Derzeit werden sowohl die S2k-Leitlinie „Akute Otitis media“ als auch die S3-Leitlinie „Ohrenschmerzen“ fertiggestellt. Die einzig verfügbare, in Überarbeitung befindliche S2k-Leitlinie befasst sich mit dem Thema „Antibiotikatherapie bei HNO-Infektionen“.1
Die Otitis media (OM) kann in jedem Lebensalter vorkommen, tritt jedoch vor allem bei Kindern im Alter zwischen 6 und 24 Monaten auf.2 Die Diagnosestellung basiert auf den vorliegenden Symptomen (Schmerzen, Irritation, Fieber) und einer otoskopischen Untersuchung.2, 3
Akute OM können virale, bakterielle oder Mischinfektionen sein. Die häufigsten Erreger sind Streptococcus pneumoniae, gefolgt von Haemophilus influenzae und Moraxella catarrhalis.1, 2 Die Therapie der akuten OM basiert auf der Symptomlinderung durch Analgetika und Antiphlogistika, da die Krankheit bei immunkompetenten Patient:innen selbstlimitierend ist. Die Gabe von Antibiotika kann zur Vermeidung von Komplikationen notwendig sein. Hierbei ist Amoxicillin das Mittel der Wahl bei schweren Verläufen oder im Kindesalter. Sollten Risikofaktoren oder wiederholte Rezidive vorliegen, empfiehlt die Leitlinie die Verwendung von Aminopenicillin und einem Beta-Laktamase-Inhibitor oder von Cefpodoximproxetil sowie gegebenenfalls eine Paukendrainage oder (Re-)Adenotomie.1
Die chronische OM wird durch Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus, Proteus mirabilis oder Enterobakterien ausgelöst. Zur antibiotischen Behandlung ist primär eine Lokaltherapie mit ciprofloxacinhaltigen Ohrentropfen empfohlen. Bei Komplikationen oder im Kindesalter kann eine systemische Therapie mit Piperacillin und Tazobactam oder eine Operation indiziert werden.1
Aufgrund der Kommunikation des Mittelohres über den Aditus ad antrum mit dem Mastoidbereich ist die Mastoiditis eine der am häufigsten vorkommenden Komplikationen der akuten OM. Zu den wichtigsten Risikofaktoren zählen ein junges Alter (meistens unter 2 Jahren), hohes Fieber und Veränderungen der Laborwerte (sehr hoher Anteil der weißen Blutkörperchen und des C-reaktiven Proteins). Die hauptsächlichen Erreger sind Streptococcus pneumoniae, gefolgt von Streptococcus pyogenes, Haemophilus influenzae und Staphylococcus aureus.4
Bei einer Mastoiditis ist eine mikrobiologische Diagnostik erforderlich. Behandelt wird mit Aminopenicillin und einem Beta-Laktamase-Inhibitor. Beim Verdacht auf Pseudomonas aeruginosa wird eine Kombination aus Piperacillin und Tazobactam empfohlen. Auch eine Indikation zur Operation (Inzision von Abszessen, Mastoidektomie, neurochirurgische Eingriffe) ist bei schweren Verläufen möglich.1, 4
Die Otitis externa, eine Infektion der Kutis und Subkutis des äußeren Gehörgangs mit möglicher Beteiligung des Trommelfells und der Ohrmuschel, stellt ein häufiges Problem in warmen, feuchten Regionen dar. Sie betrifft Patient:innen jedes Alters, wobei die Inzidenz zwischen dem 5. und 14. Lebensjahr am höchsten ist. Zu den Risikofaktoren gehören unter anderem anatomische Abnormalitäten, Wasser sowie Obstruktionen im Gehörgang, dermatologische Erkrankungen oder Störungen des Cerumen und des Epithels.5–6 Die häufigsten Erreger der Otitis externa diffusa sind Pseudomonas aeruginosa, Staphylokokken, Streptokokken, Enterobakterien, Aspergillus und Candida.
Typisch für die akute Infektion sind ausgeprägte Otalgien infolge einer Reizung der Knochenhaut im Gehörgang. Therapeutisch wird eine lokale Reinigung in Kombination mit einer antiinflammatorischen Behandlung, beispielsweise mit essigsäurehaltigen Ohrentropfen, empfohlen. Zusätzlich ist eine antibiotische Lokaltherapie mit ciprofloxacinhaltigen Ohrentropfen möglich, bei schweren Formen ist eine systemische Antibiotikatherapie (Piperacillin/Tazobactam, Ciprofloxacin oder Levofloxacin) empfohlen.1, 5 Ziel der Therapie bei chronischen Verläufen – definiert als eine Dauer von mehr als drei Monaten oder mehr als vier Episoden pro Jahr – ist die Regeneration der Gehörgangshaut und die Wiederherstellung einer physiologischen Cerumenproduktion.5
Entzündliche Infektionen am äußeren Ohr können bei unzureichender Therapie schwerwiegende Komplikationen auslösen. Ein verzögerter Therapiebeginn der Perichondritis kann etwa zur fokalen Knorpelnekrose und damit einhergehenden dauerhaften Deformationen des Ohres führen.6 Bei Verdacht auf eine Perichondritis ist eine mikrobiologische Diagnostik erstrebenswert. Die häufigsten Erreger sind Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus, Proteus mirabilis, Enterococcus faecalis, Escherichia coli, Streptococcus pyogenes und Klebsiella pneumoniae. Nach gesicherter Diagnose wird lokal antiseptisch behandelt, bei schweren Verläufen ist eine orale (Ciprofloxacin ggf. mit Clindamycin oder hochdosiertes Levofloxacin) oder intravenöse (Piperacillin und Beta-Laktamase-Inhibitor) Antibiotikatherapie notwendig. Sollte der Verdacht auf Staphylococcus aureus bestehen und mit Ciprofloxacin oder Ceftazidim behandelt werden, ist eine zusätzliche Therapie mit Clindamycin empfohlen.1