Ärztliche Fortbildung (DFP!), quo vadis?

Das Diplom-Fortbildungs-Programm der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) existiert seit 1995 und wird seit 2001 von der Österreichischen Akademie der Ärzte GmbH betreut.
Dieses Programm wurde in dieser Zeit kontinuierlich weiterentwickelt, und die Bedingungen wurden dementsprechend definiert. Das Programm soll sicherstellen, dass die qualitätsgesicherte ärztliche Fortbildung gemäß den gesetzlichen Vorgaben gewährleistet ist.
Zur Gewährleistung der fachlichen Qualität und inhaltlichen Unabhängigkeit müssen Veranstaltungen für die Anerkennung als DFP-Fortbildung bei der Österreichischen Akademie der Ärzte unter Angabe des Sponsors eingereicht und dort akkreditiert werden. Zur Reduktion des bürokratischen Aufwandes und zur Beschleunigung der Anrechnungsverfahren wurden sogenannte „Fortbildungsanbieter“ für DFP-Veranstaltungen „eingeführt“.
So wurde meines Wissens nach festgelegt, dass die jeweiligen Primarärzt:innen klinischer Abteilungen und Institute als DFP-Fortbildungsanbieter:innen fungieren sollen, wobei als DFP-Anbieter offiziell der Name der jeweiligen Abteilung und nicht der Name des/der jeweiligen Primarärzt:in genannt ist. Nun ist es so, dass eine Spitalsabteilung „per se“ weder eine ärztliche Fortbildungsveranstaltung anbieten noch akkreditieren kann, sondern lediglich die jeweilige Leitungsperson mit der prinzipiell vorhandenen bzw. zugeschriebenen ärztlichen Kompetenz. Weiters muss ja auch der Träger der jeweiligen Krankenanstalt mit der Funktion eines/einer DFP-Fortbildungsveranstalter:in einverstanden sein, da sonst die Leiter:innen der jeweiligen Abteilungen nicht in diesem Sinne agieren können. Zudem ist jegliche Funktion eines/einer „Dienstleister:in“ – wie der Name ja schon sagt – mit einer zu erbringenden Leistung assoziiert, für die Spitalsabteilungen im Regelfall nicht ausgestattet sind. So war es bereits bisher üblich, dass Einladungen, Programme und Ankündigungen für DFP-Veranstaltungen im Bereich der Fortbildungsanbieter:innen erstellt und gegebenenfalls (zumeist elektronisch) übermittelt wurden.
Weiters mussten die entsprechenden DFP-Fortbildungen im DFP-Kalender eingetragen und administriert, sowie die Teilnehmerlisten nach durchgeführter Veranstaltung in das entsprechende DFP-Ärzteregister eingetragen werden.

Was nun geschieht

Mit Beschluss vom 14. 9. 2022 trat ein gemeinsames Positionspapier „Erfolgsfaktoren unabhängiger DFP-approbierter Fortbildung für Ärzt:innen“ in Kraft, das von den zuständigen Vorständen der PHARMIG – Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs und der Österreichischen Ärztekammer beschlossen wurde. Laut diesem Papier seien im Rahmen einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zwischen Österreichischer Ärztekammer, Österreichischer Akademie der Ärzte und PHARMIG zwei besonders zentrale Kriterien herausgearbeitet worden, die eine „rechtskonforme“ und für alle beteiligten Partner:innen „pragmatische“ Umsetzung unabhängiger Ärzte-Fortbildung sicherstellen (bzw. sicherstellen sollen; Anmerkung des Verfassers). Für mich persönlich, einerseits als klinisch tätiger Arzt mit DFP-Fortbildungsverpflichtung und andererseits als verantwortliche Person meiner Abteilung für die Funktion eines DFP-Fortbildungsanbieters, sind die in diesem Papier vorgeschlagenen Vorgangsweisen fraglich rechtskonform und sicherlich nicht pragmatisch.

Administrativer Aufwand

Wie oben beschrieben, ist die Funktion des/der „DFP-Fortbildungsanbieter:in“ nicht adäquat definiert bzw. ausverhandelt. In der Praxis ist es quasi nicht oder nur sehr schwer möglich, dass eine Spitalsabteilung bzw. eine Person, die als Bezirksärztevertreter:in im Rahmen der Fortbildung agiert, jegliche organisatorische Vorleistung für eine ärztliche Fortbildungsveranstaltung übernimmt. Dies betrifft konkret die Vorbuchung bzw. Reservierung für geeignete Lokalitäten, inklusive allfälliger finanzieller Vorleistung oder Ausfallshaftung bei bestellten Leistungen (z. B. Verpflegung), und technische Unterstützung (für Akustik, Projektion und gegebenenfalls Aufzeichnung). Zudem wird der organisatorische Aufwand für das Einladungs-, Anmelde- und DFP-Punkte-Buchungsmanagement im Papier nicht angesprochen.

Finanzielle Gebarung

Als Vorstand einer Abteilung eines öffentlichen Krankenhauses der Stadt Wien kann ich persönlich keine „Sponsor-Verträge“ mit externen Firmen abschließen. Dies könnte nur ein:e unmittelbare:r Vertreter:in des Trägers, allenfalls ein Mitglied der lokalen kollegialen Führung. Letztlich nicht definiert ist auch, was unter die „Sponsorleistung“ fallen darf: Ein Entgelt für den eigenen Administrationsaufwand der jeweiligen Fortbildungsanbieter:innen? Miet- und Gastronomiekosten? Honorarkosten für Referent:innen und allfälliges zusätzlich notwendiges Unterstützungspersonal? Prinzipiell erscheint es schwer denkbar, dass zum Beispiel eine einzelne Spitalsabteilung als Fortbildungsanbieter ein Wochenendseminar mit Nächtigung selbständig ohne Unterstützung organisiert. Falls die Abteilung zu diesem Zwecke eine externe Veranstaltungsagentur beauftragen würde, würden sich die Kosten dementsprechend massiv erhöhen, was sich wiederum in der notwendigen Sponsorsumme im Vertrag zwischen Sponsor und Fortbildungsanbieter niederschlagen würde. Zudem verzerrt dies völlig die Realität, wenn diese im Sponsorvertrag genannte Summe im Rahmen der Offenlegung einem/einer einzelnen Fortbildungsanbieter:in (sei es eine Krankenhausabteilung oder einer Person als Bezirksärztevertreter:in) im Rahmen der geforderten Offenlegung zugerechnet würde. Prinzipiell löst auch die Gründung eines „Fortbildungsvereines“ diese Problematik nicht, da das Problem des anstehenden organisatorischen und administrativen Mehraufwandes nicht gelöst ist und auch eine adäquate Mittelverwendung bzw. -aufteilung ungeklärt bleibt.

Honorierung

Völlig negiert wird im vorliegenden Positionspapier auch das Thema der auflaufenden Honorare für Referent:innen und Autor:innen für die geleistete Arbeit im Rahmen von DFP-Fortbildungen. Im Rahmen der wissenschaftlich-intellektuellen ärztlichen Arbeit und im Rahmen der ärztlichen Aus- und Weiterbildung an den eigenen Abteilungen und Krankenanstalten wird von vielen Ärzt:innen umfangreiche und aufwendige Fort- und Weiterbildungstätigkeit geleistet, ohne jegliche finanzielle Honorierung dafür zu erwarten oder zu erhalten. Die Einladung zu einem Vortrag bei einem wissenschaftlichen nationalen und internationalen Kongress gilt prinzipiell als Ehre und Auszeichnung, die natürlich kostenfrei geleistet wird, ebenso Referententätigkeit im Rahmen der ärztlichen Ausbildung an den jeweiligen Ausbildungsstätten. Für Vortragstätigkeit, die prinzipiell in der jeweiligen Freizeit als Dienstleistung gehalten wird, ist eine entsprechende Honorierung vorzusehen.

Orientiert man sich an der Tarifempfehlung der Österreichischen Ärztekammer für ärztliche Tätigkeit, z. B. im Gutachterwesen außerhalb der gerichtlichen Tarifordnung, sind durchschnittlich 250 Euro pro Arbeitsstunde exklusive Umsatzsteuer anzusetzen. Wird die entsprechende Vorbereitungszeit aufbauend auf die vorhandene Expertise miteingerechnet, so können für einen Vortrag in der Wertigkeit eines DFP-Punktes (ca. 1 Stunde Vortragstätigkeit inklusive Diskussion) etwa 1.000 Euro (exklusive Umsatzsteuer) als Honorar angenommen werden, wobei sich dieses aus einer Stunde Vortragstätigkeit und drei Stunden Vorbereitung zusammensetzt.

Ein Kostenersatz für Zeitversäumnis aufgrund von An- und Abreise bzw. Spesen für Reisen und Unterkunft sind dabei nicht berücksichtigt. Falls ein:e „Fortbildungsanbieter:in“ von einem „Sponsor“ (z. B. Pharma-Firma) eine Unterstützung („Grant“) zur Durchführung einer Fortbildung erhält, müsste auch das Referentenhonorar von dem/der „Fortbildungsanbieter:in“ übernommen werden, was wieder einen eigenen Referentenvertrag und steuerrechtliche Konsequenzen erfordert (z. B. Verrechnung der Umsatzsteuer; Meldung der Referententätigkeit und -honorierung beim Finanzamt durch den/die Auftraggeber:in, also Fortbildungsanbieter:in).

Es ist nicht als realistisch anzunehmen, dass die von der Österreichischen Akademie der Ärzte angebotenen Honorarleistungen von ca. 100–150 Euro pro einstündigem Vortrag inklusive (meist mehrstündiger) Vorbereitungs- und Anreise- bzw. Abreisezeit an einem Samstagnachmittag oder notwendigen Urlaubstag als adäquate Honorierung für ärztliche Leistungen im Sinne der Ärztefortbildung zu sehen sind.

Was ist DFP-würdig?

Etwas eigenartig mutet auch an, dass bei Veranstaltungen, die nur durch einen einzigen Industrie-Sponsor finanziert und organisiert werden, prinzipiell der ganze Fortbildungsinhalt als „DFP unwürdig“ und damit als „nutzlos“ für anrechenbare ärztliche Fortbildung qualifiziert wird. Dies ist umso bedauerlicher, da für die meisten Ärzt:innen die Fortbildungsaktivität in ihrer Freizeit stattfindet und wenn ein halbes Wochenende (seit vielen Jahren ohne jegliches Rahmenprogramm) zur ärztlichen Fortbildung genutzt wird, keine Möglichkeit der Anrechenbarkeit besteht, egal wie qualitäts- und gehaltvoll das gebotene Fortbildungsprogramm auch ist. In gewisser Weise entwertet dieser Zugang sowohl die Urteilsfähigkeit der Zuhörerschaft als auch die gebotene professionelle Objektivität der Vortragenden, die sich doch in den meisten Fällen aus dem Kreise österreichischer Spitzenmediziner:innen rekrutieren. In diesem Zusammenhang ist auch kritisch zu hinterfragen, weshalb medizinisch-wissenschaftliche Kommunikation mit Ärzt:innen von Seiten der pharmazeutischen Industrie und die Vermittlung von Informationen zu neu zugelassenen Arzneimitteln (betreffend korrekte Indikationsstellung und Dosierung bzw. Nebenwirkungsprofil) nicht innerhalb der DFP-relevanten Inhaltsdarbietung stattfinden dürfen, da diese Informationspflicht sowohl die pharmazeutische Industrie als auch die behandelnden Ärzt:innen gleichermaßen trifft. Anscheinend liegt hier die prinzipielle Annahme bzw. der Generalverdacht zugrunde, dass im Rahmen Pharma-(mono-)gesponserter Fortbildung ausschließlich unobjektive Produktwerbung vermittelt wird.

Was in Zukunft passieren kann

Aus meiner Sicht besteht die Gefahr, dass in Zukunft bei Umsetzung dieses Positionspapiers kaum mehr kostenfreie DFP-Veranstaltungen organisiert werden können. Zum Teil werden neue Konstruktionen gebaut, die unter Zwischenschaltung einer externen „For-Profit“-Veranstaltungsagentur ein Sponsoring von (gewünscht zumindest gleichzeitig zwei) Firmen mit einer DFP-Anerkennung ermöglichen. Oder es werden „unabhängige“ Agenturen mit dem „Grant-Geld“ der Pharma-Firmen von Fortbildungsanbieter:innen beauftragt, die geplante Fortbildungsveranstaltung in allen Belangen zu organisieren bzw. zu administrieren.
Diese Zwischenschaltung erhöht die „Overhead“-Kosten der Veranstaltung geschätzt um 30–50 %, meiner Meinung nach aber nicht unbedingt die geforderte Transparenz. Bei der Bereitstellung von ärztlicher (DFP-)Fortbildung ohne jegliche Pharma-Unterstützung dürften Kosten von etwa 100 Euro pro erworbenem Fortbildungspunkt einzurechnen sein, was also einer Belastung von zusätzlichen 5.000 Euro für 50 geforderte DFP-Punkte pro Jahr (ohne jegliche Abdeckung von notwendigen Zusatzspesen) pro Ärzt:in entsprechen würde. Aber vielleicht übernimmt ja die ÖÄK die gesamten Kosten dafür, oder unsere Kammerfunktionär:innen springen als Gratis-Referent:innen bei den DFP-Fortbildungen ein.

Liebe Kolleg:innen, ich stelle diese Gedanken zur Diskussion und bitte um aktive Beiträge und Rückmeldungen!

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Fasching,
Internist in Wien