Ein Arzt als Minister: So tickt Wolfgang Mückstein

Rudolf Anschober (Grüne) legte sein Amt gesundheitsbedingt zurück. Er habe nicht mehr die Kraft, die gerade jetzt notwendig sei, sagte er. Er sei „überarbeitet und ausgepowert“ und wolle sich „nicht kaputtmachen“, sagte Anschober, der von zwei Kreislaufzusammenbrüchen in der letzten Zeit berichtete und betonte, dass seine Ärzte zur Ruhe geraten hätten. Er habe seit 14 Monaten praktisch durchgearbeitet, und „ich hab mich dabei ganz offensichtlich überarbeitet“, sagte Anschober – nicht ohne Seitenhieb gegen den Koalitionspartner, von dem er sich auch alleingelassen fühlte. Nachfolger ist der Wiener Allgemeinmediziner und Hausarzt Wolfgang Mückstein (Grüne Ärzte).

Hartnäckiger Verhandler

Der 46-jährige Vater zweier Töchter ist nicht nur Leiter des ersten Wiener Primärversorgungszentrums, sondern im Grunde auch Motor dieser Versorgungsform in Österreich und Funktionär in der Wiener Ärztekammer. Dort leitet er auch das Referat für Primärversorgungseinrichtungen. Bekannt ist der durchaus streitbare Arzt beim Koalitionspartner ÖVP schon seit den Regierungsverhandlungen, wo er in den Gesprächen im Gesundheits- und Sozialbereich eingebunden war. ÖVP-Koalitionsverhandler berichten, dass er ein durchaus hartnäckiges Gegenüber war. Vorgänger Anschober holte seinen Rat auch für eine Teststrategie im niedergelassenen Bereich ein.

„Unpopuläre Entscheidungen“

Mückstein gilt als fokussierter Arbeiter, der sich in neue Themen nicht nur genau einarbeitet, sondern durchaus auch von Fachleuten beraten lässt, hört man aus Ärztekreisen und aus dem grünen Umfeld. Er verfolge aber auch konsequent Ziele, für die er brenne, sagen Weggefährten. Das Thema Primärversorgungseinheiten ist so ein Thema. Ein anderes machte er bei seiner Vorstellung gleich klar: „Ich werde unpopuläre Entscheidungen treffen, wenn es nötig ist. Weil ich mich dazu als Gesundheitsminister und Arzt verpflichtet sehe“, erklärte er. Dazu gehöre auch ein Lockdown, wenn es nötig sei, Intensivstationen zu entlasten, um Menschenleben zu retten.

Reformen für Ärzte offen

Die Österreichische Ärztekammer verweist in einer ersten Stellungnahme darauf, dass es für den Nachfolger von Rudolf Anschober viel zu tun gibt: „Im niedergelassenen Bereich bedarf es endlich deutlicher Investitionen: Gerade im Kassenbereich herrscht Stagnation, schon jetzt werden die von uns vorhergesagten Lücken immer größer, dazu steht eine erhebliche Pensionierungswelle bevor“, sagt ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, Johannes Steinhart, der ein rasches Handeln beispielsweise zur Attraktivierung der Kassen-Allgemeinmedizin einforderte.

Lob von Ärztekammer

Mückstein wird auch einige Nerven im Ringen mit Ländern und Koalitionspartnern brauchen. Zumindest ist die Ausgangsposition keine ganz so schlechte. Mit dem Impf-Fortschritt könnte es sein, dass der neue Minister den Höhepunkt der Pandemie bald hinter sich haben wird und dafür auch die Lorbeeren ernten kann. Noch im Jänner beklagte er in Interviews, in seiner Praxis bereitzustehen, nur keinen Impfstoff zu haben. Aber auch der Alltag im Mega-Ressort ist kein leichter. Gesundheitsminister gelten angesichts der zersplitterten Zuständigkeiten traditionell als „lame ducks“. Allerdings wird sich wohl auch der Koalitionspartner warm anziehen müssen. Dazu kommt das riesige Sozial-ressort mit Themen wie Pflege, wachsender Armut oder Sozialversicherung. Ärztekammerpräsident Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres – in der Ärztekammer in einer Koalition mit den Grünen Ärzten – ist dennoch überzeugt, dass Mückstein das kann: „Er ist ein klassischer Hausarzt, da lernt man Menschen gut kennen – das ist eine gute Voraussetzung, um ein guter Sozialpolitiker zu sein.“

Bisher sieben ärztliche Ressortchefs

Ein Mediziner in der Pandemie könnte durchaus ein Vorteil sein – er weiß, worum es geht, und sprach auch schon soziale Folgen und das Problem der fehlenden Vorsorge während der Lockdowns an. Die Geschichte zeigt aber auch, dass es Ärztinnen und Ärzte im Gesundheitsministerium nicht leicht hatten: So legte zwar die Internistin Prim. Dr. Ingrid Leodolter als erste Gesundheitsministerin von 1972 bis 1979 einen Grundstein, den später der Dermatologe Kurt Steyrer (1981–1987) (beide SPÖ) ausbaute, der Rheumatologe Dr. Michael Außerwinkler (1992–1994; SPÖ), der Radiologe Reinhart Waneck (2000–2004, Staatssekretär FPÖ), die Anästhesistin Dr. Andrea Kdolsky (2007–2008; ÖVP) und die Kinderärztin Dr. Sabine Oberhauser (2014–2017 +; SPÖ) und zuletzt die Infektiologin Dr. Pamela Rendi-Wagner (2017; SPÖ) hatten aber allesamt auf dem politischen Parkett keinen leichten Stand.