Evidenzbasierte Therapien einer stigmatisierten Erkrankung

Zur Klassifizierung des Körpergewichtes wird immer noch der BMI verwendet, der jedoch weder Auskunft über den Muskel- und Fettanteil noch über den Gesundheitsstatus gibt. Ab einem BMI von 25 spricht man von Übergewicht, das als Risikofaktor für bestimmte Krankheiten gilt. Ab einem Wert von 30 spricht man von der als Erkrankung anerkannten Adipositas, die in 3 Schweregrade unterteilt wird. Adipositas ist sowohl ein eigenständiges Krankheitsbild als auch ein Risikofaktor für viele chronische, nichtübertragbare Krankheiten.1 2019 ermittelte die Statistik Austria, dass in Österreich 34,5 % der Personen im Alter über 15 Jahre Übergewicht und 16,6 % der Personen Adipositas haben.2 Die Tendenz ist aufgrund des heutigen Lebensstils mit schneller, hochkalorischer Energiezufuhr und Bewegungsmangel steigend.1

Stigmatisierung im Alltag

Personen mit Übergewicht oder Adipositas sind oft mit Vorurteilen konfrontiert. Der soziale Druck und die gewichtsbezogene Diskrimination führen – vor allem bei Frauen mit Adipositas – zu einem erhöhten Risiko für Depression. Während der Ausbildung von Gesundheitsberufen sollte über gewichtsbezogene Stigmatisierung aufgeklärt werden, um einen respektvollen Umgang mit Menschen mit Adipositas zu gewährleisten und einer Unter- oder Fehlversorgung entgegenzuwirken.1

Behandlung der Adipositas

Übergewicht und Adipositas sind mit hohen gesundheitlichen Risiken der Betroffenen und hohen Kosten für das Gesundheitssystem verbunden. Eine Behandlung ist indiziert, wenn der BMI über 25 liegt und gleichzeitig übergewichtsbedingte Gesundheitsstörungen, stammbetonte Fettverteilung, durch Übergewicht verschlimmerte Erkrankungen oder hoher psychosozialer Leidensdruck vorliegen – oder wenn der BMI über 30 liegt. Als Ziele werden eine langfristige Gewichtsreduktion, eine Reduktion gewichtsassoziierter Risiken und Komorbiditäten, eine Vermeidung von Arbeitsunfähigkeit und vorzeitiger Berentung sowie eine Lebensqualitätssteigerung definiert.1

Diätmanagement

Ein Grundpfeiler der Behandlung von Übergewicht und Adipositas ist die Ernährungstherapie, die individuell an die Lebenssituation, das Risikoprofil und die Therapieziele angepasst werden sollte. Extrem einseitige Diäten sollen aufgrund gesundheitlicher Risiken und ausbleibenden Langzeiterfolges vermieden werden. Eine ausgewogene Ernährung mit Ballaststoffen, Vitaminen, Mineralstoffen und Probiotika trägt zur gesunden Funktion des Körpers bei. Deshalb empfiehlt die Leitlinie eine weniger restriktive Ernährungsumstellung auf vegane, vegetarische oder mediterrane Diäten, die sich vor allem auf natürliche, wenig verarbeitete Nahrungsmittel stützen. Auch eine reduzierte Fett- oder Kohlenhydratzufuhr sowie intermittierendes Fasten oder Mahlzeitersatztherapien können Erfolge zeigen. Unterstützend sind 30 bis 60 Minuten tägliche körperliche Aktivität empfohlen. Als Motivation soll Betroffenen nicht die bloße Gewichtsreduktion genannt werden, sondern die metabolischen, kardiovaskulären und psychosozialen Vorteile von regelmäßiger Bewegung. Für die langfristige Umsetzung der Maßnahmen sollen realistische Ziele gesetzt und ein stufenweises Vorgehen angesetzt werden. Erst wenn Ernährungs-, Bewegungs- oder Verhaltenstherapie keine ausreichende Wirkung zeigen, wird eine medikamentöse Therapie erwogen.1