Mangelfächer über Mangelfächer

Ende vergangenen Jahres waren in Österreich 46.337 Ärzte in den Standeslisten eingetragen. Das entsprach rund 39.000 Vollzeit-Äquivalenten. 23.246 Fachärzte standen 14.805 Allgemeinmedizinern und 8.085 Turnusärzten gegenüber. Anfang 2019 waren österreichweit 129 Kassenstellen unbesetzt. Es handelte sich um 68 Hausarzt- und 61 Facharztstellen.
Die Problematik des fehlenden Nachwuchses wird sich verschärfen. „Es droht eine Situation mit Mangelfächern über Mangelfächern“, sagte Dr. Lothar Fiedler. Natürlich gilt es, durch eine Verbesserung der Möglichkeiten zur Berufsausübung – inklusive der finanziellen Aspekte – möglichst viele Ärzte in Österreich in das Versorgungssystem zu bringen, sei es in den Spitälern oder in der niedergelassenen Praxis.

Früher aktiv werden

Doch Anreize nach der postpromotionellen Ausbildung sind möglicherweise zu wenig. „Damit einzelne Fachgebiete genügend Nachwuchs anziehen, wird man wahrscheinlich schon früher aktiv werden müssen“, betonte der Bundesfachgruppenobmann.
Erst vor kurzem meldeten sich die österreichischen Pathologen mit solchen Aktivitäten. Binnen zehn Jahren werden nämlich fast 50 % der derzeit Aktiven das Pensionsantrittsalter erreicht haben. Von 144 genehmigten Ausbildungsstellen sind nur 37 besetzt. Die österreichische Fachgesellschaft hat deshalb begonnen, Medizinstudenten im Rahmen von Berufsmessen anzusprechen und PR für das eigene Fach bzw. die Ausbildung dafür zu machen.
Jungmediziner sollen zum Absolvieren eines Pathologie-Wahlfaches im Rahmen ihrer Basis­ausbildung motiviert werden. Mit einer „Pathology Future Academy“ wurde eine Plattform für Pathologen in Ausbildung geschaffen.
Dort werden z. B. Fortbildungsveranstaltungen organisiert, die auf die Inhalte des Rasterzeugnisses der Facharztausbildung abgestimmt und auf die selbständige Tätigkeit als Facharzt für Klinische Pathologie und Molekularpathologie ausgerichtet sind. Es wurde ein Forschungsförderungsprogramm für Fachärzte in Ausbildung beschlossen, es gibt Preise für wissenschaftliche Arbeiten und Reisestipendien für die Teilnahme an internationalen Kongressen etc.

Zwölf Jahre Vorlaufzeit

„Der Konkurrenzkampf um den Nachwuchs wird auf jeden Fall härter werden. Dabei muss man ja auch noch berücksichtigen, dass durch die bisherige Inaktivität der Politik auf diesem Gebiet viel Zeit verloren gegangen ist. Für eine neue Generation an Ärzten benötigt man zumindest eine Vorlaufzeit von zwölf Jahren“, sagte Dr. Fiedler. Auch auf dem Gebiet der Inneren Medizin sollte darauf geachtet werden, dass man genügend Interessenten für die Facharztausbildung gewinnt.
Auf dem Gebiet der Allgemeinmedizin gibt es schon solche Aktivitäten. So sollen in Zukunft zum Beispiel in Oberösterreich Medizinstudenten schon ab dem zweiten Semester Schnuppertage in Allgemeinmedizin-Ordinationen angeboten bekommen und darüber hinaus von erfahrenen Kollegen im Rahmen eines individuellen Mentorings begleitet werden.
„Wir werden also für unseren Nachwuchs aktiv werben müssen. Da sind alle gefordert – auch wir Internisten mit einem als ‚Generalisten‘ faszinierenden Aufgabengebiet und als Spezialisten ebenso faszinierenden Aufgaben in der absoluten Spitzenmedizin“, sagte Dr. Fiedler.
Das „Gerangel“ um junge Mediziner und Ärzte, die sich in der Inneren Medizin engagieren, wird wohl – auch in Konkurrenz zu anderen Bereichen – zunehmen: „Die demografische Entwicklung allein spricht schon dafür. Da redet man noch gar nicht von den beruflichen Rahmenbedingungen in Spital und niedergelassener Praxis, die ebenfalls noch verbesserungswürdig sind“, meinte der Bundesfachgruppenobmann.
Die Situation ist über alle Bereiche der Medizin hinweg ähnlich. In Wien wird beispielsweise durch Anreize und bessere Ausbildungsmöglichkeiten eine Verdopplung der Zahl der Kinder- und Jugendpsychiater von derzeit 70 auf 140 bis 2030 angestrebt. Die Fachgesellschaft der Neurologen forderte eine Ausbildungsoffensive bei 47 % der derzeit aktiven Fachärzte im Zehn-Jahres-Abstand zum Pensionsalter.
„Auch wir Internisten müssen den Nachwuchs sprichwörtlich ‚hegen und pflegen‘. Sonst kommen auch wir in Schwierigkeiten“, sagte Dr. Fiedler.