Die Beurteilung des TSH-Wertes stellt einen wichtigen Bestandteil der Schwangerenbetreuung dar. Auch wenn ein generelles TSH-Screening nicht empfohlen wird, empfehlen wir ein gezieltes Screening beim Vorliegen von Risikofaktoren, wie beispielsweise nach Schilddrüsenoperation oder Radiojodtherapie, bei bestehenden Autoimmunerkrankungen wie einem Diabetes mellitus Typ I, Fertilitätsproblemen sowie habituellen Aborten oder dem Vorliegen einer Struma.
Durch die hormonelle Umstellung verändern sich auch die physiologischen Werte der Schilddrüsenhormone. Wenn keine populationsspezifischen Referenzwerte verfügbar sind, sollte dem mittels trimesterspezifischer Referenzbereiche Rechnung getragen werden:
Bei manifester oder latenter Hypothyreose sollte eine Schwangerschaft erst nach Erreichen einer Euthyreose geplant werden, da ansonsten ein höheres Risiko für Fehl- oder Frühgeburtlichkeit sowie kindliche Entwicklungsstörungen besteht.
Wird die Hypothyreose erstmals während einer bestehenden Schwangerschaft diagnostiziert, besteht in jedem Fall eine Therapieindikation.
Bei Frauen, die bereits eine L-Thyroxin-Therapie erhalten und schwanger werden möchten, sollte der TSH-Wert präkonzeptionell auf unter 2,5 mIU/l eingestellt werden. Da der Hormonbedarf in der Schwangerschaft um 20–30 % ansteigt, ist in der Regel eine Dosiserhöhung erforderlich.
Bei latenter Hypothyreose und Kinderwunsch wird die Datenlage zur Fertilität in der Literatur kontrovers diskutiert. Mehrere Studien und Metaanalysen legen allerdings nahe, dass eine LT4-Therapie das Risiko für Spontanaborte reduzieren kann. Vor diesem Hintergrund wird in den Leitlinien bei einem Kinderwunsch ohne assistierte Reproduktionsmedizin und einem TSH zwischen 4 und 10 mIU/l empfohlen, eine niedrigdosierte LT4-Therapie zu erwägen, was auch der gängigen klinischen Praxis entspricht. Insbesondere bei Frauen, die assistierte Reproduktionsmedizin nutzen, sollte bei jeder TSH-Erhöhung (>4mIU/ml) immer eine LT4-Therapie eingeleitet werden, da Studien hier eine Reduktion der Aborte zeigten.
Wird in der Schwangerschaft ein TSH zwischen 2,5 und 4 mIU/l festgestellt, so kann bei der Entscheidung, ob eine LT4-Therapie begonnen werden soll, die Bestimmung der TPO-AK wegweisend sein: Bei positivem Antikörperstatus soll eine Hormonsubstitution angestrebt werden, während bei negativen TPO-AK lediglich eine relative Indikation zur Substitution besteht.
Der TSH-Zielwert unter LT4-Therapie sollte im jeweiligen trimesterspezifischen Normbereich liegen, wobei viele Expert:innen ein TSH < 2,5 mIU/l anstreben. Bei behandelten Frauen sowie bei TPO-AK-positiven Frauen ohne Therapie wird zumindest bis zur Mitte der Schwangerschaft eine Kontrolle der Schilddrüsenhormone ca. alle 4–6 Wochen empfohlen.
Postpartale Anpassung: Nach Beendigung der Schwangerschaft und Stillzeit muss die Substitutionsdosis zumeist wieder auf ein niedrigeres, in der Regel auf das vor der Schwangerschaft passende Niveau zurückgesetzt werden. Eine erneute Kontrolle und Dosisanpassung sind notwendig. Eine Bestimmung der Schilddrüsenhormone wird 4–12 Wochen postpartal empfohlen.
Bei TPO-AK-positiven Frauen besteht ein erhöhtes Risiko für eine Postpartum-Thyreoiditis, die 2–6 Monate postpartal auftreten kann – oft mit transienter (meist asymptomatischer) hyperthyreoter Phase, gefolgt von einer klinisch relevanten hypothyreoten Phase. Daher ist bei TPO-AK-positiven Frauen eine Kontrolle ca. 2 Monate postpartal sinnvoll.
Merke: Eine ausgeglichene Stoffwechsellage ist besonders während des 1. Trimesters während der Organogenese unumgänglich. Sowohl eine Über- als auch Unterbehandlung der Hypothyreose können speziell die Entwicklung des ZNS negativ beeinflussen.
In der Schwangerschaft sind die häufigsten Ursachen einer Hyperthyreose der Morbus Basedow und die im frühen 1. Trimenon durch hohe hCG-Spiegel ausgelöste transiente Gestationshyperthyreose. Diese ist häufig mit einer Hyperemesis gravidarum assoziiert, bedarf keiner spezifischen Therapie und normalisiert sich meist bis zur 16.–18. Schwangerschaftswoche spontan.
Differenzialdiagnostisch ist hierbei das Vorliegen von TSH-Rezeptor-Antikörpern (TRAK) beim Morbus Basedow wegweisend, zusätzlich kann die Sonografie zur Unterscheidung wichtige Hinweise liefern. Seltenere Ursachen wie eine Hyperthyreose durch Schilddrüsenzellzerfall (z. B. im Rahmen einer Thyreoiditis), autonome Adenome oder iatrogene Hyperthyreosen sind in der Schwangerschaft deutlich seltener und werden daher hier nicht weiter besprochen.
Beim Vorliegen eines floriden Morbus Basedow sollte von einer Schwangerschaft dringend abgeraten werden, sowohl aufgrund des teratogenen Risikos der Hyperthyreose selbst als auch wegen möglicher Nebenwirkungen einer thyreostatischen Therapie.
Bei bestehendem Kinderwunsch ist daher eine definitive Sanierung, vorzugsweise durch Thyreoidektomie, anzustreben. Ist eine operative Therapie nicht möglich oder nicht gewünscht, kann im Einzelfall auch eine Radiojodtherapie erwogen werden; dabei ist allerdings zu beachten, dass zwischen der Radiojodtherapie und einer geplanten Schwangerschaft ein Abstand von mindestens 6 Monaten eingehalten werden sollte.
Anders ist es, wenn ein Morbus Basedow erstmals in der Schwangerschaft auftritt: In diesem Fall ist eine thyreostatische Therapie notwendig. Im Unterschied zur Behandlung Nichtschwangerer sollte aber die Dosierung der Thyreostatika so gewählt werden, dass das fT4 im oberen Normbereich liegt. Eine iatrogene Hypothyreose ist unbedingt zu vermeiden. Bei der Therapie ist zudem diepotenzielleFetotoxizität zu berücksichtigen, da Thyreostatika plazentagängig sind.
Grundsätzlich stehen 2 Thyreostatika zur Verfügung: Propylthiouracil (PTU) und Thiamazol (TMZ, alternativ Carbimazol). Im 1.Trimenon ist PTU das Mittel der Wahl, da es ein geringeres fetotoxisches Risiko (z. B. für kongenitale Fehlbildungen) aufweist. Ab dem 2. Trimenon sollte aufgrund des erhöhten Risikos einer Hepatotoxizität von PTU ein Wechsel auf TMZ erfolgen.
Ziel der Therapie ist es, die Thyreostatika-Dosis auf dem niedrigstmöglichen wirksamen Niveau zu halten, um sowohl eine ausreichende Kontrolle der Hyperthyreose als auch ein möglichst geringes fetotoxisches Risiko zu gewährleisten. Sollte eine thyreotoxische Hyperthyreose unter optimaler thyreostatischer Therapie nicht ausreichend kontrollierbar sein, bleibt als Ultima Ratio die (notfallmäßige) Thyreoidektomie, vorzugsweise nach Abschluss der Organogenese im 2. Trimenon. Eine Radiojodtherapie ist in der Schwangerschaft absolut kontraindiziert.
Wichtig: Die thyreostatische Behandlung in der Schwangerschaft sollte unbedingt in den Händen von Thyreolog:innen mit ausreichender Erfahrung und unter engmaschiger Kontrolle erfolgen.