Vorbereitungen für den nächsten Grippe-Winter laufen bereits

Es war eine heftige innenpolitische Debatte vor einem Jahr: Opposition und Experten befürchteten, dass Österreich zu wenig Grippeimpfstoffe bestellt hätte und dass das Zusammentreffen von SARS-CoV-2 und Influenzaviren im Winter das Gesundheitssystem kollabieren lassen würde. Also wurde eifrig nachbestellt, was möglich war, um die Durchimpfungsrate zu erhöhen. Wien war rascher als andere Bundesländer und musste sich den Vorwurf gefallen lassen, den anderen Ländern Impfstoffe wegzunehmen. Die Bundesregierung verwies wiederum darauf, dass die Impfstoffe schon vor ihrer Wahl bestellt worden seien, bestellte aber so viel es ging nach.

Mehr Impfstoff besorgt

Irgendwie ging sich dann doch eine deutliche Erhöhung der Durchimpfungsrate aus, und gleichzeitig blieb die Grippewelle aus, wie sich nun zeigt. Experten erwarteten bereits im Herbst ein Ausbleiben der Grippewelle. Denn auf der Südhalbkugel gab es so gut wie keine Grippefälle (die Ärzte Krone berichtete). Und tatsächlich dürften sie Recht behalten haben. In Kalenderwoche 4 wurde in Österreich der bislang erste Influenzafall registriert. Das war in dieser Saison der erste sporadische Fall in Österreich. Davor gab es einen einzigen Fall, dieser war allerdings mit einer Einreise nach Österreich assoziiert, berichtet ehemaliger Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). „Nicht nur Österreich verzeichnet heuer erstmals dieses ‚Grippewunder‘, sondern ganz Europa. Lediglich aus Portugal, UK, Dänemark, Litauen und Aserbaidschan wurde eine sporadische Influenzaaktivität gemeldet. Natürlich gab es auch heuer in Österreich grippeähnliche Infektionen, aber – mit Ausnahme des aktuellen Falles und des reiseassoziierten Falles – keine echten Influenzafälle und somit keine Influenzatoten.“

 

 

Gratisimpfungen

Das Ausbleiben der Influenzawelle sei auch der Erfolg der erstmals durchgeführten Gratisgrippeimpfungen, betont Dr. med. Rudolf Schmitzberger, Leiter des Impfreferates der Österreichischen Ärztekammer. Nicht nur den COVID-19-bedingten Hygienemaßnahmen, dem Lockdown, den Schulschließungen und dem verstärktem Homeoffice sei es zu verdanken, dass eine Influenzawelle in dieser Kältesaison bisher ausblieb.

Höhere Impfrate

„Die Impfrate in dieser Saison war dreimal höher als zuvor“, sagt Schmitzberger. Nicht zuletzt deshalb will man die Fehler des Vorjahres nicht noch einmal machen. „Seitens des Gesundheitsministeriums wurde bereits im vergangenen Herbst 2020 eine Ausschreibung zur Beschaffung von Impfstoffen zur Verwendung im kostenfreien Kinderimpfprogramm veranlasst“, teilt ein Sprecher des Ministeriums auf Anfrage der Ärzte Krone mit.
„Diskussionen zu einer möglichen Beschaffung weiterer Impfstoffe laufen derzeit.“ Zudem bestellen die Bundesländer jeweils für sich Impfstoffe. Nachdem Influenzaimpfstoffe abgesehen vom kostenfreien Kinderimpfprogramm und vereinzelten Impfaktionen in den Bereich des Privatmarktes fallen, sei es wichtig und notwendig, etwaigen Impfstoffbedarf frühzeitig anzumelden und Bestellungen rechtzeitig aufzugeben, beispielsweise wenn Influenzaimpfaktionen seitens der Arbeitgeberinnen oder Arbeitgeber geplant sind, heißt es aus dem Ministerium weiter.

Schutz für ältere Menschen

Unterschiede wird es wie im Vorjahr nicht nur im Kinderbereich geben, sondern auch bei anderen Altersgruppen. So wurden etwa für 2020/21 auch 100.000 Impfungen mit einem Hochdosis-Vakzin für Senioren angekauft. Ältere Menschen zeigen meist keine so gute Impfantwort auf eine Grippeimpfung. Ältere Menschen entwickeln besonders häufig schwere Grippeverläufe mit Komplikationen wie Pneumonie. Hochdosierte Impfstoffe enthalten deshalb eine höhere Antigenmenge standarddosierter Grippeimpfstoffe. Insgesamt wurde für den vergangenen Winter also deutlich mehr Impfstoff besorgt als in den Jahren davor, in denen zudem übrig gebliebene Impfdosen nachträglich entsorgt werden mussten. Im Winter 2020/21 war das jedenfalls nicht der Fall. „Nach unserem Kenntnisstand war die Nachfrage an Influenzaimpfstoffen in der vergangenen Saison 2020/21 im Vergleich zu den Vorsaisonen deutlich erhöht“, teilt das Gesundheitsministerium mit.

WHO fixiert Impfstoff für 2021/22

Für 2021/22 soll das ähnlich sein. Eine Herausforderung ist allerdings die Zusammensetzung des Impfstoffes, die meist auf Erkenntnissen aus der Virenzirkulation in der südlichen Hemisphäre basiert. Doch auch dort gab es COVID-19-bedingt wenige Grippefälle. Im März beschloss die Weltgesundheitsorganisation die Zusammensetzung des Grippeimpfstoffs für die nördliche Hemisphäre für die kommende Saison 2021/22. Meist ändert die WHO die Zusammensetzung der Influenzavakzine im Vergleich zur Vorjahressaison nicht komplett – so auch jetzt: Zwei Stämme belässt die WHO, zwei tauscht sie.

Schutz vor SARS-CoV-2?

Das heimische Ministerium will zudem breiter informieren, kündigt der Sprecher des Gesundheitsministeriums an. „Es ist sehr wichtig, hier auch in aktiven Diskurs mit der Ärzteschaft zu treten.“ Seitens des BMSGPK sei man hier laufend bemüht, sowohl die Empfehlungen noch klarer und besser umsetzbar auszusprechen als auch Informationsmaterialien zu optimieren. „Extrem wichtig ist hier sowohl die Ausbildung als auch regelmäßige Fortbildung. Die derzeitigen Fortbildungsangebote in Zusammenhang mit COVID-19-Impfungen sind ein gutes Beispiel dafür, wie Weiterbildungsmöglichkeiten für Kolleginnen und Kollegen optimiert werden können“, sagt Dr. med. Katharina Raich, Chief Medical Officer und Sektionschefin im Gesundheitsministerium. „Wir dürfen hier nicht lockerlassen. Die nächste Grippewelle wird sicher kommen, daher muss sich die Grippeimpfung nun auch in Österreich durchsetzen. Ziel muss es sein, dass die Impfungen auch in Zukunft so ernst genommen werden wie in dieser Saison“, ergänzt Schmitzberger.
Dazu kommen erste Informationen, dass Menschen mit einer Influenzaimpfung doch weniger an COVID-19 erkranken oder zumindest einen milderen Verlauf haben. Erste Studienergebnisse deuten bereits darauf hin, allerdings sind die Ergebnisse noch nicht alle peer reviewed.


Literatur: