European Society for Quality and Safety in Family Practice (EQuiP)

Die EQuiP ist eine Tochter der WONCA (World Organization of Family Doctors).
Ihre Hauptziele bestehen darin, die Qualität der hausärztlichen Versorgung zu verbessern, den Austausch von Mitgliedern zu bewährten Systemen zu fördern und die berufliche Entwicklung von Hausärzt:innen zu unterstützen. Die Organisation arbeitet an der Entwicklung von Qualitätsstandards und Leitlinien für die hausärztliche Versorgung, um eine konsistente und hochwertige medizinische Betreuung in ganz Europa zu gewährleisten. Der Vorstand organisiert regelmäßig Konferenzen, Schulungen und Veranstaltungen, um den Informationsaustausch zwischen Hausärzt:innen zu erleichtern und diese in ihren Bemühungen um eine qualitativ hochwertige Versorgung zu unterstützen.

Die letzte Konferenz fand 2023 vom 12. bis zum 13. Mai in Dublin statt. Thema war die „Verbesserung der Versorgungsqualität in der europäischen Familienmedizin“. Sie bot eine Plattform für Forscher:innen, neueste Erkenntnisse zu bewährten Methoden und innovativen Ansätzen im Bereich Familienmedizin vorzustellen, die zur Verbesserung von Patientenergebnissen, Patientensicherheit und Gesamtqualität der Versorgung beitragen. Erfolgsgeschichten und Fallstudien, die herausragende Praktiken in der Familienmedizin in ganz Europa demonstrierten, wurden geteilt. Außerdem erhielten die Teilnehmer:innen Einblicke in neue Ideen zur Verbesserung der Ausbildung.

Die EQuiP-Delegierten präsentierten sieben Symposien:
1. Sicherheit, 2. Medikamentenmanagement, 3. planetare Gesundheit, 4. Wissenstransfer, 5. Gesundheit und Wohlbefinden von Ärzt:innen, 6. Verbesserung von Dienstleistungen, 7. Tools und Methoden zur Qualitätsmessung.

Adrian Rohrbasser, Schweiz, leitete einen Workshop, der sich auf Qualitätszirkelarbeit konzentrierte. Der Fokus lag einerseits auf der effektiven Nutzung eines Meldesystems für kritische Ereignisse (CIRS) als Instrument zur Identifizierung und proaktiven Bewältigung von Risiken. Durch die Anwendung eines in der Schweiz entwickelten Handbuchs erhielten die Teilnehmer:innen praktische Einblicke und Werkzeuge, um die Analyse von CIRS-Fällen in ihre eigenen beruflichen Kontexte zu übertragen. Andererseits stellte er eine Analyse der Voraussetzungen für erfolgreiche Qualitätszirkelarbeit vor: Vertrauen der Systemverantwortlichen, Schulungen, Zugang zum Bildungsmaterial und Leistungsdaten, Zeit und finanzielle Ressourcen.

Suzanne Creed, Irland, berichtete über die Analyse von klinischen Schadensfällen und damit zusammenhängenden Beschwerden gegen Allgemeinmediziner:innen beim Irish Medical Council. Etwa 2–3 % der Konsultationen in der Allgemeinmedizin führen zu einem kritischen Vorfall im Bereich Patientensicherheit. Schwere Schädigungen von Patient:innen traten bei 4 % dieser Fälle auf. Noirin O’Herlihy, Irland, hat mit ihrem Team eine umfassende Online-Umfrage zur Aufmerksamkeit bezüglich häuslicher Gewalt und Missbrauch durchgeführt. Menschen, die Gewalt erleben, haben oft regelmäßigen Kontakt mit ihren Allgemeinmediziner:innen und sehen Ärzt:innen und Krankenpfleger:innen als Fachleute, von denen sie Unterstützung erhalten können. Allgemeinmediziner:innen spielen eine entscheidende Rolle bei der Identifizierung. Allgemeinmediziner:innen vermuteten durchschnittlich bei 4,3 % der von ihnen betreuten Patient:innen in den letzten 6 Monaten erlebte Gewalt und bestätigten diese bei durchschnittlich 2,9 % der Patient:innen. Die Mehrheit der Allgemeinmediziner:innen gab an, nicht selbstsicher genug zu sein, um Patient:innen nach erlebter Gewalt zu fragen. Hilfreich wäre: 1) dringender Zugang zu Unterstützungspersonen, 2) mehr Zeit für Konsultationen mit Gewaltopfern, 3) Präsenzschulungen.

Das zweite große Thema der Konferenz war das Medikamentenmanagement, Tools für Verbesserung der Patientensicherheit und Wahrnehmung von Leitlinien dazu in der Allgemein- und Familienmedizin.

Camilla Berggren, Schweden, stellte notwendige Verbesserung in der Primärnachsorge bzw. der strukturierten Versorgung für Patient:innen mit Vorhofflimmern unter Antikoagulanzienbehandlung vor. Als Hauptkritikpunkt erwies sich die unzureichende Dokumentation: Nur 78 % hatten Blutdruckwerte, 55 % ein EKG, 45 % den BMI, 59 % einen Glukosetest; die glomeruläre Filtrationsrate war bei 83 %, der Hämoglobinwert bei 76 % dokumentiert. Bei nur 17 % der Patient:innen mit Vorhofflimmern war der CHA2DS2-VASc-Score aufgezeichnet.

José Miguel Bueno Ortiz, Spanien, stellte eine erfolgreiche regionale Intervention („PURAPI“) zur angemessenen Antibiotikaverwendung im frühen Kindesalter vor, die sich an Pädiater:innen und Ärzt:innen, sowohl im ambulanten als auch im stationären Notdienst, Apotheker:innen und an die Allgemeinbevölkerung richtete. Es kam zu einem signifikanten Rückgang des Antibiotikaverbrauchs in der pädiatrischen Bevölkerung, was zu einer Reduktion von 45 % des Antibiotikagebrauchs in allen Gesundheitsbereichen der Interventionsregion von 2017 bis 2022 führte.

Erika Zelko, JKU Linz, stellte ein Forschungsprojekt zur Optimierung des Medikationsmanagements bei Polypharmazie unter Beteiligung klinischer Pharmazeut:innen in oberösterreichischen Primärversorgungseinheiten vor. Bei mehr als der Hälfte der älteren chronisch kranken Menschen, die Allgemeinmedizinerpraxen aufsuchten, wich die Verschreibung potenziell ungeeigneter Medikamente (PIM) von den international anerkannten Empfehlungen ab. Die Zusammenarbeit zwischen klinischen Apotheker:innen und Allgemeinmediziner:innen bietet das Potenzial, die Qualität der medikamentösen Versorgung bei Polypharmazie zu verbessern.

Ihr zweiter Beitrag beschäftigte sich im Rahmen einer internationalen Studie unter der Leitung von Andrée Rochfort aus Irland mit der ärztlichen Gesundheit in Oberösterreich. Die Forschung zur ärztlichen Beratung hat gezeigt, dass es eine starke Beziehung zwischen den eigenen Gesundheitspraktiken und der Gesundheitsförderungsberatung in der Praxis gibt. Wie wichtig das Thema Gesundheit der Ärzt:innen für eine hochqualitative Versorgung ist, haben auch entsprechende Berichte aus Irland und Spanien gezeigt.

Guido Schmiemann, Deutschland, stellte einen Leitfaden zur klimabewussten Verschreibung von Inhalationsmedikamenten vor. In Deutschland ist das Gesundheitssystem für etwa 5 % der CO2-Emissionen verantwortlich. Der größte Anteil am CO2-Fußabdruck der Primärversorgung entsteht durch die Verschreibung von Medikamenten, gefolgt von Emissionen aus Mobilität (Patient:innen und Personal) und Heizung.

Weiterer Höhepunkt waren vorgetragene Ergebnisse der PRICOV-19-Studie, einer in 38 Ländern durchgeführten Querschnittstudie zur Versorgungssituation in allgemeinmedizinischen Praxen während der COVID-19-Pandemie (https://pricov19study.ugent.be/partnering-institutions.html). Die Unterstützung des PRICOV-19-Forschungskonsortiums mit einem EQuiP-Positionspapier und die Einführung des Glas-Toolkits (www.icgp.ie/go/in_the_practice/planetary_health), das evidenzbasierte Informationen zur Verbesserung von Nachhaltigkeit in der Praxis enthält, markieren wichtige Schritte in Richtung einer nachhaltigeren und qualitativ hochwertigen Primärversorgung in Europa.

EQuiP glaubt fest an die Kraft der Zusammenarbeit und des Networkings. Die Konferenz ermöglichte wieder eindrucksvoll den Austausch von Ideen und Erfahrungen auf europäischer Ebene.

Die nächste EQuiP-Konferenz wird von 25. bis 27. April 2024 in Gent, Belgien, unter dem Motto Leading towards Health for All – Creating Synergies between Public Health and Primary Care stattfinden (www.quality-familymedicine.eu/page/home).

2025 wird die Konferenz in Österreich veranstaltet. Linz wird sich als Gastgeber vom 8. bis 10. Mai 2025 mit dem Thema Digitalisierung und KI in Allgemeinmedizin/Qualität der Arbeits- und Patientensicherheit präsentieren. Wir hoffen auf eine gute Zusammenarbeit mit allen an diesem Thema beteiligten Stakeholder:innen und auf viele gute Abstracts unserer Kolleg:innen. Wir laden Sie schon jetzt herzlich zur EQuiP-Konferenz in Linz ein.