Erster Vortragender und Keynote-Speaker war Priv.-Doz. Dr. Günther Bergmann aus Heidelberg. In seinem Vortrag spannte er einen Bogen über die Begriffe Begegnung/Beziehung/Interaktion, sprach in diesem Sinne über den Weg vom Ich zum Wir.
Dr. David Kaufmann sprach über die verschiedenen Erklärungsmodelle, warum depressive Männer andere Krankheitsgeschichten und Symptome haben als Frauen. Das hat auch Einfluss auf das ärztliche Gespräch. Das traditionelle Rollenbild von Männern ist definiert durch Außenorientierung, Emotionen gelten als Schwäche. Unsicherheit, Angst, Orientierungslosigkeit und Nähebedürfnis werden abgewehrt. Symptome sind eher Reizbarkeit, Zynismus, Aggressivität, Sucht und Vorwürfe an andere, aber auch Schweigen, Unruhe, Kränkbarkeit, Somatisieren und Suizidalität. Auslöser von Depressionen bei Männern können (neben genetischen Ursachen, Sozialanamnese) Trennungen bzw. Scheidungen, Arbeitsplatzverlust oder Pensionierung, fehlende Anerkennung am Arbeitsplatz, Tod und Trauer bei Verlust des/der Partner:in sein. „Use alcohol and drugs, work hard and avoid doctors“ – damit kann man die wichtigsten Faktoren zusammenfassen. Gespräche sind nicht immer einfach, Herausforderungen sind z. B. ein „Fremdauftrag“ durch den/die Partner:in, Verlieren in Details, Termine nicht einhalten, sog. Kneipengespräche. Der Vortragende gab noch Hinweise auf hilfreiche Tools: Tagesablauf abfragen, sachlich bleiben, „Terrier- Prinzip“ = liebevoll humorvoll und nicht lockerlassen, strukturiertes Gespräch, große Transparenz. Ein Aspekt in der nachfolgenden Diskussion war ein Einwand, dass Rollenbilder derzeit in Verwandlung begriffen sind und Männer zunehmend aktive Rollen im Familienleben übernehmen.
Dr.in Gerlinde Reiter ist am Rehabilitationszentrum Felbring für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Psychokardiologie tätig. Sie berichtete zum Thema „ärztliche Begegnungen mit Frauen mit kardiologischer Erkrankung“. Sie sprach über genderspezifische Prägungen und Berücksichtigung psychosozialer Aspekte bei Frauen mit KHK. Unterschiede in der Epidemiologie, Pathophysiologie und Symptomatik der Patient:innen mit Myokardinfarkt wurden erläutert. Frauen unterschätzen häufig ihr kardiovaskuläres Risiko, beschreiben Schmerzen diffuser und eher rückstufend („der Schmerz war da, aber auszuhalten“), sprechen eher über das psychosoziale Umfeld und brauchen mehr interaktive Unterstützung in der Schmerzbeschreibung. Männer beschreiben Schmerzen konkreter und entsprechen in ihren Gesprächsmustern eher den ärztlichen Gewohnheiten.
Dr.in Miriam Hufgard-Leitner, MSc, sprach über ärztliche Begegnungen mit Patient:innen mit Diabetes und Adipositas. Den Gesundheitssystemen steht weltweit eine Adipositas-Epidemie bevor, für das Jahr 2035 ist in Österreich ein Prozentsatz von 40 % der männlichen Bevölkerung und 28 % der weiblichen Bevölkerung mit einem BMI > 30 zu erwarten. Derzeit wird international die Frage diskutiert, ob Adipositas ohne Komorbidität eine eigenständige Erkrankung ist. Die Betroffenen haben mit multipler Diskriminierung auf allen gesellschaftlichen Ebenen zu kämpfen („Ich bin viel mehr als nur adipös.“). Für die Begegnung muss man sich auch mit den eigenen Vorurteilen auseinandersetzen, und es braucht viel Zeit für diese Patient:innen.
Dr.in Barbara Hasiba sprach über die Begegnung mit Patient:innen mit Angst. Ängste äußern sich auf 4 Ebenen: der kognitiven Ebene (Bedeutungsgebung), der emotionalen Ebene (Welche weiteren Emotionen sind mit der Angst verknüpft?), der Ebene des Körperempfindens (Wo im Körper?) und der Handlungsebene (Wie wird in der Folge gehandelt?). Patient:innen kommen möglicherweise mit der Erwartung, dass die Ängste einfach „weggemacht“ werden können. Mögliche Fragen der Ärzt:innen können sein, welche Funktion die Angst hat, wofür sie steht, ob es gute Gründe für die Angst gibt und welche Veränderung erwünscht ist. Zum Schluss sprach Dr.in Hasiba noch ärztliche Ängste an.
Nach der Mittagspause wurden 4 Workshops angeboten:
Zum Abschluss der Tagung wurde unter Anleitung von Mag.a Buchmayr mit großem Vergnügen gemeinsam gejodelt!