Transplantationspatienten werden an vielen Einrichtungen Österreichs strukturiert nachbetreut. Im Gegensatz dazu besteht in der Nachsorge der Organspenderinnen und Organspender ein Defizit. Bereits 2004 hat ein internationales Forum von über 100 Experten in Amsterdam in einem Konsensusstatement die Gründung von Lebendspenderegistern zur Erkennung und Dokumentation eventueller Risken und Schäden als Ziel formuliert.
Der EU-Aktionsplan für den Bereich der Organspende und -transplantation (2009–2015) hat die Förderung und den Ausbau von Lebendspenderegistern zum Ziel. Dem folgend, hat das Europäische Parlament am 19. Mai 2010 in der Legislativen Entschließung im Artikel 15 über Qualitäts- und Sicherheitsaspekte von Lebendspenden festgelegt:
• Absatz 3: Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Einklang mit den Bestimmungen über den Schutz personenbezogener Daten und die statistische Geheimhaltung ein Register der lebenden Spender geführt wird.
• Absatz 4: Die Mitgliedstaaten bemühen sich, die Nachsorge der Lebendspender durchzuführen, und etablieren gemäß den einzelstaatlichen Vorschriften ein System zur Erkennung, Meldung und Behandlung aller Vorkommnisse, die mit der Qualität und Sicherheit des gespendeten Organs und somit mit der Sicherheit des Empfängers zusammenhängen können, sowie aller schwerwiegenden unerwünschten Reaktionen beim Lebendspender, die infolge der Spende entstanden sein können.
Warum ist die Einrichtung eines Registers zur Erfassung und strukturierten Nachbetreuung von Organspenderinnen und Organspendern in Österreich erforderlich? Organspenderinnen und Organspender willigen als Gesunde in einen großen operativen Eingriff ein. Die Frage nach dem Langzeitverlauf einer Organentnahme ist nicht endgültig geklärt. In bisher vorliegenden retrospektiven Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Lebendspende prinzipiell eine sichere Methode darstellt, dass aber in einem geringen Prozentsatz der Patienten Langzeitveränderungen als Ausdruck einer Überlastung und Schädigung der verbliebenen Niere auftreten können. Dies betrifft vor allem Veränderungen des Blutdrucks und eine vermehrte Eiweißausscheidung (Proteinurie), aber auch weitere Aspekte und Risiken sind zu erfassen und abzuwägen.
Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie: Nach bislang vorliegenden Studien ist das Risiko, ein terminales Nierenversagen zu erleiden, für die Nierenspenderin bzw. den Spender sehr gering. In einem Review von Registerdaten des United Network for Organ Sharing im Jahr 2008 entwickelten in einem Beobachtungszeitraum von 15,5 Jahren nur 4 von 1.195 Patienten (0,33 %) eine terminale Nierenerkrankung (ESRD), 3 von ihnen waren entweder Raucher oder adipös, beides bekannte Risikofaktoren fur die Ausbildung einer ESRD. In einer Studie von Ellison et al., die sich auf Daten der US Transplantation Network Database bezieht, zeigte sich eine ESRD-Inzidenz von 0,04 % (Inzidenz in der US-Normalbevölkerung 0,03 %).
In einer Studie von Fehrman-Ekholm et al. entwickelten in einer Zeit zwischen 14–27 Jahren nach der Organspende 0,5 % eine ESRD (n = 6/1.112).
Ehemalige Organspenderinnen und Organspender, die ein terminales Nierenversagen erleiden, erhalten bei Eurotransplant die Berechtigung einer praemptiven Listung auf der Nierentransplantationswarteliste sowie 500 Bonuspunkte und damit eine hohe Priorität zur Transplantation (ET-RKAC03.08).
Nierenfunktion und Proteinurie: Durch die Spende einer Niere kommt es zu einem Verlust von 50 % des Nierengewebes, durch eine kompensatorische Hypertrophie der verbleibenden Niere betragt die Reduktion der gesamten Nierenleistung nur etwa 20–25 %. Die Kreatininwerte und Proteinausscheidung im Harn können ansteigen. In der Schweiz weisen 7 Jahre nach der Organspende 9 % eine Mikroalbuminurie als Zeichen einer frühen glomerulären Schädigung auf. Die Rate mit erhöhter Eiweißausscheidung wäre wahrscheinlich hoher ausgefallen, wenn nicht durch eine frühzeitige Intervention 21 % der Spender eine Behandlung mit ACEI oder A2RA erhalten hatten – eine Maßnahme, mit der die Mikroalbuminurie in der Regel behoben oder deutlich gesenkt werden kann.
Blutdruck: Nierenspender haben im Durchschnitt niedrigere Blutdruckwerte als altersentsprechende Kontrollpersonen. Einzelstudien zeigen allerdings bei einigen Organspenderinnen und Organspendern im Langzeitverlauf erhöhte Blutdruckwerte. In der Schweiz wurden 7 Jahre nach Nephrektomie bei 35 % der NierenspenderInnen eine Hypertonie beobachtet. Langzeituntersuchungen zum kardiovaskulären „Outcome“ fehlen.
Psychologische Aspekte: Nach einer Organentnahme kommt der Lebensqualität (Quality of Life – QoL) große Bedeutung zu. Trotz Verbesserung der chirurgischen Techniken – die laparoskopische Entnahme führte zu einer Verminderung postoperativer Schmerzen – kommt es laut Studien von Andersen et al. postoperativ zu einer Abnahme der QoL. Der Ausgangszustand wird etwa 12 Monate nach der Operation erreicht.
Ökonomische Aspekte zum Lebendspenderegister in Österreich: Eine strukturierte Nachbetreuung von Lebendnierenspendern tragt zur Qualitätssicherung bei. Die nachhaltige Wirkung der Spenderzufriedenheit und eine positive Langzeitbewertung der Spende konnte in der Zukunft zu einer Erhöhung der Lebendspenderate in Osterreich fuhren.
Durch eine derartige Steigerung wurden sich für das österreichische Gesundheitssystem bedeutende ökonomische Vorteile ergeben: 50 Lebendspender pro Jahr ersparen dem Steuerzahler ca. 1 Mio. Euro an Dialysekosten. Demgegenüber sind die Kosten für ein Register, das als Ziel die Erfassung und Vermeidung von Morbidität und Komplikationen hat, verschwindend klein. Bei einem Anstieg der Spenderate auf 100 pro Jahr wurde dies eine Kosteneinsparung von 20 Mio. Euro in 10 Jahren ergeben.
Um den Ansprüchen einer umfassenden Aufklärung von Organspendern nachkommen zu können, sind auch wir in Osterreich aufgefordert, ein derartiges Register fur die strukturierte Nachverfolgung von Organspenden einzurichten.
• Einladung der OrganspenderInnen zu Nachuntersuchungen im Abstand von 2 Jahren. Die regelmäßigen Nachuntersuchungen können bei einem Arzt des Vertrauens (Facharzt für Allgemeinmedizin) erfolgen. Die Nachfolgeuntersuchungen umfassen Befunde einer klassischen Vorsorgeuntersuchung sowie eine zusätzlich Erhebung von Nierenparametern. Es sind dies die Nierenfunktion und eine quantitative Eiweißausscheidung im Urin. Mit einem strukturierten Fragebogen sollen allfällige Folgestörungen erhoben werden.
• Erfassung und Validierung der erhobenen Daten.
• Regelmäßige Berichterstattung und Veröffentlichung von Ergebnissen.
ZUSAMMENFASSUNG: Für eine umfassende Aufklärung von Patienten vor einer Organspende ist es erforderlich, genaue Kenntnisse über alle Komplikationsmöglichkeiten zu haben. Es besteht ein Bedarf zur longitudinalen Erhebung prospektiver Daten sowie eine ethische Verpflichtung zur optimalen Nachbetreuung von Spenderinnen und Spendern.
Literatur:
– Andersen et al.: Quality of life after randomization to laparoscopic versus open living donor nephrectomy: long-term follow up. Transplantation 2007; 84:64
– Boudville et al.: Meta-analysis: risk for hypertension in living kidney donors. Ann Intern Med 2006 Aug 1; 145 (3):185-96
– Chien et al.: Quality of life after laparoscopic donor nephrectomy. Transplantation Proceedings 2010; 42:696-698
– Ellison M.D. et al.: Living kidney donors in need of kidney transplants: a report from the organ procurement and transplantation network. Transplantation 2002 Nov 15; 74 (9):1349-51
– Fehrman-Ekholm et al.: Incidence of end-stage renal disease among live kidney donors. Transplantation 2006 Dec 27; 82 (12):1646-8
– Garg et al .: Proteinuria and reduced kidney function in living kidney donors: A systematic review, meta-analysis, and meta-regression. Kidney Int 2006 Nov; 70 (10):1801-10. Epub 2006 Sep 27
– Gossmann J. et al.: Long-Term Consequences of Live Kidney Donation Follow-Up in 93 % of Living Kidney Donors in a single Transplant Center. Am J Transplant 2005; 5:2417-2424
– Hohenstein K., Watschinger B.: Nachbeobachtung des postoperativen Verlaufs nach Nierenspende und Evaluierung der Einstellung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen zur Organspende, Projektstudie, 2010
– Kramar R., Oberbauer R.: Österreichisches Dialyse- und Transplantationsregister, ÖDTR, Jahresbericht 2010 der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie; http:// www.nephro.at/JB-all.htm
– Loubeau et al.: The economics of kidney transplantation vs. hemodialysis. Prog Transplant 2001 Dec; 11 (4):291-7 – Najarian J.S. et al.: 20 years or more of follow-up of living kidney donors. Lancet 1992 Oct 3; 340 (8823):807-10
– Ommen E. et al.: Medical risks in living kidney donors: absence of proof is not proof of absence. Clin J Am Soc Nephrol 2006 Jul; 1 (4):885-95. Epub 2006 May 10
– Rosenblatt G.S. et al.: End-stage renal disease after kidney donation: a single-center experience. Transplant Proc 2008 Jun; 40 (5):1315-8
– Thiel G.T., Nolte C., Tsinalis D.: Das Schweizer Lebendspender-Gesundheitsregister (SOL-DHT). Therapeutische Umschau 2005; 62 (7)
– Wolfe R.A. et al.: Comparison of mortality in all patients on dialysis, patients on awaiting transplantation, and recipient of a first cadaveric transplant. N Engl J Med 1999 Dec 2; 341 (23):1725-30f