© Nelly – stock.adobe.com Neue Daten zeigen, dass junge Ärzt:innen sehr wohl vermehrt im öffentlichen Kassensystem arbeiten. Statt der diskutierten „Arbeitspflicht“ ist es nötig, Ärzt:innen im System zu halten.
Im Alter von 45 bis 55 Jahren ist für viele Kassenärzt:innen Schluss mit der Arbeit im Kassen-Gesundheitssystem. Sie verlassen es und eröffnen eine Wahlarztordination, um in ihren späteren Jahren im Beruf dort statt in der Kassenordination oder im öffentlichen Spital Patient:innen zu versorgen. Das geht aus neuen Daten der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) hervor, die RELATUS MED und der Ärzte Krone exklusiv vorliegen. Die Daten zeigen auch, dass junge Ärzt:innen im Alter von 30 bis 35 Jahren heute entgegen der aktuellen Debatte sogar vermehrt in das Kassen-Gesundheitssystem gehen: Aktuell, 2025, sind dort doppelt bis dreimal so viele beschäftigt als 2011.
Da erscheint eine Verpflichtung, nach dem Medizinstudium eine Zeit lang im öffentlichen Gesundheitssystem und mit Kassenvertrag zu arbeiten, überflüssig. Zuletzt war eine solche „Arbeitspflicht“ von SPÖ-Chef Andreas Babler gefordert worden, um die bundesweit 300 unbesetzten Kassenärzt:innen-Stellen besetzen zu können und die Patient:innenversorgung durch Kassenärzt:innen zu sichern. Davor hatte Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) wie berichtet von einer Verpflichtung gesprochen und gemeint, wer kostenlos an einer öffentlichen Medizinischen Universität studiert habe, solle diese als „solidarischen Beitrag“ sehen, der im Gegenzug zu leisten sei. Sowohl Holzleitner als auch Babler ernteten reichlich Kritik für ihre Forderungen. Dies nicht nur von der politischen Gegenseite, sondern auch aus eigenen SPÖ-Reihen und in den Sozialen Medien.
Die neuen Daten zeigen: Österreich hat kein Problem mit zu wenigen jungen Ärzt:innen, die ins Kassen-System gehen wollen, sondern mit unattraktiven Arbeitsbedingungen, besonders im ländlichen Bereich. Es gilt also, Maßnahmen zu setzen, die junge Ärzt:innen entlasten und ihre Arbeit als Kassenärzt:innen gern machen lassen. Dies, damit sie nicht so wie jetzt ihre nun 45- bis 55 Jahre alten Berufskolleg:innen nach 15 bis 25 Jahren Arbeit als Kassenärzt:innen genug davon haben, einen Schlussstrich ziehen, das öffentliche Gesundheitssystem verlassen und Wahlärzt:innen werden. Denn das würde deren Zahl in den Jahren 2040 bis 2050 noch einmal steigen lassen. Allein zwischen 2015 und 2025 erhöhte sich diese nach Daten der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) von rund 9300 auf fast 11.800, also um rund 2500. Die vorliegenden Zahlen der ÖGK zeigen, dass diese Zahl jener Menge entspricht, die heute bei den Vertragsärzt:innen fehlen.
ÖGK-Vertragsärzt:innen

8300 Ärzt:innen sind derzeit bundesweit mit Kassen-Vertrag tätig. Der Großteil versorgt Patient:innen auf der Basis eines Vertrags mit der ÖGK. Die übrigen Kassenärzt:innen haben einen Vertrag mit kleinen Kassen wie der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) oder der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahner und Bergbau (BVAEB). Durch den ganz ohne Zwang und Verpflichtungen verstärkten Gang der jungen Ärzt:innen in das Kassen-System ist ihre Zahl nach einem Einbruch um die Jahre 2020 und 2021 wieder gleich hoch wie vor zehn Jahren, 2015. Dass die Rahmenbedingungen, unter denen sie arbeiten, geändert gehören, damit auch künftig genug Jungärzt:innen Kassenärzt:innen werden und auch Kassenärzt:innen bleiben, merkt nicht nur die ÖH Med Wien an. In Anbetracht der aktuell und bundesweit 300 teils von nunmehrigen Wahlärzt:innen verlassenen und unbesetzten Kassenstellen betont das auch immer wieder die Österreichische Ärztekammer ÖÄK.
„Das Problem des Kassenärztemangels muss im Sinn der Patient:innen an der Wurzel gepackt und konstruktiv bearbeitet werden“, heißt es in einer kürzlich vom ÖÄK-Vorstand um ÖÄK-Präsident Johannes Steinhart und die Vizepräsidenten Harald Mayer und Edgar Wutscher verabschiedeten Resolution. Weiter heißt es darin: „Damit die Gesundheitskasse ihrem Versorgungsauftrag nachkommen kann, braucht das öffentliche Gesundheitssystem in Österreich eine nachhaltige Verbesserung der ärztlichen Arbeitsbedingungen.“ Die Politik sei gefordert, für diese Verbesserung zu sorgen, und zwar unter Einbindung der Ärzteschaft. (sst)