SERIE Venöse Thromboembolie: Die Pille macht den Unterschied


Die venöse Thromboembolie (VTE) stellt weltweit ein großes gesundheitliches Problem dar. In der Europäischen Union wurden rezent pro Jahr ca. eine Million VTE-Fälle dokumentiert, davon verliefen ca. 220.000 tödlich. Die hormonelle Kontrazeption stellt in der westlichen Welt zweifelsfrei die mittlerweile am weitesten verbreitete Verhütungsmethode dar. Ein positiver Effekt auf Akne, Hypermenorrhö und Dysmenorrhö im Falle der Einnahme von kombinierten oralen Kontrazeptiva (KOK) scheint die Attraktivität der Präparate zusätzlich zu verstärken. Im Laufe der Jahre wurden in Abhängigkeit von den Inhaltsstoffen der Pillenpräparate unterschiedliche Generationen von Pillen entwickelt, die sich auch deutlich in ihrem VTE-Risiko unterscheiden. Die Verschreibung des Pillenpräparats unterliegt dem Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, dennoch kann speziell bei Vorhandensein einer Thrombophilie oder einer positiven VTE-Anamnese der Patientin eine Absprache mit dem behandelnden Facharzt für Innere Medizin sinnvoll sein. 


Zusätzliche VTE-Risikofaktoren: VTE-Risikofaktoren, die bei jüngeren Frauen zusätzlich zum Pillenpräparat eine wichtige Rolle spielen können, sind Adipositas (3-fach erhöhtes VTE-Risiko bei BMI über 30) sowie Varikositas (1,5-fach erhöhtes VTE-Risiko). Der Faktor Rauchen – speziell in Kombination mit Adipositas – scheint ebenso einen thrombophilen Faktor darzustellen. Eine eventuell vorhandene zusätzliche angeborene Thromboseneigung kann das VTE-Risiko einer Patientin nochmals steigern. So haben Patientinnen mit heterozygoter Faktor-V-Leiden-Mutation ohne KOK ein ca. 5-fach erhöhtes Thromboserisiko, welches sich mit KOK auf ein 16-fach erhöhtes Risiko vergrößert. Für homozygote Faktor-V-Leiden-Patienten gibt es wenig wissenschaftliche Grundlagen, zumal diese Form der Thrombophilie selten ist. Ohne KOK wird bei diesen Patientinnen von einem 10-fach erhöhten VTE-Risiko ausgegangen, mit KOK ist das VTE-Risiko deutlich höher. Genaue Angaben dazu finden sich in der Literatur nicht. Eine zweite häufige hereditäre Thrombophilie ist die Prothrombin-G20210A-Mutation. Diese ist in heterozygoter Form mit einem ca. 3-fach erhöhten Thromboserisiko assoziiert, mit KOK steigert sich dieses Risiko auf ein ca. 6-fach erhöhtes Risiko.

Zeitpunkt der KOK-Einnahme und hereditäre Thrombophilie: Das Thromboserisiko ist bei Patienten, die zuvor noch nie eine KOK-Therapie bekommen haben, nach Einleitung der Therapie für 12 Monate besonders hoch. Die thrombophile Komponente der oralen Kontrazeptiva erklärt sich über den Einfluss auf das plasmatische Gerinnungssystem. So kommt es unter KOK-Therapie zur Verminderung des Protein S, ein Phänomen, das oft bei der Durchführung eines Thrombophiliescreenings auffällig wird. Unter oraler Kontrazeption mit KOK ist eine Protein-S-Spiegel-Bestimmung zur Abklärung eines Protein-S-Mangels nicht sinnvoll, da der Wert falsch erniedrigt und somit nicht aussagekräftig ist. Entsteht nun durch das Zusammenspiel von unterschiedlichen thrombophilen Faktoren tatsächlich bei der Patientin eine VTE, muss das Pillenpräparat nicht gleich abgesetzt werden, da ja jedenfalls eine Antikoagulation eingeleitet wird und somit ein guter Schutz vor einer Rezidiv-VTE besteht. In weiterer Folge sollte jedoch ein möglichst wenig thrombophiles Pillenpräparat bei dieser Patientin zur Anwendung kommen.

Unterschiedliche KOK-Generationen und ihre Thrombophilie: In Abhängigkeit von den Inhaltsstoffen werden KOKs in unterschiedliche Generationen unterteilt.
Die Kombination aus Ethinylestradiol mit Levonorgestrel oder Noresthisteron sind KOK der 2. Generation. Die Kombination von Ethinylestradiol mit Gestoden oder Desogestrel sind KOK der 3. Generation. Wird Ethinylestradiol mit Drospirenon kombiniert, spricht man von KOK der 4. Generation. Die Kombination von Ethinylestradiol mit Cyproteronacetat, Chlormadinonacetat oder Dienogest werden als antiandrogene KOK bezeichnet. Diese Pillen sind als thromboseförderlich einzustufen, wobei je nach Inhaltsstoff die Thromboseneigung variiert. Pillen der 2. Generation werden in der Literatur mit einem ca. 4-fach erhöhten VTE-Risiko, die 3.-Generation-Präparate mit einem ca. 5- bis 6-fach (Gestoden) bzw. 7,3-fach (Desogestrel) erhöhten Risiko für eine VTE beschrieben. Bei 4.-Generation-Präparaten und Antiandrogen-Präparaten werden ein 6,3-fach bzw. ein 6,8-fach erhöhtes VTE-Risiko beschrieben. Die thrombophile Komponente von Ethinylestradiol scheint nicht von der Administrationsform abzuhängen. So sind auch transdermale und transvaginale Applikationsformen dieser Substanz als thromboseförderlich einzuschätzen.

Reine Gestagen-Präparate scheinen sicher zu sein: Patientinnen mit stattgehabter VTE bzw. Thrombophilie, bei denen die Verwendung eines thromboseförderlichen Pillenpräparates nicht empfohlen ist, können mit einem reinen Gestagen-Präparat kontrazeptieren, ohne dass eine zusätzliche Thrombophilie besteht. In rezenten Arbeiten konnte auch gezeigt werden, dass „die Pille danach“ nicht mit einem erhöhten VTE-Risiko vergesellschaftet ist. Wird Gestagen aber in einer höheren Dosis gegeben (z. B. zur Therapie einer Menorrhagie), scheint aber auch hier die thrombophile Komponente zu überwiegen.