Brustkrebs ist europaweit auf dem Vormarsch. Ein Vergleich zeigt, wie andere Länder mit der Herausforderung umgehen – und was Österreich davon lernen kann.
Die Zahl der Brustkrebserkrankungen nimmt in vielen europäischen Ländern zu. Dies stellt auch das vorwiegend krankenhauszentrierte Versorgungssystem in Österreich vor große Herausforderungen – insbesondere durch steigende Kosten und ineffiziente Ressourcennutzung. Ein aktueller Bericht der Austrian Health Technology Assessment GmbH (AIHTA) vergleicht die Brustkrebsversorgung in sechs europäischen Ländern – Österreich, Deutschland, Dänemark, Schweden, den Niederlanden und Belgien. Das Fazit: Jedes System bietet Vor- und Nachteile. Um den Anforderungen einer modernen Onkologie gerecht zu werden, ist eine sektorübergreifende Neuausrichtung der Krebsversorgung mit Fokus auf Digitalisierung notwendig.
Eine Prognose der Statistik Austria im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (BMASGK) sagt eine weitere kontinuierliche Zunahme der Krebsprävalenz voraus. Bis zum Jahr 2030 wird erwartet, dass die Anzahl der Krebsfälle im Vergleich zu 2014 um 39 % steigen wird. Dies würde im Jahr 2030 zu 457.700 Krebspatient:innen führen, was 4,9 % der prognostizierten Bevölkerung entspricht. Brustkrebs stellt mit 28 % die häufigste Krebsart bei Frauen dar.
In allen Ländern gibt es etablierte Screening-Programme für Frauen, vorwiegend zwischen 40 und 75 Jahren. Diagnosen erfolgen meist über Spitalsambulanzen oder externe Labore. Biopsien und bildgebende Verfahren sind überwiegend im stationären oder ambulanten Bereich angesiedelt. In der Therapieplanung dominieren multidisziplinäre Tumorboards, meist in Spitalsambulanzen. Strahlentherapie wird fast ausschließlich ambulant durchgeführt, während medikamentöse Tumortherapien zunehmend auch in Praxen oder als Home Treatment angeboten werden. Nur in Schweden erfolgen Brustkrebsoperationen ausschließlich ambulant. Die psychoonkologische Betreuung und klinische Sozialarbeit erfolgen meist in Spitalsambulanzen oder in einer flexiblen Mischform aus ambulanter, stationärer und häuslicher Versorgung. Nachsorge und Palliativversorgung variieren hingegen stark, Home Treatment ist nicht in jedem Land gang und gäbe.
Die Analyse identifiziert drei Modelle: ein zentralisiertes Fachärzt:innenmodell (AT, BE, DK), indem die Versorgung in spezialisierten, zertifizierten Zentren mit klaren Qualitätsstandards erfolgt. Hier zeigte sich ein schlechterer Zugang in ländlichen Regionen. Das zweite, deutsche Modell beschreibt eine dezentralisierte Versorgung, bei der viele Krankenhäuser mit Zertifizierung wohnortnahe Versorgung bieten – vorteilhaft für die Erreichbarkeit, aber stark abhängig von einer effektiven Koordination. Als drittes Modell (NL, SE) ergibt sich eine netzwerkbasierte integrierte Versorgung. Bei dieser Kombination aus Spezialisierung und regionaler Versorgung sind Flexibilität, interdisziplinäre Zusammenarbeit und eine abgestufte Versorgung zentral.
Österreich zählt zu den Ländern mit zentralisierter Versorgung. Diese bietet zwar hohe Qualität, doch der steigende Bedarf erfordert neue Lösungen. Der Bericht empfiehlt, ambulante Strukturen und Home Treatment auszubauen – etwa durch pflegekräftegeführte Modelle oder sektorübergreifende Netzwerke. Eine stärkere Einbindung der extramuralen Versorgung könnte Spitalsressourcen entlasten und die Autonomie der Patient:innen stärken. Ein zentrales Hindernis für die Ausweitung ambulanter und häuslicher Versorgung ist der Fachkräftemangel, insbesondere bei spezialisierten Pflegekräften. Gleichzeitig fehlen oft durchgängige elektronische Patient:innenakten über Sektorgrenzen hinweg – ein Problem, das die Koordination erheblich erschwert. Die Entwicklung interoperabler Systeme ist daher entscheidend für den Erfolg neuer Versorgungsmodelle, heißt es in dem Bericht.
Keines der analysierten Systeme ist perfekt – doch alle untersuchten Länder streben danach, Qualität, Erreichbarkeit und Effizienz in Einklang zu bringen. Netzwerkbasierte Modelle mit flexibler Steuerung und interdisziplinärer Zusammenarbeit zeigen dabei großes Potenzial. Für Österreich könnte ein integrierter Ansatz, der stationäre, ambulante und häusliche Versorgung sinnvoll verknüpft, der Weg in eine nachhaltige Zukunft der Krebsversorgung sein. Langfristig hängt der Erfolg jedoch von zwei Faktoren ab: qualifiziertem Personal und funktionierenden digitalen Schnittstellen. Nur wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, kann die Brustkrebsversorgung zukunftsfähig und patient:innenzentriert gestaltet werden – über alle Versorgungssektoren hinweg. (red)