Eine besondere Herausforderung

Rheumatologische Erkrankungen betreffen längst nicht nur die Gelenke: Für viele rheumatologische Erkrankungen hat sich die Evidenz für das Vorliegen bestimmter Komorbiditäten erhärtet. Das Screening bzw. die primärprophylaktische Therapie oder das Behandeln von z. B. kardiovaskulären Begleiterkrankungen, Osteoporose und psychiatrischen Erkrankungen sollte nach allgemeinem Konsens eine Aufgabe von uns Rheumatolog:innen sein. Zunehmend wird der Fokus auch auf extraartikuläre Organmanifestationen gelegt; als Beispiel kann hier die interstitielle Lungenerkrankung (ILD) im Rahmen einer rheumatoiden Arthritis (siehe Kasten rechts) dienen.

Lösungsansätze für den klinischen Alltag

Grundlegend stellt sich die Frage: Wird uns im Bereich des Screenings und der Behandlung der Komorbiditäten und extraartikulären Manifestationen eine Leitlinie vorgegeben? Hier sind die jeweiligen (also in unserem Fall die rheumatologischen) Fachgesellschaften gefordert, falls möglich Empfehlungen für den Arbeitsalltag auszusprechen, die pragmatisch und praktikabel sind. Leider können oft aufgrund fehlender Evidenz keine konkreten Handlungsanleitungen formuliert werden. So bleibt es vielfach dabei, dass die Problematik Multimorbidität zwar thematisiert wird, aber uns Ärzt:innen für den Arbeitsalltag keine genauen Vorgaben gemacht werden können. Falls für bestimmte Konstellationen oder Komorbiditäten solche dennoch vorhanden sind, sollten sie, wenn möglich strukturiert, in den Arbeitsalltag integriert werden.

Modell interdisziplinäre Sprechstunde

In kleineren Einheiten bewährt hat sich das Einrichten von sogenannten interdisziplinären Sprechstunden. Als klassisches Beispiel dient hier eine Zusammenarbeit von Rheumatolog:innen und Dermatolog:innen. Kurzfristige Zuweisungen oder wenn möglich auch das gemeinsame oder sequenzielle Begutachten von Patient:innen und das gleich daran anschließende Diskutieren der jeweiligen Problematik erspart den Patient:innen oft viel Zeit bis zur richtigen Diagnose bzw. bis zum Beginn einer effektiven Therapie.

Modell interdisziplinäres Board

In größerem Maßstab wird vor allem an Kliniken die interdisziplinäre Zusammenarbeit zunehmend wichtiger. Im rheumatologischen Themengebiet eignet sich vor allem das vielfach bereits vorhandene ILD-Board als Beispiel (siehe Kasten rechts). Das Besprechen von Patientenfällen durch Rheumatolog:innen, Pneumolog:innen, Radiolog:innen und Patholog:innen kann man als Best-Practice-Beispiel einstufen.

Modell Komorbiditätencheck

Ein Lösungsvorschlag zur strukturierten Bewältigung des Screenings und der primärprophylaktischen Therapie hinsichtlich Multimorbidität ist das Einrichten eines sogenannten Komorbiditätenchecks. Es könnte ein Termin pro Tag für das Thema Komorbiditäten reserviert und ein längerer Zeitraum dafür vorgesehen werden. Das Miteinbeziehen anderer Berufsgruppen wie Pflegepersonal, Psycholog:innen, Physio- und Ergotherapeut:innen würde einen wesentlichen Mehrwert in der Betreuung darstellen. Eine kardiologische Basisdiagnostik wie das Schreiben eines EKGs, eine Blutdruckmessung oder auch das kardiovaskuläre Screening mittels eines Risikorechners kann auch von rheumatologischem Fachpersonal durchgeführt werden und bedeutet oft eine Abwechslung und in dem Sinne eine Bereicherung des Arbeitsalltags.

Komorbiditäten-Screening und prophylaktische Therapie

Aufgrund der Heterogenität und der vielen potenziellen Komorbiditäten stellt dies eine besondere Herausforderung dar. Die Aufgabe für Forschung und Fachgesellschaften bzw. Arbeitskreise ist es, zu definieren, welche Patient:innen „at risk“ für bestimmte Komorbiditäten oder Organmanifestationen sind und in weiterer Folge regelmäßig untersucht werden sollen. Für viele Komorbiditäten sind bereits Empfehlungen vorhanden (z. B. Osteoporose-Screening oder der DETECT-Algorithmus zur Früherkennung einer pulmonal-arteriellen Hypertonie), für andere fehlen krankheitsspezifische Empfehlungen (z. B. das Screening für kardiovaskuläre Komorbiditäten).

Analog zu den manchmal schwammigen Empfehlungen bezüglich des Screenings fehlen oft auch spezifische Empfehlungen zur primärprophylaktischen Therapie gewisser Komorbiditäten. Ob z. B. an rheumatischen Erkrankungen leidende Patient:innen eine prophylaktische cholesterinsenkende Therapie erhalten sollen bzw. ob die Zielwerte strenger als in der Normalbevölkerung angesetzt werden sollen, ist aufgrund fehlender Evidenz immer noch ein ungelöstes Diskussionsthema.

Je mehr wir als Ärzt:innen über die Erkrankungen wissen, umso mehr wird uns bewusst, dass uns genaue Vorgaben fehlen. Das bedeutet, dass wir einerseits durch das wachsende Aufgabengebiet ein immer größeres Portfolio anbieten müssen, andererseits fehlen uns leider manchmal konkrete Handlungsanleitungen.

Praxismemo
  1. Erkrankungen des rheumatologischen Formenkreises sind häufig mit Komorbiditäten assoziiert.
  2. Interdisziplinäre Zusammenarbeit fördert das Erkennen von Organbeteiligungen und Komorbiditäten.
  3. Ein strukturierter „Komorbiditätencheck“ kann helfen, Risiken frühzeitig zu erkennen und zu steuern.