Herzinsuffizienz: Zusammenspiel zwischen allgemeinmedizinischer und fachärztlicher Versorgung

Geschätzte 2 % der erwachsenen Bevölkerung – mit deutlich steigender Tendenz – leiden unter Herzinsuffizienz. Der hohe Leidensdruck dieser schwer symptomatischen Patienten und die Sterberate, die höher ist als bei den meisten Krebsformen, fordern eine rasche Diagnostik und ein unverzügliches Einleiten der Therapie. Zum Teil recht unspezifische Symptome und aufwändige Auf-titrationsschritte der medikamentösen Therapie erschweren das optimale Management. Dieses kann jedoch durch ein gutes Zusammenspiel zwischen allgemeinmedizinischem und fachärztlichem Bereich besser gelingen.

Diagnostik der Herzinsuffizienz

Die meisten – noch nicht diagnostizierten – Herzinsuffizienzpatienten, die im nichtakuten Setting Hilfe suchen, wenden sich zunächst mit ihren neu aufgetretenen Beschwerden an den Hausarzt. Diese Beschwerden wie Dyspnoe, eingeschränkte Leistungsfähigkeit und Beinödeme können natürlich auch andere Ursachen als Herzinsuffizienz haben. Der Hausarzt hat nun die schwierige Aufgabe, abzuschätzen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass tatsächlich eine Herzinsuffizienz vorliegt, und zwar mittels Anamnese (St. p. Myokardinfarkt oder koronare Revaskularisation, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, St. p. Chemotherapie oder Strahlentherapie, paroxysmale nächtliche Dyspnoe, Diuretikaeinnahmen?) und klinisch physikalischer Krankenuntersuchung (Herzgeräusche und/oder Rasselgeräusche in Auskultation von Herz und Lunge, Knöchelödeme, gestaute Halsvenen?) und EKG, denn es gibt kaum Herzinsuffizienzpatienten mit einem völlig normalen EKG. Wenn sich daraus irgendein Hinweis für eine Herzinsuffizienz ergibt, soll als Nächstes ein natriuretisches Peptid (NT-proBNP oder BNP) bestimmt werden. Wenn dieses normal ist, kann eine Herzinsuffizienz de facto ausgeschlossen werden. Erst wenn das natriuretische Peptid erhöht ist, kommt es zur Zuweisung zum niedergelassenen Internisten zwecks Durchführung eines Herzultraschalls. Mit diesem können die Auswurffraktion bestimmt und bestimmte Ätiologien erkannt werden, z. B. St. p. Myokardinfarkt bei regionaler Wandbewegungsstörung oder Klappenvitien.
Über den niedergelassenen Internisten sollte dann auch der weitere diagnostische Weg – Ergibt es Sinn, nach speziell behandelbaren Ätiologien oder Komorbiditäten zu suchen? Welche relevanten Komorbiditäten liegen vor? – und der Therapieplan festgelegt werden.

Therapie der Herzinsuffizienz

Die wichtigste therapeutische Entscheidung erfolgt anhand der linksventrikulären Auswurffraktion. Patienten mit Herzinsuffizienz werden in HFrEF („heart failure with reduced ejection fraction“, LVEF < 40 %), HFpEF („heart failure with preserved ejection fraction“, LVEF ≥ 50 %) und die dazwischenliegende Gruppe der HFmrEF („heart failure with mid-range ejection fraction“, LVEF 40–49 %) eingeteilt. Lediglich für die Gruppe der HFrEF gibt es evidenzbasierte Therapieempfehlungen. Bei HFpEF- und HFmrEF-Patienten gibt es derzeit keine andere therapeutische Empfehlung, als sich um die Komorbiditäten zu kümmern.

Die optimale Therapie eines HFrEF-Patienten besteht aus Sacubitril/Valsartan, Betablocker, Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonist und einem SGLT-2-Hemmer in Zieldosierungen. Der Weg zu Sacubitril/Valsartan führt unter anderem aus Erstattungsgründen in Österreich derzeit noch über den ACE-Hemmer, wobei immer mehr Fachgesellschaften dafür plädieren, diesen Weg abzukürzen und Sacubitril/Valsartan direkt zu verschreiben. Sacubitril/Valsartan konnte ja im Vergleich zu Enalapril bei Patienten mit HFrEF eine deutliche Verbesserung des Outcomes inklusive Verbesserung der Gesamtmortalität und eine bessere Lebensqualität erreichen. Da Sacubitril/Valsartan weniger Hyperkaliämien und weniger Kreatininerhöhungen als der ACE-Hemmer verursacht, sind mit Sacubitril/Valsartan weniger nieren- und kaliumbezogene Hürden in der Auftitration zu erwarten. Studiendaten mit Dekompensation hospitalisierter HFrEF-Patienten bestätigen die positiven Effekte einer direkten Verschreibung von Sacubitril + Valsartan– Vorteile, die durch einen späteren Beginn nach dem ACE-Hemmer nicht mehr aufzuholen sind.

Der neue Player in der Herzinsuffizienztherapie ist der SGLT-2-Hemmer. Ursprünglich als Blutzuckersenker konzipiert, reduzierte er bei Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus überraschenderweise Herzinsuffizienzhospitalisierungen. In den beiden Studien DAPA-HF und EMPEROR-Reduced wurde schließlich eine klare Evidenz geschaffen, dass Dapagliflozin und Empagliflozin das Outcome bei Herzinsuffizienzpatienten verbessern – mit und ohne Diabetes. Aufgrund des vorteilhaften Nebenwirkungsprofils kann direkt mit der Zieldosis (10 mg 1×1, sowohl für Dapagliflozin als auch Empagliflozin) ohne Auftitration gestartet werden, ohne der Notwendigkeit spezifischer Nachkontrollen. In dieser Einfachheit eine Novität in der medikamentösen Herzinsuffizienztherapie. In der Indikation Herzinsuffizienz ist zum Zeitpunkt des Verfassens des Artikels nur Dapagliflozin zugelassen.

Medikamentöse Auftitration − wer macht was?

Wo die medikamentöse Auftitration erfolgen soll, obliegt der Kooperation und dem Ermessen des niedergelassenen Internisten und des Hausarztes. Stabile Patienten mit Nierenfunktion, Kaliumwerten, Herzfrequenz und Blutdruck im sicheren Normbereich können ohne Weiteres vom niedergelassenen Allgemeinmediziner therapieoptimiert werden, sofern es dafür klare Vorgaben (Tab.) und Algorithmen1 gibt.

 

 

Fragilere Patienten und solche mit höherem Risiko für unerwünschte Ereignisse wie Verschlechterung der Nierenfunktion, Hyperkaliämie und symptomatische Hypotonie sollten zunächst eher beim niedergelassenen Facharzt oder gar in einer Spezialambulanz für Herzinsuffizienz engmaschig kontrolliert und auftitriert werden. Glücklicherweise ist die problematische Hyperkaliämie, die häufig als Grund für fehlende Auftitration der RAAS-Antagonisten angegeben wird, mittlerweile leicht in den Griff zu bekommen: Mit der täglichen Einnahme von Partiromer und Natrium-Zirkonium-Zyklosilikat erreicht man bei fast allen Patienten sicher und effektiv eine Normokaliämie – unterstützt durch eine entsprechende Datenlage. Die symptomatische Hypotonie ist in vielen Fällen durch Absetzen nicht unbedingt notwendiger Vasodilatatoren (z. B. Nitrat, Kalzium-Antagonist) oder durch Behebung einer Hypovolämie zu kontrollieren: Oft betreiben Patienten eine vielleicht nicht mehr notwendige Flüssigkeitsrestriktion, oder es ist eine Reduktion der Diuretikadosis möglich.

Sollte man bei der Auftitration an Grenzen stoßen (Tab.), heißt dies jedoch nicht automatisch, dass keine Auftitration mehr möglich ist. Oft gelingt dies zu einem späteren Zeitpunkt oder nach diversen Optimierungsmaßnahmen1. Idealerweise gilt der Patient erst dann als therapieoptimiert, wenn dies vom Herzinsuffizienzspezialisten bestätigt wird, sodass spätestens zu diesem Zeitpunkt eine Zuweisung in eine Herzinsuffizienzambulanz gefordert ist. Sobald der Patient therapie-optimiert und stabil ist und eventuell − je nach Indikation − ein Device (kardiale Resynchronisationstherapie, implantierbarer Kardioverter-Defibrillator) bekommen hat, sind längerfristige Kontrollen geplant.
Die Patienten sollten alle 3–6 Monate eine Laborkontrolle (dies geschieht typischerweise beim Hausarzt), alle 12 Monate einen Herzultraschall beim niedergelassenen Internisten und alle 12–18 Monate einen Termin in einer Herzinsuffizienzambulanz bekommen.

Herzinsuffizienzbetreuung in der Pandemiesituation

Das ohnehin oft schon komplexe Herzinsuffizienzmanagement wird in Pandemiezeiten noch um eine Nuance reicher. Patienten möchten nicht unbedingt notwendige Arztkontakte vermeiden, und Ärzte sind dazu angehalten, Präsenzvisiten nach Möglichkeit zu vermeiden. Viele Informationen, die wir zur medikamentösen Therapieoptimierung benötigen, lassen sich erfragen, insbesondere bei vorher entsprechend geschulten Patienten. So kann man Beschwerden, Leistungsfähigkeit (zum Vergeben einer NYHA-Klasse), Blutdruck, Puls und Medikamente telefonisch erfragen. Viele Patienten – teils unter Mithilfe der Angehörigen – können auch Beinödeme beurteilen und telefonisch beschreiben. Da man bei der Steigerung der Betablockertherapie lediglich auf Blutdruck und Puls achten muss (Tab.), ist dies eine ideale Substanzklasse für Auftitration per Telemanagement. Ebenfalls sehr risikoarm kann ein SGLT-2-Hemmer telefonisch verschrieben werden, da keine speziellen Nachkontrollen erforderlich sind. Sollten Laborbefunde für die Steigerung von RAAS-Antagonisten erforderlich sein, können diese mitunter risikoärmer – das heißt mit weniger Kontakten als in einer großen Ambulanz mit entsprechender Wartezeit – im niedergelassenen Bereich durchgeführt werden. Da für zahlreiche Patienten in der Pandemiezeit Präsenzkontakte zu ihrem Hausarzt vertretbar sind, viele aber Überweisungen zum Facharzt für spezielle Fragestellungen vermeiden wollen, wurde an der Klinischen Abteilung für Innere Medizin 3 des Universitätsklinikums St. Pölten gemeinsam mit der Niederösterreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin ein sogenanntes „Tele-Kard-Konsil“ als Service für Hausärzte eingerichtet. Hier können Hausärzte rasch und unkompliziert telefonische Anfragen zu kardiologischen Themen stellen und die Antwort rasch an den Patienten weitergeben.2

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch die hohe Anzahl an Patienten und die Komplexität der Herzinsuffizienztherapie eine effektive Zusammenarbeit nach klaren Vorgaben und Aufgabenverteilungen zwischen niedergelassenen Internisten und Allgemeinmedizinern notwendig ist, um für die Patienten eine bessere Versorgung und für die behandelnden Ärzte eine deutliche Erleichterung zu erwirken.

Wissenswertes für die Praxis
  • Die erste diagnostische Einschätzung bei Verdacht auf Herzinsuffizienz erfolgt durch den Hausarzt.
  • Bei erhöhtem natriuretischem Peptid muss eine Zuweisung zur Echokardiografie erfolgen.
  • Ist eine Herzinsuffizienz diagnostiziert, sollte ein Therapieplan durch den Internisten erstellt und gemeinsam mit dem Hausarzt umgesetzt werden.

 


Literatur:

  1. www.gesundheitskasse.at/de/chi/index.html
  2. https://noegam.at/artikel/telekonsultation-fuer-kardiologische-fragestellungen

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen im Text die männliche Form gewählt, es ist jedoch immer die weibliche Form mitgemeint.