Lieber gemeinsam

Seit es für alle ÄrztInnen die Möglichkeit gibt, sich zu Gruppenpraxen zusammenzuschließen, wird viel darüber diskutiert, welche Auswirkungen die neue Form der Zusammenarbeit auf die Versorgung haben kann und was Gruppenpraxen den involvierten Ärzten bringen könnten. Die persönliche Einschätzung von Dr. Lothar Fiedler, Obmann der Fachgruppe Innere Medizin in der Österreichischen Ärztekammer, ist es, dass Gruppenpraxen eine attraktive Form der Zusammenarbeit sein können. Etablierte Ärzte werden vielleicht nicht mehr auf eine Gruppenpraxis umstellen wollen – aus Fiedlers Sicht verständlich. „Ich kann mir aber gut vorstellen, dass junge Leute, die einander vielleicht von ihrer Tätigkeit im Spital kennen, sagen: wir versuchen das.“ Denn die persönlichen und fachlichen Perspektiven, die sich den Partnern in einer gut funktionierenden Gruppepraxis bieten könnten, sieht er verlockend. „Es ist eine Verbesserung, dass man immer wenig nötig Dinge mit Kollegen besprechen kann.“ Gemeinsam statt einsam kann eine neue Form von Arbeits- und Lebensqualität werden. Die Zeiten für die nötige Fortbildung sind leichter abzustimmen, Urlaube ebenso. Für die Patienten könnte sich der Effekt ergeben, dass die Praxis, die sie gewohnt sind, vielleicht überhaupt nicht mehr oder kaum mehr zusperren muss. In jedem Fall werden verlängerte Öffnungszeiten angeboten. Fiedler: „Es könnten sämtliche Arbeitstage in der Woche bespielt werden.“ Das Interesse der Ärzteschaft ist es, so Fiedler, eine wohnortnahe Medizin zu ermöglichen, die sowohl allgemeinmedizinische als auch möglichst viele, wenn nicht sogar alle fachärztlichen Fragen umfasst. Und auch der Allgemeinmediziner wird für seine Patienten in einer Facharzt- Gruppenpraxis leichter und schneller einen Termin koordinieren können als bisher. Der einzelne Facharzt für Innere Medizin, so Fiedler, könnte sich als Mitglied einer Internisten-Gruppenpraxis nach Interesse und Notwendigkeit auf ein Subfach spezialisieren. So sieht er es beispielsweise als große Herausforderung an, sich als einzelner Arzt ständig auf den Gebieten Herz und Magen/Darm immer am letzten Stand des Wissens zu halten: „Es ist eine beträchtliche Belastung, immer optimal ausgebildet zu sein.“
Nach den neuen Kassen-Bestimmungen können sich Ärzte aller Fächer zu Gruppenpraxen zusammenschließen. Ärzte identer Fächer, aber auch Ärzte über die Fachgrenzen hinweg. Werden bereits existente Kassenstellen eingebracht, bedarf es keiner Zustimmung der Kassen. Soll eine Stelle zusätzlich geschaffen werden, muss dafür die Kasse ihre Zustimmung geben. Fiedler geht davon aus, dass die Kassen dafür aufgeschlossen sind: „Sie sind daran interessiert, dass ihre Patienten möglichst gut versorgt sind.“ Freilich haben sie auch immer die Sorge, dass durch das verbesserte Angebot die Fallzahlen und damit die Kosten steigen.

Entlastung für die Spitäler?

Kann es durch Gruppenpraxen auch zu einer Entlastung der Spitäler kommen? Diese große übergeordnete Frage sollte die Politik ernsthaft beschäftigen. In den vergangenen Jahren wurden viele Spitalsambulanzen groß ausgebaut. Nebeneffekt war, dass dort viele Routinekontrollen gemacht wurden, die oft sogar ein Allgemeinmediziner hätte übernehmen können. Entlastung der Spitäler durch Gruppenpraxen ist für Fiedler daher sicher möglich. Er geht sogar weiter: „Das könnte auch mit dem Rettungswesen koordiniert werden. Der Rettungswagen könnte auch einen niedergelassenen Arzt anfahren.“ Die verlängerten Öffnungszeiten würden das ermöglichen. In den Krankenhäusern selbst können jene Patienten, die eine stationäre Betreuung brauchen, dann eine noch bessere Betreuung erfahren. Es würden mehr Ressourcen zur Verfügung stehen. Die Ambulanztätigkeit selbst stellt aber niemand in Frage. Ambulanzen werden für Spezialfragen und für Notfälle immer nötig sein. Für die Ärzteschaft selbst sind sie als Ausbildungsstation wichtig.
Offen ist, ob für ein künftiges Miteinander von Gruppenpraxen und Spitälern eine neue Finanzierungsbasis gefunden werden kann. Sollten sich die Länder an den Kosten der Gruppenpraxen beteiligen? Hier ist die Ärzteschaft auf der Hut. Eine Abhängigkeit der niedergelassenen Ärzte vom Spital in Form einer Anstellung lehnen Kammer und fast alle Ärzte ab. Das sieht man als Gefährdung des freien Berufs, aber auch als Wegfall jedweden Anreizes, möglichst kompetitiv zu arbeiten. Kostenbeteiligung des Landes an der Infrastruktur einer Gruppenpraxis? Das kann Fiedler so (noch) nicht ganz glauben. Aber es wäre ein interessanter Ansatz, über den man nachdenken könnte.