Osteoporose aus nephrologischer Sicht

Noch Osteoporose oder schon renale Osteodystrophie?

In der Mehrzahl der Fälle ist die Osteoporose eine Erkrankung des höheren Lebensalters, das auch mit einer erhöhten Rate an chronischer Niereninsuffizienz vergesellschaftet ist. Bei älteren Patienten mit zunehmender Niereninsuffizienz können somit die pathophysiologischen Veränderungen von einer primären Osteoporose in eine renale Osteodystrophie (ROD) übergehen. Bei eingeschränkter Nierenfunktion kommt es zu einer verminderten renalen Phosphatelimination sowie zu einer verminderten Calcitriolsynthese, die in einer verminderten Resorption von Kalzium aus dem Intestinaltrakt resultiert. Als Folge von Hyperphosphatämie, Hypokalziämie und Calcitriolmangel kommt es zur vermehrten Ausschüttung von Parathormon (PTH) mit dem Ziel, das Serum-Kalzium anzuheben und Serum-Phosphatspiegel niedrig zu halten. Ein anhaltend erhöhter PTHSpiegel bei Niereninsuffizienz wird als sekundärer Hyperparathyreoidismus (sHPT) bezeichnet. Vereinfacht gesagt kommt es bei der ROD initial durch den sHPT zu einem stark erhöhten Knochenstoffwechsel (sog. „high turnover bone disease“), in weiterer Folge finden sich jedoch auch Patienten, die praktisch keinen aktiven Knochenstoffwechsel mehr aufweisen (sog. „adynamic bone disease“). Die „adynamic bone disease“ wird vor allem durch eine urämiebedingte PTHResistenz sowie PTH-Rezeptordownregulaton der Knochenzellen gegenüber dem kontinuierlichen PTH-Stimulus erklärt.
In knochenbioptischen Serienuntersuchungen weisen bis zu 80 % der Patienten im Stadium 3 und 4 der chronischen Niereninsuffizienz Knochenveränderungen im Sinne einer ROD auf. Bei Dialysepatienten findet sich bei fast allen (> 95 %) eine ROD. Störungen des Knochenstoffwechsels, insbesondere die Low-Turnover-Variante, sind mit verstärkter Gefäßverkalkung assoziiert. Der Nachweis von Gefäßverkalkungen (üblicherweise wird der koronare Agatston-Score gemessen) sind beim Niereninsuffizienten, aber auch beim Nierengesunden mit erhöhter kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität verbunden. Daraus ergibt sich, dass insbesondere beim niereninsuffizienten Patienten eine normaler (weder „high“ noch „low turnover“) Knochenstoffwechsel angestrebt werden sollte. Auch bei nierengesunden (primär osteoporotischen) Patienten wurden Zusammenhänge zwischen Knochendichtemessungen und Gefäßverkalkung gefunden.
Im Kontext dieser Zusammenhänge ergeben sich insbesondere für die weitverbreiteten Kalzium/Vitamin-D-Supplemente sowie die Bisphosphonate Einschränkungen in der Anwendung.

Wirksamkeit und Sicherheit von Osteoporose-Therapien

Kalzium und Vitamin D

Kalzium und Vitamin D finden in der Therapie nephrologischer Patienten breite Anwendung. Kalziumkarbonat und -azetat werden als Phosphatbinder eingesetzt, ein bei Nieren insuffizienz sehr häufig auftretender Vitamin-D-Mangel wird durch Gabe sowohl von Vitamin D3 als auch von aktivem Vitamin D (Calcitriol und Derivate) behandelt. Bei Dialysepatienten besteht eine positive Assoziation zwischen der Menge an verabreichtem Kalzium und der Progression vaskulärer Verkalkungen. Insbesondere eine „adyname“ ROD (minimaler oder fehlender Knochenstoffwechsel) ist bei Dialysepatienten mit vermehrter Gefäßverkalkung assoziiert. Wahrscheinlich ist es so, dass ein adynamer Knochen nicht mehr an der kurzfristigen Pufferung von Kalzium und Phosphat teilnimmt. Zu viel exogen zugeführtes Kalzium kann somit nicht mehr vom Knochen verarbeitet werden und lagert sich, teilweise auch durch aktive zelluläre Prozesse (Transdifferenzierung von glatten Gefäßmuskelzellen zu osteoblastenartigen Zellen) in der Gefäßwand ab. Die Substitution von Kalzium und Vitamin D3 ist der wohl am weitesten verbreitete Weg, eine Osteoporose zu behandeln bzw. der Entwicklung einer Osteoporose vorzubeugen.
In letzter Zeit hat jedoch ein Umdenken dieser Therapiestrategie stattgefunden. Eine aus nephrologischer Sicht erwähnenswerte, gut dokumentierte Nebenwirkung einer gesteigerten Kalziumzufuhr ist die erhöhte Rate an Nierensteinen. Viel schwerwiegender ist jedoch, dass die alleinige Substitution von Kalzium ohne Vitamin D mit einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität assoziiert wurde. Eine mögliche Erklärung ist eine vermehrte vaskuläre Verkalkung durch zu hohe Kalzium-Zufuhr. Hier ergeben sich Parallelen zur ROD. Der Vollständigkeit halber muss jedoch gesagt werden, dass manche Patienten offensichtlich mehr zur vaskulären Verkalkung neigen und exogen zugeführtes Kalzium bei diesen wahrscheinlich nachteilig ist. Andere Patienten scheinen hingegen „resis – tent“ gegenüber Gefäßverkalkungen zu sein und zeigen keine Gefäßverkalkungen trotz teilweise sehr hohen täglichen Kalzium- Dosierungen (z. B. 3 g/d). Mittelfristig werden diese Unterschiede wohl auf eine individuelle Dosierung von Kalzium-Supplementen hinauslaufen.
Ein Vitamin-D-Mangel ist klar mit vielen Erkrankungen assoziiert – von Osteoporose, Frakturen bis hin zur Malignomen. Die Datenlage zur therapeutischen Substitution von Vitamin D zur Verhinderung von osteoporotischen Frakturen ist jedoch weniger eindeutig. Eine Senkung der Frakturrate durch Vitamin-D-Gabe wird nicht nur der verbesserten Knochenstabilität zugeschrieben, zumindest Teile dieses Benefits wurden auch der verbesserten Muskelkraft und -koordination angerechnet. Eine rezente prospektive placebokontrollierte Studie fand jedoch eine erhöhte Sturz- und Frakturrate nach einer Hochdosis-Substitution von Vitamin D3 (500.000 IE einmalig im Herbst). Wie schon für Kalzium, so dürfte auch für Vitamin D3 eine Dosislimitierung nach oben hin sinnvoll sein.
Im aktuellen österreichischen Osteoporosekonsensus (2007) wird als Basistherapie der Osteoporose die zusätzliche Supplementierung von 0,5 bis 1 g Kalzium pro Tag sowie die Substitution von 400–2.000 IE Vitamin D3/Tag (beides je nach Ernährungslage) empfohlen. Zumindest für die Kalziumsupplementation könnte eine eher zurückhaltende Gabe (z. B. 0,5 g/d) langfristig das beste Nutzen-Risiko-Verhältnis zeigen.

Bisphosphonate

Oral (z. B. Alendronat, Risedronat) sowie parenteral (Ibandronat, Zoledronat) verfügbare Bisphosphonate sind bei Patienten mit manifester Osteoporose bzw. hohem osteoporotischen Frakturrisiko aufgrund der gut dokumentierten Senkung der Frakturrate Mittel der ersten Wahl. Zu beachten ist allerdings, dass in den meisten Studien Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (oft definiert anhand des Serumkreatinins) von der Teilnahme ausgeschlossen waren. Ebenso waren Patienten mit erhöhtem PTH oder erhöhter alkalischer Phosphatase (AP) von den Studien ausgeschlossen. In Post-hoc-Analysen dieser Studien wurden mittels Bestimmung der „estimated glomerular filtration rate“ (eGFR) Patienten mit deutlich eingeschränkter Nierenfunktion (CKD 3, 4) identifiziert, und auch für diese wurde eine Abnahme des Frakturrisikos durch Bisphosphonattherapie gezeigt. Da diese Patienten aber alle normale PTH- und AP-Werte hatten, ist anzunehmen, dass es sich um Patienten mit primärer Osteoporose gehandelt hat und dass viele Patienten mit ROD ausgeschlossen wurden. Da die Prävalenz einer ROD bei chronischer Niereninsuffizienz in den Stadien 3 und 4 bis zu 80 % beträgt, kann daraus geschlossen werden, dass für die Mehrzahl der Patienten in den CKD-Stadien 3/4 sowohl der formale Wirksamkeitsnachweis als auch der Nachweis der Sicherheit einer Bisphosphonattherapie fehlt. Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz führt die Gabe von Bisphosphonaten bei der Mehrzahl der Patienten zum Auftreten einer „low turnover bone disease“, teilweise auch zur adynamen ROD. Da niedriger Knochenstoffwechsel mit erhöhter Gefäßverkalkung verbunden ist, bleibt unklar, ob bei Gabe von Bisphosphonaten bei höhergradig Niereninsuffizienten der Nutzen zur Fraktursenkung (der in diesem Kollektiv nur angenommen wird) die mögliche Erhöhung des kardiovaskulären Risikos rechtfertigt. Während gemäß den KDIGO-Richtlinien (Kidney Disease: Improving Global Outcomes) 2010 bei entsprechender Indikation zur Therapie einer Osteoporose die Gabe von Bisphosphonaten bei CKD 1 und 2 empfohlen wird, gilt eine Therapieempfehlung für Bisphosphonate bei CKD 3 nur bei normalem PTH-Spiegel (unter der Annahme, dass keine ROD vorliegt). Bei CKD 3 mit erhöhten PTH-Werten sowie in den CKD-Stadien 4 und 5 sollte gemäß dieser Richtlinie eine Bisphosphonattherapie nur nach ausführlicher Abklärung (ev. einschließlich Knochenbiopsie) und bei strenger Indikationsstellung erfolgen.
Neben den seltenen, aber typischen Nebenwirkungen wie Ösophaguserosionen bei suboptimaler oraler Einnahme und Kiefernekrosen (besonders bei Diabetikern und schlechtem Zahnstatus) sind sowohl für die oralen als auch für die parenteral verabreichten Bisphosphonaten Fälle von Nierenschädigungen beschrieben worden. Bisphosphonate können einerseits eine akute Tubulusnekrose (ATN), andererseits eine sog. „collapsing“ fokal-segmentale Glomerulosklerose hervorrufen. Zumindest für die ATN erscheint eine Hypovolämie/Exsikkose ein begünstigender Faktor zu sein, eine entsprechende Rehydrierung des Patienten (u. U. auch intravenös) vor Gabe eines parenteralen Bisphosphonats ist daher ratsam. Da bei parenteraler Bisphosphonatgabe schnell hohe Plasmaspiegel erreicht werden und bei Präparaten mit relativ niedriger Plasmaeiweißbindung (z. B. Zoledronat) auch schnell in hoher Konzentration ins Tubulussystem gelangen, erscheint auch eine langsamere Gabe des Bisphosphonates (langsame Infusionsgeschwindigkeit, keine Bolusgabe) bzw. die Verwendung eines Bisphosphonats mit höherer Plasmaeiweißbindung (z. B. Ibandronat) vernünftig, um das Risiko einer Nephrotoxizität zu minimieren. Werden diese Vorsichtsmaßnahmen eingehalten und wird die Dosis reduziert (üblicherweise auf 50 %), können auch parenterale Bisphosphonate (einschließlich Zoledronat) bei Patienten mit hochgradig eingeschränkter Nierenfunktion (z. B. bei multiplem Myelom) und auch bei Nierentransplantierten verwendet werden – eine gut überlegte Indikationsstellung vorausgesetzt.

 

 

FACT-BOX

  • Bei zunehmender Niereninsuffizienz verschiebt sich das Krankheitsspektrum von der primären Osteoporose hin zur renalen Osteodystrophie.
  • Die zusätzliche Supplementierung von Kalzium zur normalen Ernährung sollte 1 g/Tag nicht überschreiten.
  • Bei Osteoporose ist in den CKD-Stadien 1, 2 sowie CKD 3 mit normalem PTH die Gabe von Bisphosphonaten empfohlen.
  • Im CKD-Stadium 3 mit erhöhten PTHWerten sowie in den CKD-Stadien 4 und 5 sollte die Bisphosphonattherapie ausgewählten Patienten vorbehalten bleiben.
  • Bei Bisphosphonattherapie gilt: den Patienten rehydrieren, „go low and slow“.