Gesund im Alter: Muskelkraft erhalten, Nährstoffversorgung sichern

Laut einer im Vorjahr veröffentlichten Studie von Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen Union) schneidet Österreich bei den gesunden Lebensjahren im EU-Vergleich unterdurchschnittlich ab. Frauen verbringen im Schnitt 57,1 gesunde Jahre, Männer 57,0 Jahre. Damit rangiert Österreich auf dem viertletzten beziehungsweise fünftletzten Platz.1 Dies zeigt auf, dass es hinsichtlich Bewusstsein für Lebensstilprävention und Gesundheitsvorsorge im Allgemeinen Luft nach oben gibt – besonders vor dem Hintergrund einer in den vergangenen Jahrzehnten steigenden Lebenserwartung.2

Bewegung, Ausdauer und Muskelkraft

Die durchschnittliche maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max, Bruttokriterium der Ausdauerleistungsfähigkeit) beträgt im mittleren Alter 35–45 ml/kg/min. Ab dem 40. Lebensjahr nimmt sie um 10 % pro Dekade ab, das heißt mit 80 Jahren liegt VO2max nur noch bei 21–27 ml/kg/min. Die Kraftleistungsfähigkeit sinkt in ähnlichen Dimensionen. Ab dem 50. Lebensjahr nimmt die Muskelmasse um 1–2 % und die Muskelkraft um rund 1,5 % ab. In der achten Lebensdekade sinkt die Muskelkraft sogar um 3 % jährlich. Neben genetischen Faktoren, Entzündungsprozessen und einer verminderten postprandialen Synthese von Proteinen scheint bei dieser Entwicklung auch eine unzureichende Versorgung mit Makro- und Mikronährstoffen eine Rolle zu spielen.3 Um die Abbauvorgänge zu verlangsamen, ist regelmäßige körperliche Aktivität notwendig. Studien zeigen, dass der Körper bis ins hohe Alter auf Trainingsreize anspricht. Ein Vergleich zwischen Athleten mit einem Durchschnittsalter von 69 Jahren und einer untrainierten Kontrollgruppe (Probanden im Schnitt 74 Jahre alt) zeigte nach Krafttrainingsreizen, dass sich die beiden Gruppen nicht in ihrer Kapazität zur Muskelproteinsynthese unterschieden.4 Insgesamt zeigen Untersuchungen, dass es bei alten Menschen möglich ist, die Muskelkraft und -qualität signifikant zu steigern, ohne dass sich dabei die Muskelmasse markant erhöht.3

In den österreichischen Empfehlungen für gesundheitswirksame Bewegung wird älteren Menschen dazu geraten, jede Gelegenheit zu nutzen, körperlich aktiv zu sein. Pro Woche werden mindestens 150 Minuten Bewegung mittlerer Intensität oder 75 Minuten höherer Intensität oder eine Kombination aus beidem empfohlen. Als „höhere Intensität“ wird eine starke Steigerung der Atmung und Herzfrequenz definiert. Untrainierte und Personen mit kardiovaskulären Risikofaktoren sollten Bewegung mit höherer Intensität jedoch nur unter Anleitung durchführen und ärztlich abklären. Idealerweise wird die Aktivität auf mehrere Tage der Woche verteilt, und es wird empfohlen, den Bewegungsumfang schrittweise auf 300 Minuten pro Woche auszuweiten. An zwei oder mehr Tagen der Woche sollten muskelkräftigende Bewegungen durchgeführt werden, bei denen alle großen Muskelgruppen beansprucht werden.5

Besonders dem Training der Muskelkraft sollte großes Augenmerk geschenkt werden. Die Muskelkraft hat erheblichen Einfluss auf die Reduktion des Sturzrisikos und steht in Zusammenhang mit reduzierter Mortalität.3

Nährstoffversorgung und nährstoffdichte Lebensmittel

Während der Energiebedarf im Alter etwas sinkt, bleibt der Nährstoffbedarf gleich und steigt sogar zum Teil. Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte (hochwertige Pflanzenöle, fein gemahlene Vollkornerzeugnisse, fettarme Milchprodukte, mageres Geflügelfleisch, Fisch, Nüsse) sind daher eine gute Wahl.3

Einer ausreichenden hochwertigen Eiweißzufuhr und – damit verbunden – einer guten Versorgung mit Aminosäuren kommt eine wichtige Rolle zu. Studien haben ergeben, dass der Proteinbedarf im Alter gemessen an der Gesamtenergiezufuhr erhöht ist, um den Verlust von Muskelmasse und Muskelkraft zu verhindern. Weiters zeigen Untersuchungen bei älteren Menschen eine geringere Muskelproteinsyntheserate nach der Zufuhr von 20 g Eiweiß im Vergleich zu jüngeren.6 Ernährungsfachgesellschaften haben für Menschen ab 65 Jahre eine Zufuhrempfehlung von 1,0 g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht abgegeben (Normwert für Erwachsene: 0,8 g/kg KG), um derartigen Erkenntnissen Rechnung zu tragen.7

Aufgrund des häufig unzureichenden Ernährungsstatus und des hohen Risikos für arzneimittelinduzierte Störungen des Mikronährstoffhaushaltes sind ältere Menschen eine gefährdete Personengruppe. Appetitlosigkeit und Fehlernährung durch geringe Kochfreudigkeit und depressive Verstimmungen/Depressionen können den Status aller Mikronährstoffe beeinträchtigen. Gleiches gilt bei Veränderungen des Zahnstatus und bei Kau- und Schluckbeschwerden. Die Abnahme der Hautdicke sowie ein geringerer 7-Dehydrocholesterolgehalt der Haut führen zu einem Abfall der körpereigenen Vitamin-D-Produktion um bis zu 50 %. Fleischarme Ernährung kann den Status von Eisen, Zink, Selen, Vitamin B12 und Vitamin B1 beeinträchtigen. Sub- und Anazidität des Magens sowie eine unzureichende Bildung von Magensaft gefährdet die Versorgung mit Vitamin B12, Folsäure, Kalzium, Eisen und Zink. Hinzu kommt der Einfluss chronischer Erkrankungen auf den Nährstoffstatus.8 Studien aus Deutschland (GISELA-Studie, Bonner Seniorenstudie) zeigen für selbständig zu Hause lebende Senioren eine unzureichende Versorgung mit Kalzium, Folsäure, Vitamin D und auch mit Ballaststoffen.9

Das Geschmacks- und Durstempfinden lässt im Alter nach. Um zu verhindern, dass die Speisen zwecks Kompensation mehr gezuckert oder gesalzen werden, sollten reichlich Kräuter und Gewürze in der Küche verwendet werden. Die Flüssigkeitszufuhr beträgt idealerweise mindestens 1,5 Liter pro Tag. Eine geringere Aufnahme kann die Aufmerksamkeit verringern und die Leistungsfähigkeit des Gehirns insgesamt einschränken. Trinkpläne, fertig bereitgestellte Rationen für Halbtage oder Timer für Erinnerungen, ein Glas Wasser oder Saft zu trinken, sind empfehlenswert.10

Abbauprozesse verlangsamen

Um Abbauprozessen im Alter entgegenzuwirken, wird in der Forschung nach Substanzen und Kostformen gesucht, welche die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit möglichst lange erhalten sollen. Als Beispiel hierfür dient die mediterrane Kost, die sich laut einem Review aus dem Jahr 2016 vorteilhaft auf kognitive Funktionen im Alter auswirkt. Auch Grünteeextrakte, Carotinoide und Vitamin D sollen den kognitiven Abfall bremsen.11 Ein Schlüssel zur Verlangsamung der Zellalterung ist das Konzept der Autophagie, also die Fähigkeit von Zellen, nicht mehr verwertbare Bestandteile aufzuarbeiten und gewissermaßen zu recyceln.12 Die Autophagie wird durch Bewegung und bestimmte Nahrungsinhaltsstoffe wie Spermidin (enthalten in Weizenkeimen, gereiftem Käse, Erbsen, Äpfel, Nüssen, Pilzen) angeregt.13 Auch kontrolliertes Fasten zählt dazu – ob eine Fastenkur im Alter im individuellen Fall jedoch sinnvoll ist, obliegt einer ärztlichen Abklärung.

 

Literatur:

1 OTS, 5. 2. 2019: „Gesunde Lebensjahre“: Prävention in Österreich mit Aufholbedarf. Auf: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20190205_OTS0092/gesunde-lebensjahre-praevention-in-oesterreich-mit-aufholbedarf

2 Fonds Gesundes Österreich, 19. 6. 2018

3 Prüller-Strasser B, Muskeltraining und Ernährung im Alter: Es ist nie zu spät! Nutrition-News 1/2020

4 McKendry J, Shad BJ, Smeuninx B et al., Comparable results of integrated myofibrillar protein synthesis between endurance-trained master athletes and untrained older individuals. Front Physiol 2019; 10:1084

5 Bachl N, Bauer R, Dorner TE et al., Österreichische Empfehlungen für gesundheitswirksame Bewegung. Fonds Gesundes Österreich 2012

6 Robinson SM, Reginster JY, Rizzoli R et al., Does nutrition play a role in the prevention and management of sarcopenia? Clin Nutr. 2018 Aug; 37(4):1121–1132. DOI: 10.1016/j.clnu.2017.08.016

7 Deutsche Gesellschaft für Ernährung, 2017

8 Gröber U, Arzneimittel und Mikronährstoffe, 3. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2014

9 Küpper C, Mangelernährung im Alter. ErnährungsUmschau 4/2010

10 Lobitz R, Gesund im Alter: Richtig bewegen, essen und trinken. Ernährung im Fokus 5–6/2018

11 Rakesh G, Szabo ST, Alexopoulos GS et al., Strategies for dementia prevention: latest evidence and implications. Ther Adv Chronic Dis 2017; 8(8–9):121–136

12 Eckert N, Medizin-Nobelpreis 2016 geht nach Japan – Zellbiologe Yoshinori Ohsumi für Erforschung der Autophagie ausgezeichnet. Medscape 2016

13 Heidegger D, Neue Studie: Spermidinreiche Ernährung hält den Menschen länger jung. Medizinische Universität Innsbruck 2018