette) und ersetzen Sie fette Nahrungsmittel und Speisen durch ähnliche mit geringerem Fettgehalt (z. B. Wurst durch Schinken oder Cremesuppe durch klare Suppe, paniert durch gegrillt, Pommes frittes durch Petersilkartoffeln).

Gewichtszunahme erwünscht: Bei konsumierenden Erkrankungen mit Kachexie ist das Gegenteil, Gewichtszunahme erwünscht. Die Ursache der Kachexie ist sehr häufig eine längerfristig negative Energiebilanz bedingt z. B. durch Appetitmangel, wegen der Krankheit und/oder der Therapie. Eine Kalkulation des Bedarfs und eine Kontrolle der tatsächlich aufgenommenen Nahrungsenergie sind daher sehr zu empfehlen. Voraussetzung für eine Körpermassenzunahme ist eine längerfristig positive Energiebilanz. Unterstützende Maßnahmen sind:
• Anreichern von Speisen z. B. mit Milch pulver oder pflanzlichem Öl
• Anreichern von Getränken mit Zucker oder Honig; Flüssignahrung
• keine schwer zu kauenden Speisen servieren
• keine großen Portionen reichen, auch nicht zu den Hauptmahlzeiten. Aufteilen in viele kleine Häppchen. Beratung: nehmen Sie alle 5 Minuten 1 Häppchen (die Mahlzeit kann dann durchaus 2 Stunden dauern.
• Beratung: Betrachten Sie das Essen als Teil der Therapie.

Bilanz der energiehaltigen Nährstoffe

Proteinbilanz: Eiweiß dient vor allem zur Synthese der körpereigenen Strukturen und des Proteinanteils der Enzyme sowie der Immunglobuline. Eine ausreichende Versorgung mit Protein ist daher zur Erhaltung der Strukturen (z. B. Myofibrillen) sowie der nur mit enzymatischer Katalyse funktionierenden biochemischen Reaktionen und der Immunfunktion unabdingbar. Da es kein besonderes Eiweißdepot gibt, wird bei unzureichender Versorgung das Muskeleiweiß abgebaut, um den vitalen Bedarf an Enzym- und Immunproteinen zu decken. Leider ist bei kachektischen Zuständen bei fortgeschrittenen chronischen oder malignen Erkrankungen nicht selten nicht nur eine energetische, sondern auch eine proteinmäßige Mangelversorgung mit ursächlich beteiligt.
1 g Protein enthält 4,3 kcal. Davon gehen aber 25 % durch die nahrungsmittelinduzierte Thermogenese verloren und weitere 5 % durch die Notwendigkeit, beim Abbau von Aminosäuren Harnstoff zu synthetisieren, so dass netto nur 3 kcal/g Protein zur Verfügung stehen. Aus allen diesen Gründen wird Protein nicht primär im Energiestoffwechsel eingesetzt, sondern werden nur die im allgemeinen Katabolismus anfallenden Aminosäuren oxidativ abgebaut. Der Anteil der aus Eiweiß stammenden Energie am TEU beträgt daher im Normalfall 10 bis 12 % (Energieprozent: En%). Für den Bedarf der Rehabilitation ist ein höherer Anteil von 15 En% zu empfehlen.
Die tatsächlich erforderliche Proteinmenge pro Tag wird dann wie folgt bestimmt:
• pro 1.000 kcal des TEU 35 g Protein
• Bei einem TEU von 2.500 kcal errechnet sich daher eine Proteinmenge von 105 g/Tag.

Das ist unabhängig von Geschlecht und Körpergewicht. Mit Hilfe einer Nährstofftabelle wird die aktuelle Eiweißzufuhr ermittelt. Wird eine knappe Versorgung erhoben, dann kann durch vermehrten Einsatz proteinreicher Nahrungsmittel (Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Ei) auf das Optimum korrigiert werden. Für einen Aufbau von Muskelsubstanz ist außer der ausreichenden Eiweißversorgung auch das in der Rehabilitation vorgesehene Muskelaufbautraining erforderlich.

Fett und Kohlenhydrate: Der restliche Energiebedarf wird durch diese beiden Hauptenergielieferanten abgedeckt. Wie schon erwähnt, hängt vor allem der Fettanteil davon ab, ob Körpergewicht abgenommen (bzw. gehalten) oder zugelegt werden soll. Im ersteren Fall wird der Energieanteil aus Fett niedrig gehalten: ≤ 30 En% (30 g/1.000 kcal), in zweiterem durchaus höher, wobei pflanzliche Öle (wegen des deutlich höheren Gehalts an mehrfach ungesättigten Fettsäuren) bevorzugt werden sollen.


Bilanz für Wasser, Elektrolyte, Vitamine

Wasser: Der tägliche Bedarf beträgt 1 Liter pro 1.000 kcal (2,5–3 Liter pro Tag), wobei etwa die Hälfte in der so genannten „festen“ Nahrung enthalten ist, aber 1–1,5 Liter als Flüssigkeit konsumiert werden sollten – bevorzugt Wasser oder andere zuckerfreie Getränke. Auch hier ist häufig ein besonderer Hinweis auf die Notwendigkeit der ausreichenden Flüssigkeitsaufnahme erforderlich.

Elektrolyte: Kritisch ist generell die Magnesiumversorgung. Der Bedarf beträgt 140 mg/1.000 kcal. Eine routinemäßige Substitution ist überlegenswert.

Vitamine: Bei gemischter Kost aus frischen Produkten ist die Vitaminversorgung gewährleistet. Ausnahme: Vitamin D, bei dem man in unseren Breiten, wegen der geringen Sonneneinstrahlung, generell von einer zumindest knappen Versorgung ausgehen muss. Eine routinemäßige Substitution ist empfehlenswert.

 

FACT-BOX

• Der erste Schritt ist die individuelle Berechnung des Tagesenergieumsatzes und eventuell Beratung über Verminderung (bei Adipositas) oder Erhöhung (bei Untergewicht) der Energiezufuhr.
• Der Tagesenergieumsatz ist die Grundlage für die Ermittlung der optimalen nährstoffmengen, insbesondere für Protein, Fett, Wasser und Elektrolyte.
• Der dritte schritt ist die Adaptierung der Ernährung zum Ausgleich allfälliger Defizite.