Psychokardiologische Rehabilitation

Vor dem Hintergrund steigender Zahlen psychischer Erkrankungen und der damit verbundenen Minderung bzw. des Verlusts der Teilhabe am sozialen Leben – bis hin zur „Berufsunfähigkeit“ – initiierte die Leitung der Pensionsversicherungsanstalt (PV) 2019 im Rehabilitationszentrum Felbring das Pilotprojekt „Psychokardiologische Rehabilitation“ (teilhabeorientierte Rehabilitation von Herzpatient:innen mit schwerer psychischer Komorbidität). 25 von 118 systemisierten Betten wurden der Indikation Psychokardiologische Rehabilitation zugeordnet.
In Österreich ist das RZFelbring die erste stationäre psychokardiologische Rehabilitationseinrichtung. Aus Deutschland gibt es bereits publizierte Erfahrungen von Prof. Köllner von der Rehaklinik Seehof (Kooperation mit der Charité Berlin). Kernaussage der bisherigen wissenschaftlichen Auswertungen: nachhaltige Verminderung der Herzangst und des damit verbundenen Vermeidungsverhaltens im Alltag (Abb.) (Priegnitz 2020).

Abb.: Herzangst und Vermeidungsverhalten nehmen während des Reha-Aufenthaltes in allen 3 Studiengruppen (PK, K und PSO) ab. Ein nachhaltiger Effekt findet sich jedoch nur bei Patient:innen mit kombinierter kardiologisch–psychosomatischer Rehabilitation.

Typische Beispiele aus unserem Kollektiv sind Menschen, die oft sogar trotz guter bzw. wiederhergestellter Organfunktion durch ihre psychische Problematik in der Teilhabe an einem normalen Privat- und Berufsleben beeinträchtigt sind:

  • Patient:innen mit Depressionen nach Myokardinfarkt
  • Patient:innen nach Reanimation, die seither an einer Angststörung leiden
  • Patient:innen mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) nach Thorakotomie oder kardiogenem Schock mit Langzeitaufenthalt auf einer Intensivstation
  • Nota bene: Patient:innen mit „Broken-Heart-Syndrom“/Takotsubo-Kardiomyopathie werden von Frau Prof.in Strametz-Juranek im Rehazentrum Bad Tatzmannsdorf betreut.

Therapieinhalte/Konzept

Bei der psychokardiologischen Rehabilitation im RZFelbring handelt es sich um ein 6-wöchiges, zweigeteiltes Heilverfahren. Teil 1: 4 Wochen; nach ca. 3–4 Monaten Teil 2: 2 Wochen „Refresher“.

Das medizinische Leistungsprofil beinhaltet alle Elemente der klassischen Herz-Kreislauf-Rehabilitation mit kardiologischer Diagnostik, krankheitsspezifischen Schulungen, aktivem Training (Ergometertraining, Gymnastik, Kraftkammer, Wandern etc.) im Sinne des alten Spruches: „Mens sana in corpore sano.“ Wichtig ist dabei der Teilhabeaspekt in Bezug auf die Berufsfähigkeit dieser Menschen. Im Vortragszyklus RehaJet® (Rehabilitation für Job, Erwerbsfähigkeit und Teilhabe) geht es um die Themen: berufliches Reha-Ziel, körperliche Gesundheit am Arbeitsplatz, gesunde Ernährung am Arbeitsplatz, psychische Gesundheit am Arbeitsplatz. Darüber hinaus gibt es ein intensives Angebot im psychologischpsychotherapeutischen Setting.

Die Basisbetreuung erfolgt durch eine:n Be-zugstherapeutin:Bezugstherapeuten und eine:n Bezugsärztin:Bezugsarzt. Alle Patient:innen werden zumindest einmal psychiatrisch begutachtet, weiters erfolgt eine umfassende computergestützte psychologische Diagnostik zu drei Zeitpunkten des 6-wöchigen Heilverfahrens. Die Tests beinhalten z. B. den Herz-Angst-Fragebogen (HAF-17), die Symptom-Checkliste 90-R (SCL 90-R), das AVEM (Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster).

Die Ergebnisse dieser Tests werden seitens der Forschungsabteilung der PV (HFIL) laufend ausgewertet. Darüber hinaus gibt es eine Kooperation mit der SFU Wien, wo eine abgeschlossene Masterarbeit zum Thema psychokardiologische Rehabilitation im RZFelbring kurz vor der Publikation steht. Die Ergebnisse zeigen einen ähnlichen Trend wie die Daten von Prof. Köllner: Durch eine Reduktion des Vermeidungsverhaltens kann eine nachhaltige positive Wirkung auf die angstfreie Teilhabe am Leben erzielt werden. Eine sehr große Rolle spielt der ICF-orientierte Zugang des Reha-Teams mit regelmäßigen interdisziplinären Besprechungen, bei denen alle Berufsgruppen ihre Beobachtungen bzw. auch die Messwerte der Patient:innen einbringen können.

Im Rahmen einer Psychoedukation in problemorientierten Gruppen werden Themen wie Angst, Depression und Stress bearbeitet. Wichtig sind auch Entspannungsübungen (autogenes Training, progressive Muskelentspannung nach Jacobson) und Achtsamkeitstraining.

In der Ergotherapie geht es unter anderem um kognitives Training, soziales Kompetenztraining und um den „Alltagstransfer“ dessen, was gelernt wurde. Sehr hilfreich ist auch die Kunsttherapie, wo vieles, was die Patient:innen verbal nicht ausdrücken können, heilsam zum Ausdruck kommen kann, denn „die Seele spricht in Bildern“. Diagnostisch und zur Verlaufskontrolle wird auch gerne die Biofeedbackmethode eingesetzt.

Zurück ins Leben

Erfahrungsbericht eines Managers, der nach Sekundenherztod, Reanimation und Defibrillatorimplantation unter Panikattacken leidet und durch die psychokardiologische Rehabilitation wieder in sein Leben zurückfindet: „Ich bin abends zu Bett gegangen und habe zu meiner Frau gesagt: ‚Schatz, ich bekomme keine Luft!‘ Bin mehr oder weniger aus dem Bett gefallen und war tot, wenn man es so sagen kann. Meine Frau hat sofort begonnen, mich zu reanimieren, hat den Notarzt gerufen – ab in den Hubschrauber. Ich war dann knapp fünf Tage im Koma. Faktum ist, es war damals ein Herzstillstand, mein Herz hat beschlossen, sich dem Stress nicht mehr zu stellen und hat einfach aufgehört, zu schlagen.

Nach der Defibrillatorimplantation habe ich geglaubt, die Welt gehört wieder mir. Ich stürzte mich voll zurück in die Arbeit, rasch wieder hinter den Laptop und los geht’s … Aber nach kurzer Zeit habe ich den ersten Auslöser des Defis erleben dürfen, und das ist dann auch einige Male passiert, insgesamt hat mir der Defi wieder sechs Mal das Leben gerettet.

Dann begannen Panikattacken, die Angst vor einem Defi-Schock war schlimmer und größer als die Angst vor dem Tod selbst. Der Defi-Schock ist, wie wenn man in einem Stromkreis greift, nur tausend Mal stärker, da bebt der ganze Körper, die Augen werden weiß, das ist eine furchtbare Situation …

Ich war eigentlich immer einer, der stets Vollgas gefahren ist, und ich habe es nie gelernt, mich zu entspannen und mein System runterzufahren. Und das musste ich hier im Rehazentrum Felbring lernen. Natürlich war es am Anfang eine Herausforderung für mich. Als Läufer versuche ich, den Kilometer so schnell wie möglich zu laufen, und hier in einer Gehmeditation beim Achtsamkeitstraining muss man 50 Meter in einer halben Stunde gehen.

Der Kopf in Kombination mit dem Herz, das ist ein Zusammenspiel, und das zu beachten, das habe ich auf jeden Fall gelernt. In extrem schwierigen beruflichen Situationen spüre ich heute mein Herz anders, meinen Puls anders, meinen Blutdruck anders. Die Angst ist immer noch da, es könnte ja jetzt gleich etwas passieren, aber der Umgang ist ein anderer.“

Resümee

Durch den integrativen Ansatz (biopsychosoziales Modell) der psychokardiologischen Rehabilitation zeigt sich eine nachhaltige Symptomlinderung und Verbesserung der Lebensqualität. Eine verstärkte Awareness der behandelnden Kolleg:innen für diese Patientengruppe könnte zu einer gesteigerten Nutzung der vorhandenen Therapiemöglichkeiten im Sinne der Salutogenese der Betroffenen führen.

 

ZUWEISUNGSKRITERIEN
  • kardiale Diagnosen (ICD-Codes „I“-Reihe): KHK, CMP, Vitien, Herzrhythmusstörungen etc. plus psychische Diagnosen (ICD-Code „F“-Reihe): Depression, Angststörungen, PTBS etc.
  • „aktiv Versicherte“ = berufsfähige Patient:innen, Kostenträger PV/ÖGK, BVA, KFA etc.
  • Ausschluss: mangelnde verbale Kommunikationsfähigkeit, schwere Persönlichkeitsstörungen, akute psychiatrische Zustände/Suizidalität

Weitere Informationen finden Sie unter www.ska-felbring.at und auf der Website der ÖKG/Arbeitsgruppe Kardiologische Psychosomatik

DIREKT-REHA-ANTRAG an das medizinische Sekretariat RZ Felbring (Fax: 02638/882 81-742 90)