Akademisierung der Allgemeinmedizin in Österreich

Die Allgemeinmedizin in Österreich, obwohl eine akademische Disziplin mit eigenen Lehrinhalten, Forschung und klinischer Praxis, leidet unter einem Mangel an Ansehen im Vergleich zu anderen medizinischen Fachbereichen.
Dies ist aus meiner Sicht absolut unverständlich, denn zahlreiche Studien zeigen, dass eine hohe Verfügbarkeit an hausärztlicher und kontinuierlicher Versorgung unserer Patient:innen die Versorgungsqualität verbessert und sogar die Sterblichkeit reduziert.

In einer von unserem Grazer Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) kürzlich publizierten Arbeit konnte klar gezeigt werden, dass die Generierung des Nachwuchses durch eine starke Allgemeinmedizin als akademisches Kernfach in Forschung und Lehre mit parallel einhergehenden Praktika in einer hausärztlichen Praxis ein wirksames Mittel gegen den Mangel an Hausärztinnen und Hausärzten ist. Seit einigen Jahren wurden nun endlich allgemeinmedizinische Institute und Lehrstühle an allen Medizinischen Universitäten in Österreich etabliert, was als klares Zeichen für die längst überfällige Akademisierung zu werten ist.

Ein Hauptziel besteht darin, mehr Studierende für das Fach zu begeistern, weshalb eine umfassende und longitudinale Integration allgemeinmedizinischer Lehrinhalte in das Studium angestrebt wird. Zusätzlich verfügen wir am IAMEV nur beispielhaft genannt über weitere attraktive Programme für Studierende und Absolvent:innen, wie die „Allgemeinmedizin, die erste Wahl“ und das „Erweiterungsstudium Allgemeinmedizin“.

Unsere jüngste Errungenschaft ist es nun, für die erste Doktorandin an der Medizinischen Universität Graz ab dem Sommersemester 2024 eine duale Karriereoption in Kooperation mit der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft (KAGES) anzubieten. Ein wichtiges Zeichen, um die Attraktivität des Faches für universitär orientierte Kolleg:innen zu erhöhen!

Am IAMEV in Graz organisieren wir zusätzlich seit Jahren den Österreichischen Primärversorgungskongress. Wie Sie auch in dieser Ausgabe sehen können, findet er diesmal wieder unter dem Motto „Nachhaltige Primärversorgung: Wesentliche Aspekte, Herausforderungen und Chancen für die Zukunft!“ im kommenden September statt. Schmökern Sie in dieser Ausgabe durch das Programm, und beteiligen Sie sich an einem interprofessionellen Umfeld, um über neue Formen der Zusammenarbeit und Möglichkeiten in der Primärversorgung zu diskutieren und sich intensiv auszutauschen.

Wie Sie ebenfalls dieser Ausgabe entnehmen können, bieten wir ab Herbst 2024 einen interprofessionellen Universitätslehrgang Master of Science für Primary Health Care an. Dieser Lehrgang hat zum Ziel, die Professionalisierung durch die Vermittlung vertiefter Kenntnisse und Kompetenzen in den Kernbereichen der Primärversorgung zu steigern.Allgemeinmedizinische Institute fungieren als Drehscheibe und Schnittstelle zwischen den niedergelassenen Hausärzt:innen sowie den weiteren Fachdisziplinen und bemühen sich aktiv um den Aufbau von Forschungspraxen zur Optimierung der Versorgung. Derzeit wird an den unterschiedlichen Instituten ein Forschungsnetzwerk mit Hausärzt:innen aufgebaut, damit zukünftig ausreichend Potenzial für die Durchführung von versorgungsrelevanten Studien in Österreich vorhanden ist. Sollten auch Sie Teil eines Forschungspraxennetzwerkes werden wollen, können Sie sich jederzeit bei einem der universitären Institute melden.

Zu meiner großen Freude haben sich Vertreter:innen der Universitäten mit uns bereits vor Jahren als „Universitäre Allgemeinmedizin Österreich“ verankert. Wir tauschen universitäre Lehrinhalte aus, wir treffen uns regelmäßig unter der Schirmherrschaft der Österreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (ÖGAM) und arbeiten aktuell an einem neuen Lehrbuch für Allgemeinmedizin.

Im folgenden Beitrag von Prof. Jost Steinhäuser können Sie nun einen Blick über die Grenzen nach Deutschland werfen, wo die Akademisierung der Allgemeinmedizin bereits selbstverständlich ist und dennoch stetig an der Zunahme der Qualität in Aus- und Weiterbildung gearbeitet wird.

Ich schließe dieses Editorial mit Zuversicht, denn ich spüre eine positive Aufbruchsstimmung an allen österreichischen Medizinischen Universitäten, was mich hoffnungsvoll stimmt, dass wir auch in Österreich vieles davon erfolgreich umsetzen werden.