Die sportmedizinische Tauglichkeitsuntersuchung in der Allgemeinmedizin

Zur Dokumentation einer Sporttauglichkeitsuntersuchung empfiehlt es sich, auf bereits bestehende Fragebögen zurückzugreifen. So findet sich auf der Website der Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (www.sportmedizingesellschaft.at) ein Fragebogen, den man sowohl online ausfüllen und dann ausdrucken als auch zuvor ausdrucken und dann händisch ausfüllen kann. Das Formular ist eine gute Unterstützung, es ist jedoch sehr umfangreich und für manche geforderten Tauglichkeiten nicht in diesem Ausmaß notwendig. Das Ausfüllen ist keine Pflicht. Viele Sportverbände geben Tauglichkeitsbestätigungen vor, bei denen lediglich Name der/des Athlet:in sowie Datum und Unterschrift vonnöten sind, alternativ kann man die Tauglichkeitsbescheinigung auch selbst formulieren. Manche Sportarten verlangen – vor allem bei internationalen Richtlinien – die Vervollständigung ärztlicher Zeugnisse, eines der klassischen Beispiele hierbei ist der Untersuchungsbogen der ÖGTH für den Tauchsport.

Was muss untersucht werden?

Ein Blick in den oben erwähnten Bogen zahlt sich jedoch allemal aus, um zu erfassen, welche Routinen unbedingt notwendig sind, der Bogen der Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention ist im Wesentlichen für alle Sportarten tauglich.

Worum geht es bei einer sportmedizinischen Untersuchung letztendlich?

  • Bei hohen körperlichen Belastungen im Rahmen der die sportliche Tätigkeit gefährdenden Erkrankungen müssen im Rahmen dessen so weit wie möglich ausgeschlossen werden. Das Herz steht hier natürlich im Vordergrund, da latente Herzerkrankungen während und nach körperlichen Belastungen ein erhöhtes Risiko kardiovaskulärer Ereignisse mit sich bringen. Bei jungen Menschen sind dies angeborene Herzerkrankungen, mit zunehmendem Alter wird die koronare Herzerkrankung (KHK) dominierend.
  • Aus präventiven Gründen soll der Bewegungsapparat immer Beachtung finden: Fehlstellungen, Fehlhaltungen oder muskuläre Dysbalancen sind zwar nicht bedrohlich, können jedoch langfristig zu Problemen führen, die bei entsprechender Konsequenz vermeidbar sind.
  • Natürlich kann und sollte in einigen Fällen ein „kompletter medizinischer Status“ untersucht werden. Selbst auf das Wesentliche reduziert, hilft hier die zurechtgelegte Routine, um Zeit zu sparen.

Der Klassiker in der Literatur der Sporttauglichkeitsuntersuchungen ist die Beobachtungsstudie von Corrado et al., die von 1979 bis 2004 lief und > 40.000 junge Sportler:innen umfasste: Das Studienteam aus der norditalienischen Region Venetien hat durch ein verpflichtendes Durchführen des Ruhe-EKG am Saisonbeginn jeder/jedes Athlet:in < 35 Jahre eine Reduktion der Inzidenz von plötzlichen nichttraumatischen Todesfällen von 3,6 auf 0,4 pro 100.000 Athlet:innen erreichen können. Natürlich gab es auch bei dieser Studie viel Kritik: In Norditalien ist die Prävalenz der angeborenen Erkrankung der arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie (ARVD) deutlich höher als anderswo – diese ist aber bei entsprechender Schulung zu einem guten Teil im Ruhe-EKG erkennbar. Die Zahlen an plötzlichen Herztodesfällen bei jungen Athlet:innen sind prinzipiell niedrig – wenn auftretend, dann natürlich umso dramatischer. Ein Screening produziert eine Menge an falsch positiven Ergebnissen – in dieser Studie besonders hoch: Gut 9 % der jungen Sportler:Innen zeigten „auffällige Ruhe-EKGs“; die Zeit vom Erst-EKG über die Diagnostik bis hin zum sicheren Ausschluss der ARVD brachte hohe psychische Belastung für die Athlet:innen in der Zeit der Diagnostik, und die Folgekosten waren enorm. Knapp 2 % der Betroffenen wurden nach aufwendiger Diagnostik aber dann doch vom Wettkampfsport ausgeschlossen.

Untersuchungsablauf

Wie könnte eine sportmedizinische Tauglichkeitsuntersuchung ablaufen? Ich beginne mit einer kurzen Trainingsanamnese, frage dann relevante Erkrankungen und in der Vergangenheit bereits aufgetretene Verletzungen bzw. Überlastungen des Bewegungsapparates ab, wichtig ist dann die spezifische kardiovaskuläre Anamnese:

  • Wie sieht das kardiovaskuläre Risikoprofil aus – gibt es ein Risiko?
  • Tritt bei intensiven körperlichen Belastungen übermäßige Dyspnoe, Schwindel oder thorakaler Druck auf? Gab es schon einmal eine belastungsinduzierte Synkope?
  • Hat es in der Familie einen plötzlichen Herztod vor dem 60. oder gar dem 50. Lebensjahr gegeben?

Neben den üblichen Fakten beim klinischen Status wie Körpermaße und evtl. Zuordnung zu den Perzentilen beim Nachwuchs sowie einem Kurzcheck nach Fehlhaltung und muskulären Dysbalancen darf ein konzentriertes Auskultieren des Herzens sowie ein idealerweise beidseitiges Blutdruckmessen nicht vergessen werden. Das empfohlene Tasten des Femoralispulses finde ich weniger wichtig, wenn die peripheren Pulse im Status mitgemacht sind.

Ein Blutlabor ist selten aufgrund von klinischen Aspekten vonnöten, manchmal ein Wunsch der Untersuchenden, selten geben Verbände ein gewisses Labor vor. Auch die kleine Spirometrie ist im Rahmen der sportmedizinischen Tauglichkeitsuntersuchung kein Standard.

Das Ruhe-EKG hat – wie bereits erwähnt – als Screening-Methode im Rahmen der Tauglichkeitsuntersuchung speziell bei Kindern und Jugendlichen große Bedeutung. Bei vielen angeborenen Herzerkrankungen lassen sich im Ruhe-EKG Hinweise darauf finden – natürlich nur, wenn die/der Ärzt:in diese oft diskreten Hinweise beachtet, wie z. B. das WPW-Syndrom, das lange QT-Syndrom, eine HOCM (hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie) oder die bereits erwähnte ARVD. Als EKG-begutachtende Ärzt:innen muss man natürlich wissen, dass sowohl das EKG von Kindern und Jugendlichen als auch das von Ausdauer-Athlet:innen Besonderheiten aufweist, die Grenze zum „Pathologischen“ ist teilweise nicht einfach erkennbar. Viele Vereinssportarten verlangen für den Jugendkader ab 12 Jahren das Ruhe-EKG ja bereits verpflichtend. Ein Radergometer-Stufentest mit EKG ergibt bei Sporttreibenden > 40 Jahre Sinn: Neben der Beurteilung des EKG unter Belastung kann auch der Belastungsblutdruck dokumentiert werden, zudem können aus der erreichten maximalen Leistungsfähigkeit Rückschlüsse auf eventuelle Trainingsfehler gezogen werden (hohe Korrelation: Leistungsfähigkeit in % des Sollwertes versus Trainingsumfang).

Die in der Literatur und im Rahmen von medizinischen Fachartikeln präsentierte, enttäuschend niedrige Sensitivität hinsichtlich KHK-Screenings von nur 50 % (!) (z. B. Medical Tribune 2019) vs. 70–80 % in der Originalliteratur (Weiner DA et al., NEJM 1979) ist meiner Ansicht nach darauf zurückzuführen, dass bei den Untersuchungen oftmals keine Ausbelastung angestrebt wurde. Durch das Berücksichtigen der Vortestwahrscheinlichkeit und eine wirklich symptomlimitierte Ergometrie (Erfassung der kardiorespiratorischen Fitness) kann die Sensitivität angehoben werden (Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Manual zum Stellenwert der Ergometrie).

Aus dem Praxisalltag

Drei Situationen aus dem Praxisalltag tun sich für mich beim Thema sportmedizinische Tauglichkeitsuntersuchung noch auf. Was macht man als Ärzt:in, wenn …

  • … länger dauernde Fragestellungen im Rahmen der Untersuchung von Seiten der Athlet:innen oder deren Eltern auftreten? Wenn die Zeit es nicht zulässt: Wir haben immer die Möglichkeit, einen neuen Termin zu vereinbaren, um diese Fragen in zufriedenstellender Qualität zu beantworten. Man kann das den Sportler:innen meist auch gut erklären.
  • … sich suspekte Befunde kurz vor der Teilnahme an einem Wettkampf ergeben? Sehr schwierig, aber als Ärzt:in kann man dann keine Tauglichkeit ausstellen. Auch hier ist es oftmals das ruhige Gespräch, das zur Einsicht der Athlet:innen führt.
  • … nach einem gewissen Zeitraum bei derselben Person nochmals eine Tauglichkeitsuntersuchung z. B. für einen anderen Verein/Verband vonnöten ist? Innerhalb eines kurzen Zeitraums, jedoch maximal innerhalb eines Jahres, mache ich persönlich nach einer kurzen Anamnese vor allem hinsichtlich rezenter Infekte, Verletzungen oder anderer gesundheitlich relevanter Ereignisse dann doch „Stempel drauf, und passt schon“.