Typ-2-Diabetes – Low Carb oder Low Fat?

Aktuelle Leitlinien der nationalen und internationalen Diabetes-Fachgesellschaften betonen den hohen Stellenwert der Ernährungstherapie als Teil des Diabetesmanagements.1, 2 Als Ziele der Diabetestherapie und damit auch der Ernährungsempfehlungen gelten eine positive Beeinflussung des Glukose- und Lipidmetabolismus, eine Gewichtsabnahme bei Übergewicht und Adipositas sowie eine Reduktion des Risikos diabetischer Akut- und Spätkomplikationen. Hingewiesen wird auch auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung der individuellen Situation der Patienten und der daraus resultierenden Bedürfnisse.

ÖDG-Leitlinien: In Bezug auf die Mengenverteilung der Nährstoffe wird in den aktuellen Leitlinien der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) ein Kohlenhydratanteil von 45–60 %, ein Fettanteil von unter 35 % und ein Proteinanteil – bei Fehlen einer Nephropathie – von 10–20 % der täglichen Gesamtenergiezufuhr empfohlen.2
Eine große Bedeutung kommt der Qualität der Nahrungsmittel zu. So gelten Vollkornprodukte, Gemüse und Hülsenfrüchte als günstige Kohlenhydratlieferanten, Öle mit ein- und mehrfach ungesättigten Fettsäuren als vorteilhaft gegenüber tierischen Fetten. Die Zufuhr von Mono- und Disacchariden sollte eingeschränkt werden. Als Beispiel für diese Ernährungsempfehlungen wird häufig die mediterrane Ernährung angeführt; auch aufgrund der vorteilhaften Effekte auf das kardiovaskuläre Risiko.3
Da ein Großteil der Typ-2-Diabetiker übergewichtig oder adipös ist, kommt der Effektivität der Ernährungsempfehlungen hinsichtlich der Gewichtsreduktion und -stabilisierung eine zentrale Bedeutung zu. Generell bewirken eine Reduktion der Kalorienzufuhr und eine negative Energiebilanz eine Gewichtsabnahme mit in der Folge günstigen metabolischen Effekten. Seit Jahren werden die Vorteile und möglichen Risiken einer sogenannten Low-Carb-Diät mit Reduktion des Kohlenhydratanteils und einer Low-Fat-Diät mit Reduktion des Fettanteils diskutiert. Ein Vergleich der zahlreichen dazu publizierten Studien ist häufig aufgrund der unterschiedlichen Definitionen für diese Diätformen schwer möglich. So kann bei einer Low-Carb-Diät der Anteil an Fett aus pflanzlichen oder tierischen Quellen erhöht sein (Low-Carb-High-Fat) bzw. alternativ eine gesteigerte Proteinzufuhr vorliegen (Tab. 1).1, 2
Für die klinische Praxis sind Daten zur Sicherheit der unterschiedlichen Diätformen, aber auch zur Umsetzbarkeit der Ernährungsempfehlung im Alltag wichtig.

 

 

Low-Carb-Diäten

Als Low-Carb-Diät wird eine Ernährungsform mit einer Kohlenhydratreduktion auf rund 50–150 g pro Tag bezeichnet, eine noch striktere Restriktion der Kohlenhydratzufuhr auf 20–50 g pro Tag gilt als sogenannte ketogene Diät.4 Die Low-Carb-Diät hat zum Ziel, durch eine Reduktion der Kohlenhydratzufuhr einen geringeren postprandialen Blutzuckeranstieg und damit eine verminderte postprandiale Insulinsekretion zu erreichen.
Klinische Studien und Metaanalysen zeigen, dass bei Diabetikern eine Kalorienreduktion mit Verminderung der Kohlenhydratzufuhr auf unter 45 % der täglichen Energiezufuhr eine Gewichtsreduktion, eine geringere Glukosevariabilität, eine Verbesserung des HbA1c-Wertes und eine Reduktion der antidiabetischen Medikation ermöglichen kann.5, 6

Die sogenannte ketogene Diät soll in Folge einer Reduktion des Insulinspiegels bei extrem niedriger Kohlenhydratzufuhr zu einer verstärkten Lipolyse im Fettgewebe und günstigen Einflussnahme auf den Energieverbrauch führen.7 Dementsprechend wird eine effektivere Gewichtsreduktion erwartet. In Studien über einen längerfristigen Zeitraum war die Low-Carb-Diät einer Ernährung mit einem höheren Kohlenhydratanteil insgesamt jedoch nicht überlegen.8
Eine Variante einer Low-Carb-Diät ist eine proteinreiche kohlenhydratreduzierte Ernährung. In einer Langzeitstudie wurde bei Patienten mit Typ-2-Diabetes der Effekt einer proteinreichen Ernährung (30 % Protein) gegenüber einer kohlenhydratreichen Ernährung (15 % Protein) hinsichtlich des Körpergewichts untersucht.9 Im Beobachtungszeitraum von 2 Jahren ließen sich keine Unterschiede zwischen den beiden Diätformen erheben.
Begrenzungen finden kohlenhydratreduzierte Ernährungsformen durch die Schwierigkeiten in der Langzeitumsetzung. Bei Diabetikern mit Insulinmangel und möglicherweise bei Therapie mit SGLT-2-Inhibitoren kann das Risiko zur Entwicklung einer Ketoazidose erhöht sein.10

Low-Fat-Diäten

Entsprechend den Ernährungsempfehlungen der Diabetes-Fachgesellschaften sollte der Fettanteil 35 % der täglich zugeführten Gesamtenergiemenge nicht überschreiten.2 Vor allem hinsichtlich des kardiovaskulären Risikos kommt der Qualität der Nahrungsfette eine große Bedeutung zu.1, 2
Maximal 10 % der täglichen Gesamtenergiezufuhr sollten gesättigte Fettsäuren und Transfettsäuren umfassen, auch der Anteil der mehrfach ungesättigten Fettsäuren ist auf rund 10 % begrenzt (Tab. 2). Transfettsäuren, die vor allem in fettreichen Backwaren und Fertigprodukten vorkommen, korrelieren mit einem deutlich gesteigerten kardiovaskulären Risiko.11 Die mit der Nahrung zugeführte Cholesterinmenge sollte weniger als 300 mg pro Tag betragen.1, 2

 

 

Low-Fat-Diätformen beinhalten generell die Empfehlung einer Begrenzung der Fettzufuhr auf unter 30 % der täglichen Gesamtenergiezufuhr12, häufig verbunden mit einem erhöhten Kohlenhydratanteil. In Bezug auf die metabolischen Effekte bei Patienten mit Diabetes mellitus ist für die Kohlenhydratzufuhr vor allem der glykämische Index, der die glukosesteigernde Wirkung definiert, von Bedeutung.13, 14 Empfohlen wird eine Bevorzugung von Kohlenhydraten mit niedrigem glykämischen Index und eine tägliche Ballaststoffzufuhr von zumindest 25–29 g.2

Komplexe Kohlenhydrate, wenig gesättigte Fette: In Studien über vegetarische bzw. vegane Ernährungsformen mit einem hohen Anteil von Kohlenhydraten fanden sich auch über lange Beobachtungszeiträume günstige kardiometabolische Effekte.15 Die mediterrane Ernährung und auch die Ernährung auf der japanischen Insel Okinawa sind unter anderem durch einen hohen Anteil an komplexen Kohlenhydraten und einen geringen Anteil an gesättigten Fetten gekennzeichnet. Diese Weltregionen sind auch für eine besonders hohe Lebenserwartung bekannt.

Resümee

Die Ernährungsempfehlungen für Diabetiker sollten an die individuelle Situation und die aktuellen Bedürfnisse angepasst werden.
Eine extreme Einsparung von Kohlenhydraten (20–50 g pro Tag) im Rahmen einer ketogenen Diät ist bei Diabetikern – insbesondere bei Insulinmangel – wegen des Risikos einer Ketoazidose als potenziell gefährlich zu einzustufen.

 

 

1 American Diabetes Association, Diabetes Care 2019; 42(Suppl 1):S46–S60
2 Schindler K et al., Wien Klin Wochenschr 2019; 131(Suppl1):54
3 Martinez-Gonzalez MA et al., Clin Nutr 2015; 34:859–867
4 Va Wyk HJ et al., Diabet Med 2016, 33:148–157
5 Saslow LR et al., Nutr Diabetes 2017; 7:304
6 Sainsbury E et al., Diabetes Red Clin Pract 2018; 139:239–252
7 Abbasi J, Interest in the ketogenic diet grows for weight loss and type 2 diabetes. JAMA 2018; 319:215–217
8 Brinkworth GD et al., Am J Clin Nutr 2009; 90:23–32
9 Krebs JD et al., Diabetologia 2012; 55:905–914
10 Tougaard NH et al., BMJ Case Rep 2019; 12:e227515
11 Oomen CM et al., Lancet 2001; 357:746–751
12 Nordmann AJ et al., Arch Intern Med 2006; 166:285–293
13 Va Zuuren EJ et al., Am J Clin Nutr 2018; 108:300–331

14 Papamichou D et al., Nutr Metab Cardiovasc Dis 2019; DOI: 10.1016/j.numecd.2019.02.004. [Epub ahead of print]

15 Brouns F, Eur J Nutr 2018; 57:1301–1312