Good News beim Endometriumkarzinom

1.107 Frauen in Österreich erkrankten im Jahr 2023 am Endometrium-Karzinom.
Damit ist Gebärmutterkörperkrebs (nach Brust-, Lungen- und Darmkrebs) die vierthäufigste Krebsart bei Frauen. Betreffend Mortalität stand es mit 177 Todesfällen an 11. Stelle.

Welchen Stellenwert hat die molekulare Klassifizierung in den neuen Guidelines1?
Univ.-Prof.in Dr.in Nicole Concin: Auf jeden Fall einen noch stärkeren als in der Vorversion, die wir Anfang 2021 publiziert haben. Unter dem Begriff Endometriumkarzinom sind mindestens 4 verschiedene und prognoserelevante molekular definierte Erkrankungen zusammengefasst, genau genommen 5: POLE-mutierte, Mismatch-Repair-defiziente (MMRd) und p53-abnormale Endometriumkarzinome. Den molekularen Subtypen NSMP (No specific molecular Profile) haben wir weiter in östrogenrezeptorpositive (ER+) NSMP-Karzinome mit guter Prognose und prognostisch ungünstigere ER– bzw. High-Grade-Karzinome unterteilt. Diese molekulare Sichtweise ermöglicht uns, die Patientinnen viel differenzierter, entsprechend ihrer individuellen Tumorbiologie und ihren individuellen Risikoprofilen, zu behandeln.

Als besondere Neuerung dieser von 3 europäischen Gesellschaften gemeinsam erstellten Guidelines möchte ich hier das erstmalige Mitwirken der Repräsentantin einer Patient Advocacy Group anmerken, deren Engagement auch in einen Absatz zu „patient empowerment“ eingeflossen ist – ein mir sehr wichtiger Punkt: Betroffene Patientinnen sollten informiert werden, dass es spezialisierte Zentren für diese Erkrankung gibt, dass die Möglichkeit der Teilnahme an klinischen Studien besteht und dass eine optimale onkologische Betreuung auch eine psychoonkologische Begleitung miteinschließt, dass wir Patientinnen also wirklich ganzheitlich betreuen.

Wie beeinflusst die Einteilung anhand molekularer Subtypen das Behandlungskonzept? Welche neuen Therapieoptionen kommen damit ins Spiel?
Bei frühen Stadien haben wir damit die Möglichkeit, die Therapie bei günstigeren molekularen Subgruppen zu deeskalieren und bei Vorliegen von prognostisch ungünstigen molekularen Subgruppen auch zu eskalieren, also spezifisch nach der Risikokonstellation zu behandeln. Sogenannte POLE-mutierte Patientinnen im frühen Stadium I und II brauchen z. B. nach der Operation keine weiterführende Therapie, weil sie eine exzellente Prognose haben. Bei Patientinnen mit abnormalem p53 als molekularem Marker (bis auf spezifische Ausnahmen) besteht hingegen automatisch eine Hochrisikosituation für ein Rezidiv, da heißt es, die Tumortherapie zu eskalieren.

Auch beim fortgeschrittenen oder rezidivierten Endometriumkarzinom hat sich enorm viel getan: Patientinnen mit MMRd sprechen exzellent auf Immuntherapie an. Im Vergleich zur früheren Behandlung mit Chemotherapie allein sehen wir nicht nur eine beeindruckende Rezidivrisikoreduktion von rund 70 %, sondern auch einen signifikanten Benefit im Gesamtüberleben (OS), wenn wir zusätzlich zur Chemotherapie noch Immuntherapie dazugeben und die Immuntherapie nach Abschluss der Chemotherapie weiterführen. Aktuell bestehen für die MMRd-Situation im ersten Therapielinien-Setting 3 EMA-Zulassungen für Immuntherapie: für (alphabetisch) Dostarlimab, Durvalumab und Pembrolizumab. Aber auch bei Non-MMRd-Patientinnen besteht aufgrund eines zwar nicht so stark ausgeprägten Vorteils wie in der MMRd-Situation, aber doch signifikanten Benefits durch eine zusätzliche Immuntherapie zur Chemotherapie eine EMA-Zulassung für Dostarlimab und Pembrolizumab sowie jetzt auch für die Kombination des PARP-Inhibitors Olaparib zusätzlich zur Immuntherapie mit Durvalumab.

Bei dieser Triple-Kombination wird zusätzlich zur Chemotherapie Immuntherapie verabreicht und dann in der Erhaltungstherapie nach Abschluss der Chemotherapie die Immuntherapie weitergeführt und ein PARP-Inhibitor dazugenommen. Wir verfügen also auch bei der fortgeschrittenen oder rezidivierten Endometriumkarzinom-Patientin über wirklich sehr vielversprechende neue Therapieoptionen.

Welche Herausforderungen bestehen bei der Umsetzung der neuen Leitlinie in der klinischen Praxis, gibt es in Österreich die nötigen Strukturen?
Mit dem neuen Wissen um die molekularen Subtypen ist die frühere Auffassung vom Endometriumkarzinom allgemein als „vergleichsweise gutartig“ nicht mehr haltbar. Es gibt prognostisch günstigere, aber auch sehr ungünstige Untergruppen, und damit sollten diese Patientinnen an einem spezialisierten Zentrum behandelt werden. Wir empfehlen eine molekulare Subgruppenanalyse bei allen Patientinnen mit Endometriumkarzinom, weil sie essenziell für Risikoeinschätzung, Prognose und Therapieentscheidung ist. Wir haben mehrere zertifizierte Zentren in Österreich, in denen dieser Zugang zu molekularen Testmethoden gegeben ist und Patientinnen von spezialisierten Behandlungsteams betreut werden.

Welche abschließende Botschaft haben Sie für die Rolle von Hausärzt:innen zur Nachsorge?
Hausärzt:innen spielen im Follow-up bei Endometriumkarzinom eine besonders wichtige Rolle – in der Leitlinie1 sind sowohl das Follow-up als eben auch der Aspekt des „patient empowerment“ integriert. Hier geht es nicht um einen Einfluss auf das OS, sondern das Ziel ist es, die psychosoziale Unterstützung für die Frauen nach einer Krebsdiagnose sowie Gesundheitsprobleme zu identifizieren und sich derer anzunehmen. Gerade bei Patientinnen mit Endometriumkarzinom ist Lifestyle-Beratung wichtig: Erzielen oder Beibehalten eines gesunden Gewichtes, physische Aktivität, Rauchstopp etc. Es braucht natürlich auch das Wissen und ein Augenmerk auf mögliche Langzeitnebenwirkungen der spezifischen Behandlungen und deren Management. In diesem Sinne bedarf die optimale Betreuung von Frauen mit gynäkologischen Malignomen eines engen Netzwerkes von spezialisierten Behandlungsteams an ausgewiesenen onkologischen Zentren, niedergelassenen Gynäkolog:innen und engagierten Hausärzt:innen, die oft den unmittelbarsten Kontakt mit den Patientinnen haben und sich auch langfristig um die Gesamtgesundheitssituation von Frauen nach einer Krebsdiagnose kümmern können.

Vielen Dank für das Gespräch!