Gastroenterologie quer durch die Bank

Ein heißes Thema auf der diesjährigen Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie war das Mikrobiom, das in mehreren Sitzungen behandelt wurde.
Die Grundlagen zu Struktur (1 Mio. Gene, 58% bekannt, 42% unbekannt), Entwicklung, Zusammensetzung, interindividuelle Variation, Stabilität, Funktion (Stoffwechsel und Immunfunktion: Energiestoffwechsel, Kohlehydratstoffwechsel, Aminosäurestoffwechsel, Vitaminstoffwechsel, Interaktion mit dem GI-Immunsystem) wurden erläutert und laufende physiologische Einflüsse auf das intestinale Mikrobiom durch Ernährungsgewohnheiten dargestellt. Die Mikrobiota-Dysbiose spielt eine zentrale Rolle bei vielen verschiedenen Darmerkrankungen wie z.B. bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, ebenso sind Störungen des Mikrobioms in der Pathogenese von Lebererkrankungen (NAFLD/NASH, ALD, ASH, virale Lebererkrankungen wie HCV und HBV, BPC, PSC, Zirrh. hep. inkl. portale Hypertension und HCC, Transplantatabstoßung) bedeutend.
Die Modifikation des intestinalen Mikrobioms durch Therapie mit Antibiotika (zur Behandlung einer aktiven chronisch entzündlichen Darmerkrankung), Präbiotika, Probiotika (zur Prophylaxe der nekrotisierenden Enterokolitis), Bakteriophagen, anorganischen Stoffen wie Bismut, Silber, Gallium, Säurehemmung, fäkaler Mikrobiota-Transplantation (bei Colitis ulcerosa) wurden aufgezeigt, ebenso die therapeutischen mikrobiologischen Ziele und die Maßnahmen zur anhaltenden Modifikation des Mikrobioms.

Hepatitis C (HCV)

Es ist bekannt, dass HCV die häufigste Ursache einer chronischen Lebererkrankung, der Zirrhose und des hepatozellulären Karzinoms (HCC) mit jährlicher Inzidenz von 3,9% für HCC, 2,9% für Aszites, 2,0% für Ikterus und 0,7% für Varizenblutung sowie der Lebertransplantation ist. Die Auswirkung der neuen hochwirksamen direkt wirkenden antiviralen Medikamente (DAA) mit Heilungsraten von über 95% bei guter Verträglichkeit auf die Prävalenz in den kommenden Jahren wurde anhand der Studien aufgezeigt. Die bestehende Indikation für eine DAA-Therapie für alle kompensierten und dekompensierten HCV-Lebererkrankungen wurde überzeugend präsentiert, ebenso Heilungsraten in Abhängigkeit vom Genotyp und nun besserer Therapierbarkeit des GT1 im Vergleich zu GT3 sowie die Therapieauswirkungen auf den MELD-Score (Reversibilität der Fibrose/Zirrhose). Es wurden auch die aktuellen Therapiestandards präsentiert.

Hepatitis B

Eine effektive antivirale Therapie verhindert die Dekompensation einer Hepatitis-B-assoziierten Leberzirrhose und induziert eine Regression der Fibrose. Sie verhindert allerdings nicht die Progression zum HCC. In verschiedenen Therapiekonzepten konnte kein zusätzlicher Nutzen durch PEG-Interferon nachgewiesen werden.

Primär biliäre Zirrhose (PBC)

Ursodesoxycholsäure (UDCA) ist weiterhin therapeutischer Goldstandard. Bei UDCA-Non-Respondern steht eine neue Therapie mit Obeticholsäure (OCA) vor der Zulassung. Die Kombinationstherapie UDCA plus Fibrat ist vorteilhaft im Vergleich zu UDCA + Budesonid bei UDCA-Non-Respondern. Primär sklerosierende Cholangitis (PSC): Es gibt noch keine prognostisch bedeutsame Therapie. Eine niedrigdosierte UDCA reduziert das Risiko kolorektaler Neoplasien bei PSCCED-Patienten. Hochdosierte UDCA ist mit einem erhöhten Risiko für kolorektale Neoplasien assoziiert. Es besteht Hoffnung auf positive Ergebnisse laufender Studien für norUDCA und OCA.

Lebertransplantation: Die Lebertransplantation ist eine etablierte kurative Therapie bei akutem Leberversagen, dekompensierter Leberzirrhose, akut-auf-chronisches Leberversagen und bei bestimmten Fällen eines HCC. Das Problem ist ein Missverhältnis zwischen Spenderangebot und -bedarf.

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED)

60.000–70.000 Österreicher sind von einer CED betroffen. Studienergebnisse haben für Vedolizumab eine gute Wirksamkeit in Induk tion und Erhaltung bei mittelschwerer bis schwerer Colitis ulcerosa (CU) sowie eine gute Wirksamkeit in der Erhaltung bei mittelschwerem bis schwerem Morbus Crohn (MC) gezeigt. Vedolizumab hat ein gutes Sicherheitsprofil in allen Altersgruppen (Erstattungskriterien in Österreich: „schwerer aktiver MC bzw. mittelschwere bis schwere aktive CU bei Erwachsenen nach Versagen konventioneller Therapie und mindestens eines TNF-alpha-Inhibitors oder bei Unverträglichkeit dieser. Erstverordnung durch FA/FÄ für Gastroenterologie. Keine Fortsetzung, wenn kein klinisches Ansprechen innerhalb von 14 [MC] bzw. 10 [CU] Wochen feststellbar.“)

Mögliche künftige Therapieoptionen bei CED: Etrolizumab bei CU, Ustekinumab bei MC, Tofacitinib aktuell in Phase III effektiv bei CU, Mongersen Phase III beginnt bei MC.

Endoskopische Submukosadissektion (ESD)

Ziel einer endoskopischen Resektion ist die Entfernung prämaligner und maligner Läsionen zur Verhinderung einer symptomatischen Erkrankung, zur Vermeidung einer Operation und zur Erhaltung eines Organs (Ösophagus, Magen, Colon, Rektum). Karzinome, die auf die Mukosa und obere Submukosa beschränkt sind, haben kein oder ein vernachlässigbares Metastasierungsrisiko und sind mit einer lokalen Entfernung ausreichend behandelt. Anforderung ist die En-bloc-Resektion. Die richtige Technik ist abhängig von der Größe der Läsion: Frühkarzinome < 1 cm → endoskopische Mukosaresektion (EMR), Frühkarzinome > 1 cm → endoskopische Submukosadissektion (ESD). Karzinome mit tiefer Submukosainvasion müssen operiert werden. Die Technik wurde in Japan entwickelt, aus Japan liegen auch große Fallzahlen vor; mit hohen En-Bloc-Raten und Komplikationsraten. Publizierte Zahlen gibt es auch aus Deutschland. Aktuelle Daten aus einer österreichischen Klinik wurden präsentiert.

Organbezogene Studien: Traditionell wurde zum Abschluss ein Überblick über die aktuellen Studien zu den einzelnen Organgebieten gegeben. Dabei wurden neben den bereits angeführten Themen u.a. funktionelle gastrointestinale Störungen, das Reizdarmsyndrom, die Interaktion von Angst und Depressivität sowie die Abnahme der Diversität des intestinalen Mikrobioms beim postinfektiösen Reizdarmsyndrom aufgezeigt. Weiters wurde über die Assoziation einer posttraumatischen Stressstörung mit dem Reizdarmsyndrom berichtet. Studien zeigen bei Patienten mit Reizdarmsyndrom Kurzzeiteffekte einer Diät arm an Fasern und FODMAP (fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide und Polyole). Hier sind jedoch noch Langzeitstudien erforderlich. Belegt wurde, dass die „bauchgerichtete“ Hypnose bei 54% der Patienten mit therapierefraktärem Reizdarmsyndrom einen Langzeiterfolg hat (die Liste mit den dzt. Therapeuten für die „bauchgerichtete Hypnosetherapie“ in Österreich ist auf www.oegpim.at abrufbar).
Die nichtalkoholische Fettlebererkrankung/NAFLD ist in den USA bereits die zweithäufigste Ursache für eine Lebertransplantation. Die Patienten sind älter, leiden häufiger an Diabetes, haben einen sehr hohen BMI und eine erniedrigte GFR. Es sterben auch mehr Patienten auf der Warteliste im Vergleich zu anderen Lebererkrankungen.

 

Einflussfaktoren auf das Darmmikrobiom

Der menschliche Darm ist nicht nur ein Verdauungsorgan, daneben liefert er selbst wichtige Nahrungsbestandteile wie Vitamin K, steuert durch seine Signalfunktion viele Stoffwechselvorgänge im Körper und ist dessen größtes Immunorgan. Bei all diesen Funktionen arbeiten die menschlichen Zellen eng mit dem Mikrobiom zusammen und es ist leicht vorstellbar, dass die Besiedelung mit Keimen, die diese Symbiose stören oder gar pathogen sind, viele Körperfunktionen aus der Balance bringen und damit Krankheiten auslösen können.
Zusammensetzung und Funktion des Darmmikrobioms sind auf vielfältige Weise beeinflussbar: Ernährung und Bewegung können das menschliche Mikrobiom sowohl positiv als auch negativ beeinflussen; die Gabe von Antibiotika beeinflusst das Mikrobiom umgehend.
Eine Einflussnahme auf das Mikrobiom zeigt die Stuhltransplantation, von der anzunehmen ist, dass sie in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen wird. Vor allem Clostridien-Infektionen stellen eine Indikation zur Stuhltransplantation dar.