Nierentransplantation bei älteren Patienten – Lohnt sich das Risiko?

Der Großteil der inzidenten Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz ist schon seit über einem Jahrzehnt 55 bis 79 Jahre alt. Dies ist vor allem auf den großen Anteil an Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz aufgrund eines Diabetes mellitus Typ 2 zurückzuführen (Kramar R., Jahresbericht des österreichischen Dialyse- und Transplantationsregisters 2010). In den letzten Jahren hat die Anzahl an nierentransplantierten Patienten älter als 65 Jahren deutlich zugenommen (Abb., Kramar R., Jahresbericht des österreichischen Dialyse- und Transplantationsregisters 2010). Dies ist auch im internationalen Vergleich zu beobachten (Tso P. L. et al., Am J Transplantation 2012).

„Old for old“-Programme

Die Zunahme an älteren Transplantierten ist vor allem auf den Anstieg der Lebendspende sowie auf die so genannten ECD-Transplantationen (Extended Criteria Donor) zurückzuführen (Tso P. L. et al., Am J Transplantation 2012). Letztere sind Spendernieren von älteren Patienten (über 60 Jahre) oder von Patienten zwischen 50 und 59 Jahren, die zwei der folgenden Punkte erfüllen:

  • Hypertonie
  • terminales Serumkreatinin > 1,5 mg/dl oder
  • Tod durch ein kardiovaskuläres Ereignis (Rao P. S.et al., CJASN 2009)

Hier wurden innerhalb der letzten Jahre sogenannte „Old for old“-Transplantationsprogramme gestartet. Diese Programme wie unter anderem das Eurotransplant Senior Program (ESP) allozieren Nieren von Spendern älter als 65 Jahre regional an unsensibilisierte Empfänger, die älter als 65 Jahre alt sind. Dies soll die kalte Ischämiezeit, die als ungünstiger Faktor für das Transplantatüberleben gilt, minimieren. Der 5-Jahres-Report dieses Programms konnte zeigen, dass das Patienten- und Transplantatüberleben dieses Programms vergleichbar mit den Patienten über 60 Jahre war, die wie üblich alloziert wurden. Dadurch konnte die Anzahl an älteren Spendernieren verdoppelt werden, die Wartezeit für ESP-Teilnehmer und die kalte Ischämiezeit signifikant reduziert werden (Frei U., Am J Transplantation 2008).

Hohe Komplikationsrate

Gegen diese sehr positiven Daten spricht eine Subgruppenanalyse der SYMPHONY-Studie (unpublizierte Daten von C. Hugo, DTG Abstract/Vortrag V11.3, 2008). In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass das immunsuppressive Regime mit einer niedrigen Dosis des Calcineurininhibitors Tacrolimus in Kombination mit Mycophenolsäure und Kortison das beste Transplantatüberleben sowie die beste Nierenfunktion auch nach einem und auch 3 Jahren Follow-up aufweist (Ekberg H., NEJM 2005; Ekberg H., Am J Transplantation 2009). Aus dieser Studie wurde nun eine Subgruppenanalyse der älteren Empfänger über 60 Jahre durchgeführt (268 Empfänger ≥; 60 Jahre vs. 751 Empfänger < 60 Jahre). Hier konnte gezeigt werden, dass ältere Empfänger signifikant mehr Spenderorgane von älteren Patienten und signifikant mehr ECD+-Spendernieren erhalten haben (45,5 vs. 21,8 %). Unter den älteren Empfängern waren zudem signifikant mehr Patienten, die unter einem Diabetes mellitus litten (19 vs. 8,5 %). Insgesamt hatten die Patienten ≥ 60 Jahre ein signifikant erhöhtes Risiko zu versterben, und auch die glomeruläre Filtrationsrate nach der Transplantation war signifikant schlechter. Besonders schlecht haben die älteren Patienten abgeschnitten, die Organe von Spendern über 60 Jahre und damit sog. ECD+-Nieren bekommen haben. Dahingegen zeigte sich kein Unterschied zwischen den jüngeren Patienten, die ältere Organe bekommen haben und den älteren Patienten, die junge Organe alloziert bekommen haben. Die beste Nierenfunktion nach Transplantation wiesen die jungen Empfänger mit jungen Spendernieren auf. Ursache für das schlechte Abschneiden der älteren Spender/Empfänger war nicht eine erhöhte Rate an akuten Abstoßungen, sondern die hohe Rate an Komplikationen. Ältere Patienten hatten signifikant häufiger Infektionen und kardiovaskuläre Ereignisse. Darüber hinaus war das Auftreten des Posttransplant-Diabetes mellitus signifikant häufiger (unpublizierte Daten von C. Hugo, DTG Abstract/Vortrag V11.3, 2008).

Mögliche Strategien

Immunsuppression überdenken: Diese Subgruppenanalyse stellt das derzeitige Prozedere des ESP-Programms doch deutlich in Frage. Die Studie zeigt, dass neue Untersuchungen hinsichtlich des immunsuppressiven Regimes bei älteren Empfängern durchgeführt werden müssen. Diese Patientengruppe wurde bisher aus den großen Transplant-Immunosuppressions-Studien ausgeschlossen und benötigt offensichtlich bei der hohen Infekthäufigkeit eine geringere Immunsuppression. Allerdings könnten Änderungen im Vorgehen, wie die Entnahme einer Biopsie der ECD+-Niere vor Transplantation oder die Transplantation beider ECD+-Nieren in den Empfänger zu einer Verbesserung führen.

Nierenbiopsie vor Transplantation: In der SYMPHONY-Studie wurde keine Biopsie der ECD+-Spendernieren vor Transplantation durchgeführt. Rezente Studien konnten zeigen, dass eine Nierenbiopsie vor Transplantation mit einem entsprechenden Scoring und der Verwendung von histologisch „guten“ Organen zu einer signifikanten Verbesserung des Transplantatüberlebens von ECD+-Spendernieren führt (Remuzzi G., NEJM 2006).

Transplantation beider Spendernieren: Darüber hinaus verbessert die Transplantation beider ECD+-Spendernieren in den Empfänger das Transplantatüberleben, auch wenn es in mehreren Studien zu vermehrten chirurgischen Komplikationen kam (Remuzzi G., NEJM 2006; Fern&aacute;ndez-Lorente L., Am J Transplantation 2012). Eine rezente Arbeit zeigte allerdings, dass eine Änderung im chirurgischen Vorgehen zu einer mit Einzelnierentransplantationen vergleichbaren chirurgischen Komplikationsrate führt und das 3-Jahres-Patienten- und Transplantatüberleben hervorragend ist (95,6 % und 90,9 %; Ekser B., Am J Transplantation 2010).

Lebendspende: Eine weitere Option, das Transplantatüberleben bei älteren Empfängern zu verbessern, ist die Durchführung einer Lebendspende. In den USA nimmt die Zahl der Lebendspender immer mehr zu, allerdings übersteigt die Anzahl der Kadavernieren immer noch die der Lebendspenden (Davis C. L., CJASN 2005). In Österreich werden derzeit 14 % aller Transplantationen als Lebendspende durchgeführt (Kramar R., Jahresbericht des österreichischen Dialyse- und Transplantationsregisters 2010). Lebendspender älter als 65 Jahre sind zwar nach wie vor selten, nehmen aber in den USA stetig zu und betrugen im Jahr 2008 1,5 % aller Lebendspenden (2009 OPTN/SRTR Annual Report). Eine rezente Analyse von Empfängern älter als 60 Jahre konnte zeigen, dass das Transplantatüberleben nach Lebendspenden von 55–64 Jahre alten Spendern gleich gut ist wie das von jüngeren Spendern. Das Transplantatüberleben von Lebendspenden über 65 Jahren ist vergleichbar mit „normalen“ Kadavernieren und signifikant besser als das von ECD+-Nieren (Gill J., Am J Kidney Dis 2008).

RESÜMEE: Zusammenfassend muss gesagt werden, dass Transplantationen in ältere Empfänger immer noch eine Gratwanderung darstellen. Entscheidend ist die Auswahl der gelisteten Empfänger, wobei auch hier derzeit klare Algorithmen und auch entsprechende Studien fehlen. Die „Old for old“-Transplantationsprogramme wie das ESP führten zu einer signifikanten Erhöhung der Transplantationen an alte Empfänger und die Initiatoren des Programms konnten teilweise gute Ergebnisse des Programms publizieren. Allerdings zeigen andere Studien, wie die Subgruppenanalyse der SYMPHONY-Studie, dass ECD+-Spendernieren transplantiert in alte Empfänger zu einem deutlich verschlechterten Gesamtüberleben der Patienten führen. Dies ist vor allem durch eine signifikant erhöhte Infektrate bedingt. Hier benötigen wir neue Studien zur Optimierung der Immunsuppression in dieser Patientengruppe. Optionen zur Verbesserung des Transplantatüberlebens bei älteren Empfängern/Spendern sind die Transplantation von beiden ECD+-Nieren sowie eine weitere Förderung der Lebendspende.