Zentrale Struktur auf dem Weg zu einem immer selbstbewussteren Gebiet

Allgemeinmedizin wird von unseren Patient:innen sehr geschätzt.
Das Potenzial von Allgemeinmedizin wird allerdings im berufspolitischen Exkurs nicht selten unterschätzt. In einem Umfeld, in dem vor allem Spezialist:innen Gehör geschenkt wird, ist es möglicherweise schwer vorstellbar, dass tatsächlich 80 % aller Beratungsanlässe abschließend von Allgemeinärzt:innen gelöst werden können.1, 2 Das, was wirklich in den Praxen täglich geleistet wird, ist Allgemeinärzt:innen und ihren Patient:innen zwar bekannt, allerdings ist nicht alles sichtbar, da es (noch) nicht wissenschaftlich aufgearbeitet wurde.

Mehrere Bausteine sind daher nötig, um hier „Aufklärungsarbeit“ zu leisten. Eine Weiterbildung, die zu selbstbewussten Fachärzt:innen für Allgemeinmedizin führt, ist einer davon.
Den Blick von außen auf die Weiterbildung zuzulassen, kann sich in vielfältiger Hinsicht lohnen. So wurde ein Bericht über die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin in Deutschland 2009 zum Ausgangspunkt für eine Vielzahl an studiengeleiteten Verbesserungen, die dazu geführt haben, dass die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin als Vorbild auch für andere Gebiete in Deutschland fungiert.3 Unter anderem wurden studien- und evaluationsbasierte Prozesse in Gang gesetzt, aus denen in der Folge Kompetenzzentren Weiterbildung Allgemeinmedizin (KWA) begründet und politisch ermöglicht werden konnten.

Vor dem Hintergrund des Paragraphs 75a Sozialgesetzbuch V begleiten KWA inzwischen seit über sechs Jahren in vielfältiger Weise die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin. Ziel ist die „Förderung von Qualität und Effizienz“ der allgemeinmedizinischen Weiterbildung. Die überwiegend (sehr) guten Evaluationsergebnisse, die die KWA erzielen, werden jährlich extern erhoben und veröffentlicht.4

Eins dieser KWA ist das Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin Schleswig-Holstein: Es ist ein gemeinsames Projekt der Ärztekammer Schleswig-Holstein, der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein, der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein e. V., des Instituts für ärztliche Qualität in Schleswig-Holstein und der Lehrstühle für Allgemeinmedizin der Universitäten Kiel und Lübeck. Zu den Angeboten des KWA SH gehören aus der Sicht der Ärzt:innen in Weiterbildung (ÄiW) das Durchführen von vier „Schulungstagen“ pro Jahr, das Verwenden des „Kompetenzbasierten Curriculum Allgemeinmedizin“ (KBCAM) sowie ein fakultatives Mentoring-Programm.

Die jeweils ganztägigen, identisch geplanten Schulungstage finden dezentral an zwei Orten im Bundesland statt, es werden so pro Jahr über 200 Seminare von mehr als 30 Dozierenden für aktuell rund 370 ÄiW angeboten. An diesen Tagen werden in einem möglichst interaktiven Format und daher in Kleingruppen bis 25 Teilnehmer:innen hausärztlich relevante Inhalte vermittelt. Dementsprechend sind die Dozierenden vor allem Allgemeinärzt:innen. Auch Inputs zu Themen der Praxisführung wie z. B. Abrechnung, Niederlassungsfahrplan oder Arbeitsrecht sind Bestandteil dieser Tage. Neben dem reinen Kompetenzzuwachs wird durch diese Veranstaltungen die gemeinsame Identitätsbildung der ÄiW gefördert.5

Das KBCAM begleitet die ÄiW als „didaktischer roter Faden“ durch ihre Weiterbildung.6 Es besteht aus drei Teilen: Teil 1 bezieht sich auf medizinische Inhalte, die sowohl nach dem Grad ihrer Vertraulichkeit als auch diagnosebezogen aufgelistet werden. Teil 2 bezieht sich auf weitere Kompetenzen jenseits der medizinischen Expertise, z. B. die Bereiche Kommunikation oder Zusammenarbeit. Teil 3 führt exemplarisch einige wenige Prozeduren auf, mit denen sich angehende Allgemeinärzt:innen auseinandergesetzt haben sollten. Das KBCAM kann kostenlos und barrierefrei z. B. hier heruntergeladen werden.

Das Mentoring-Angebot erfolgt in Gruppen über das Bundesland verteilt. Es wird in festen Gruppen à 10 ÄiW angeboten, rund ein Drittel der ÄiW nehmen dieses fakultative Angebot in Anspruch. Geleitet werden die Mentoring-Gruppen von erfahrenen Fachärzt:innen für Allgemeinmedizin, die nicht gleichzeitig Weiterbildungsbefugte des/der ÄiW sein dürfen. Hauptaufgabe des Mentorings ist es, die berufliche Entwicklung der von den Mentor:innen betreuenden Personen zu begleiten und zu unterstützen sowie berufliche Orientierung weiterzugeben. Jede Gruppe trifft sich dazu einmal im Quartal für zwei Stunden z. B. in den Räumlichkeiten der Praxis der Mentor:innen.

Aus der Perspektive der Weiterbildungsbefugten gehört vor allem der Train-the-Trainer-(TtT-)Kurs zu den Angeboten des KWASH, der zweimal im Jahr angeboten wird. Der TtT-Kurs bietet Weiterbildungsbefugten neben Inputs und Diskussionen zu formalen und rechtlichen Aspekten der Weiterbildung vor allem das Vermitteln von didaktischen Kompetenzen und Trainings in Feedback-Gabe.7 Ein inhaltlicher Schwerpunkt ist zudem der Umgang mit einem Kommunikationstool, dem MAAS-Global-D 2.0. Hierfür werden u. a. auch Simulationsdarsteller:innen („Schauspieler:innen“) eingesetzt.8

Ein neues Angebot seit 2023 ist ein Seminar für Fachärzt:innen für Allgemeinmedizin, die sich gerne als Dozierende qualifizieren lassen wollen. Hier werden die Methoden zur Durchführung von Seminaren thematisiert. So stehen immer mehr Dozierende aus dem eigenen Gebiet zur Verfügung.

Ein Punkt, der je nach Region unterschiedlich zielführend umgesetzt ist, ist der, wie gut die Abfolge der Rotationen durch Gebiete (jenseits der Allgemeinmedizin), die der Weiterbildung zu Allgemeinärzt:innen dient, organisiert ist. Hier sehe ich einen großen Vorteil in Österreich, sollten die bestehenden Turnus-Rotationen inhaltlich z. B. mit den Inhalten des KBCAM abgeglichen werden können. Die Verantwortung für die Rotationen muss bei Allgemeinärzt:innen liegen, die dafür sorgen können, dass in den Rotationen die Inhalte vermittelt werden, die ein Facharzt für Allgemeinmedizin benötigt.9

Als Ausgangspunkt für solche Entwicklungen wären die Strukturen, wie sie die Kompetenzzentren Weiterbildung Allgemeinmedizin anbieten, eine sehr gute Basis.