Geschätzte Kolleginnen und Kollegen,liebe Leserinnen und Leser!
Ich darf Sie auf eine neue Serie in UNIVERSUM INNERE MEDIZIN aufmerksam machen: „Biosimilars & Generika“.
Beginnend mit der aktuellen Ausgabe finden Sie in dieser Rubrik Beiträge, die sich mit bereits eingetretenen und möglichen Folgen der Markteinführung von Biosimilars und Generika beschäftigen. Zu Wort kommen neben Vertretern der österreichischen Medizinmarktaufsicht und dem Biosimilarsverband Österreich ärztliche Fachvertreter aus jenen Bereichen, in welchen Biosimilars (und Generika) in den letzten ca. 15 Jahren angeboten wurden, konkret aus den Bereichen Nephrologie, Hämatologie, Hämostaseologie, Onkologie, Gastroenterologie und Rheumatologie.
Ich persönlich beziehe meine beruflichen Erfahrungen zu dem Thema vor allem aus meiner fachlichen Auseinandersetzung mit der Markteinführung von Biosimilars im Bereich der Rheumatologie, wo vor ca. 5 Jahren als erste Substanz der intravenös zu verabreichende TNF-α-Blocker Infliximab als Biosimilar verfügbar war. Mit Verwunderung beobachtete ich damals, wie von Vertretern des österreichischen Hauptverbandes die Erstattung dieser kostengünstigeren Therapiealternative mit Verweis auf die damals bestehende „Generika“-Regel verzögert wurde.
Nach Entwicklung eines abgestuften Preisabschlagmodells im Vergleich zum Originalpräparat bei Markteintritt eines und weiterer Biosimilars wurde die Tür für einen Markteintritt von Biosimilars mit rheumatologischer Indikation geöffnet.
Markteintritt und -chancen: In der Rheumatologie liegt in Österreich der Marktanteil von Biosimilars laut Auswertung des „BioReg“-Registers bei derzeit 6,5 %. Die geringe Marktdurchdringung ist vor allem dadurch begründet, dass die Anbieter der umsatzstärksten Originalpräparate nach Patentablauf die Preise (im Detail verdeckt durch ein dahinter liegendes „Preismodell“) auf oder sogar unter das Preisniveau der entsprechenden Biosmilars gesenkt haben. Dies erschwert natürlich den Markteintritt neuer Substanzen, und die Marktchancen werden in erster Linie durch die ökonomischen Entscheidungen des ehemaligen Patentinhabers bestimmt. Entscheidet sich dieser, wie im Falle des Originalpräparats Infliximab, sich nicht auf eine entsprechende Preissenkung einzulassen, und verzichtet er somit auf eine Regelerstattung, bleibt der entsprechende Marktkuchen natürlich zur Verteilung unter den entsprechenden Biosimilars-Mitbewerbern übrig.
Ebenfalls marktentscheidend ist, ob das ursprüngliche Präparat in einer extramuralen Kassenerstattung stand oder ausschließlich/vorwiegend in Krankenanstalten bzw. Ambulanzen verabreicht wird, wo der jeweilige Krankenanstaltenträger in Abstimmung mit Pharmazeuten und Fachärzten des jeweiligen Fachbereiches über den Einkauf des zumeist ökonomisch günstigsten Biosimilars entscheidet.
Nach mehrjährigem Einsatz von in erster Linie TNF-α-Biosimilars in der Rheumatologie sind bisher keine Bedenken hinsichtlich Qualität und Verfügbarkeit der Nachahmer-Produkte gegeben. Natürlich bleibt die Frage der Motivation für einen „Switch“ oder eine Neueinstellung auf ein Biosimilar zu klären, wenn der jahrelang bekannte Originator preislich äquivalent ist.
Verschreiberegeln: Konsequenzen ergeben sich aber hinsichtlich des „Boxenstatus“, wobei für die derzeit refundierbaren TNF-α-Blocker ein „Grüne-Box-Status“ besteht, aber prinzipiell laut Verschreiberegel eine Erstverschreibung durch einen entsprechend ausgewiesenen Facharzt des jeweiligen Fachgebietes erforderlich ist (z .B. FA für Rheumatologie bzw. Gastroenterologie). Die Weiterverordnung kann dann – im Prinzip – ohne jegliche Auflage durch den betreuenden Allgemeinmediziner erfolgen; allenfalls auch ein Switch auf ein entsprechendes Biosimilar. Das Risiko, dass regelmäßige Kontrollen beim entsprechenden Facharzt seltener durchgeführt werden oder sogar ganz unterbleiben, ist dadurch gegeben und birgt auch Ängste bezüglich adäquater Überprüfung der Therapiesicherheit und optimaler therapeutischer Zielerreichung („treat-to-target“) in der Rheumatologie.
Bei aller Freude über die finanzielle Vergünstigung und somit über den vielleicht breiteren Zugang zu diesen „High-Tech“-Therapien mischt auch die Sorge mit, dass andere innovative, zielgerichtete Therapeutika in der therapeutischen Kaskade dadurch erst später verordnet werden können, und zwar nur dann, „wenn die Optionen aus dem grünen Therapiebereich versagt haben“. Dies betrifft insbesondere oral einzunehmende Janus-Kinase-Inhibitoren und spezifische Biologika zur Behandlung der Psoriasisarthritis und ankylosierenden Spondylitis.
Viele dieser Themen und Fragestellungen werden in dieser und in den kommenden Ausgaben in der Serie „Biosimilars & Generika“ vertieft und von kompetenter Seite präsentiert und diskutiert.
Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen