STICH-Studie: Chirurgische Intervention bei ischämischer Herzinsuffizienz – Ist die Mitralklappenrekonstrukion prognoserelevant?

Eine funktionelle Mitralinsuffizienz verschlechtert das Überleben von Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie. Die Mitralklappenrekonstruktion im Rahmen einer aortokoronaren Bypassoperation mit dem Ziel, das Überleben zu verbessern, wird kontroversiell beurteilt. In der STICH-Studie wurde die Entscheidung zur zusätzlichen Durchführung einer Mitralklappenrekonstruktion im Rahmen der aortokoronaren Bypssoperation dem Operateur überlassen. In der Subgruppenanalyse wurde der Einfluss des ursprünglichen Schweregrades der Mitralklappeninsuffizienz auf die Patienten der STICH-Studie untersucht. Es wurde das Überleben von Patienten mit verschiedenen MI-Schweregraden durch Zuordnung zu verschiedenen Therapiegruppen (MED vs. MED + CABG) miteinander verglichen und schließlich wurde das Überleben von Patienten mit moderater bis schwerer MI nach CABG (ohne Mitralklappenrekonstruktion) gegenüber jenen mit alleiniger Pharmakotherapie vergli – chen (Tab).

Methoden der STICH-Studie

Eingeschlossen wurden Patienten mit höhergradig reduzierter Linksventrikelfunktion (EF < 35 %) und koronarer Herzkrankheit mit Indikation zur aortokoronaren Bypassoperation. Die Randomisierung erfolgte in zwei Gruppen: in Guideline-konforme medikamentöse Therapie alleine (MED) vs. Guideline- konforme medikamentöse Therapie mit aortokoronarer Bypassoperation (MED + CABG). Die Quantifizierung der Mitralklappeninsuffizienz (MI) erfolgte in 4 Gruppen als keine oder minimale MI, milde, moderate und schwere MI. Die Entscheidung zu Mitralklappen- Rekonstruktion wurde dem Operateur intraoperativ überlassen. 99,6 % der in der Stich-Studie eingeschlossenen Patienten (Randomisierung 2002–2007) wurden in Hinsicht auf den primären Endpunkt „Tod aus jedweder Ursache“ im Zeitraum 09 bis 12/2010 bewertet.

Resultate

• 435 (36 %) der ursprünglichen 1.212 randomisierten Patienten hatten keine/ minimale MI • 554 (46 %) hatten milde,
• 181 (15 %) moderate und
• 39 (3 %) schwere Mitralinsuffizienz

Zahlen nach Ausschluss von Crossover-Patienten:
• 401 keine/minimale MI
• 493 milde MI
• 195 moderate-schwere MI

MED-Gruppe (alleinige medikamentöse Therapie):
• Gruppe keine/minimale MI: 67 Todesfälle (33 % Mortalität)
• Gruppe milde MI: 107 Todesfälle (47 % Mortalität; HR vs. keine MI 1,60 [95%-KI 1,18–2,18])
• Gruppe moderate-schwere MI: 53 Todesfälle (51 % Mortalität) (HR vs. keine MI 1,97 95%-KI 1,37–2,83)

CABG-Gruppe:
• Gruppe milde MI: signifikant niedrigere Mortalität, 86 Todesfälle (32 % Morta – lität; HR vs. Gruppe MED 0,64 [KI 0,48–0,85]; p = 0,0023)
• Gruppe moderate-schwere MI: CABG-allein-Gruppe (gesamt 42 Patienten): – 22 Todesfälle (52 % Mortalität; HR vs. MED 1,13 [95%-KI 0,69–1,86]) CABG mit Mitralklappenrekonstruktion (gesamt 49 Patienten): – 21 Todesfälle (43% Mortalität; HR vs. MED 0,69 [95%-KI 0,41–1,14]) Die adjustierte Hazard-Ratio für CABG mit Mitralklappenrekonstruktion vs. CABG alleine betrug 0,45 (95%-KI 0,23–0,90; p = 0,025) (Abb.).

Schlussfolgerungen

Bei Patienten mit schwer reduzierter Linksventrikelfunktion (LVF) und milder Mitralinsuffizienz verbessert die alleinige aortokoronare Bypassoperation (bei optimaler medikamentöser Therapie) das Überleben.
Bei Patienten mit moderater bis schwerer Mitralklappeninsuffizienz scheint eine Mitralklappenrekonstruktion im Zuge der aortokoronaren Bypassoperation im Vergleich zu alleiniger Bypassoperation oder alleiniger medikamentöser Therapie das perioperative Risiko zu reduzieren und das Überleben zu verbessern.

Diskussion der STICH-Studie

Von Alec Vahanian wurde festgehalten, dass das Management von Patienten mit ischämischer Mitralinsuffizienz im Rahmen einer aortokoronaren Bypassoperation zwar ein klini – sches relevantes Thema ist, für das aber leider keine evidenzbasierte Strategie vorhan – den ist.
Die vorliegende Präsentation stellt eine Subgruppenanalyse dar.

Was können wir daraus lernen?
• 15 % der STICH-Patienten hatten eine moderate, 3 % eine schwere Mitralklappeninsuffizienz. Wir können daraus schließen, dass die Mitralinsuffizienz bei Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie und schlechter Linksventrikelfunktion häufig ist. • Patienten mit moderater und schwerer Mitralinsuffizienz haben ein höheres NYHA-Stadium und höheres OP-Risiko.

Einschränkungen der Aussagekraft der präsen – tierten Daten
• Die Einschätzung des Schweregrades der Mitralinsuffizienz ist schwierig. Die präzisen Kriterien zur Ermittlung des Schweregrades in dieser Analyse wurden nicht angeführt.
• In der Medikamentengruppe zeigte sich ein direkter Zusammenhang zwischen MI-Schweregrad und Prognoseverschlechterung. Da keine Multivariatanalyse vorliegt, kann man nicht beurteilen, ob die Mitralinsuffizienz ein unabhängiger Prädiktor für schlechtes Outcome ist.
• 91 Patienten hatte moderate und schwere Mitralinsuffizienz, 49 er hielten eine Mitralklappenrekonstruktion zusätzlich zur Bypassoperation. Patienten mit Mitralklappenrekonstrktion hatten eine schlechtere Linksventrikelfunktion, aber ihre OP-Mortalität belief sich nur auf 2 %. Die Mortalität aus allen Ursachen über einen Zeitraum von 5 Jahren betrug 41 %, was signifikant niedriger war als in der Gruppe mit alleiniger CABG oder alleiniger medikamentöser Therapie. Diese Ergebnisse sollten mit Vorsicht betrachtet werden.
• Die Entscheidung zur Mitralklappenoperation wurde dem Operateur überlassen, was zu einer Heterogenität von OP-Techniken geführt haben könnte, mit fehlerhaften statistischen Resultaten. Das Fehlen der Randomisierung und sogar der Multivariatanalyse erlaubt keinen sicheren Rückschluss auf die hinzugefügte Variable Mitralklappenrekonstruktion.
• Zuletzt haben wir keine Kenntnis über die Zahl der Patienten mit residualer oder rekurrenter Mitralinsuffizienz, die einen sehr starken prognostischen Faktor für diese Patienten darstellt.

Was ist nötig, um die Evidenzlage zur Effektivität der Mitralklappenrekonstruktion bei Patienten mit ischämischer Mitralinsuffizienz zu verbessern?
• In Zukunft muss die Evidenzlage für die Anwendung der Mitralklappenrekonstruktion bei Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie verbessert werden.
• Randomisierte Studien zur Evaluierung von Therapiestrategien sind notwendig. Sie stellen die einzige Möglichkeit dar, die zahlreichen Ergebnis-beeinflussenden Faktoren bei ischämischer Mitralinsuffizienz zu kontrollieren.
• Präoperative vergleichbare Methoden zur Quantifizierung der MI in Ruhe und unter Belastung wurden gefordert.
• Bessere Identifikation von Prädiktoren des Wiederauftretens der Mitralinsuffizienz und Studien zur myokardialen Vitalität dieser Patienten mit niedriger Auswurffrak – tion.
• Parallel dazu sollten chirurgische Techniken verbessert werden, sowohl Anuloplastie als auch „LV Remodelling devices“.
• Nicht zuletzt sollte auch das Potenzial interventioneller Techniken in dieser Patientengruppe mit hohem OP-Risiko aufgrund der Komorbiditäten evaluiert werden.
• Aus all diesen Gründen sind die berichteten Ergebnisse interessant, können aber die Evidenzlage (dzt. C) zur Empfehlung der Mitralklappenrekonstruktion im Rahmen einer aortokoronaren Bypassopera – tion nicht verbessern.

1 Eric J. Velazquez et al. for the STICH Investigators: Coronary-Artery Bypass Surgery in Patients with Left Ventricular Dysfunction. N Engl J Med 2011; 364:1607-1616
2 Clinical Trial Update II. STICH: Influence of mitral valve repair on survival in the surgical treatment for Ischemic heart failure trial; Präsentation von Marek Deja, Diskussion von Alec Vahanian