Obwohl die Technik der Blutdruckmessung allgemein bekannt und seit mehr als 100 Jahren im Wesentlichen unverändert ist, ist die Einschätzung der Blutdrucksituation eines individuellen Patienten manchmal schwierig. Dies ist der biologischen Schwankungsbreite des Blutdrucks einerseits und der spezifischen Mess-Situation bei der Arztmessung („Office-Blutdruck“) andererseits geschuldet. Nur eine Kombination verschiedener Blutdruck-Messverfahren gibt ein realistisches Bild des Blutdruckniveaus des einzelnen Patienten.
Office-Blutdruckmessung: Die klassische Blutdruckmessung durch den Arzt muss streng standardisiert durchgeführt werden (Tab. 1). Zu kurze Ruhephase vor der Messung, zu kleine Manschette, fehlerhafte Körperhaltung und viele andere Faktoren können die Messwerte stark verändern.
Bei der automatischen unbeobachteten Office-Blutdruckmessung wird der Blutdruck automatisch 3-mal gemessen, während der Patient allein in einem ruhigen Raum sitzt. Dabei vermeidet man den Weißkittel-Effekt, und die Blutdruckwerte sind im Durchschnitt 10/5 mmHg niedriger.
24-Stunden-Blutdruckmonitoring: Dabei wird der Blutdruck durch ein automatisches Messgerät im Alltag des Patienten tagsüber etwa alle 20 Minuten, nachts alle 30 Minuten gemessen. Das Verfahren ist der Goldstandard zur Diagnose einer Hypertonie und mittlerweile in vielen Gebieten Österreichs verfügbar. Aufgrund der vielen Möglichkeiten, in denen der Office-Blutdruck nicht dem Blutdruck im Alltag entspricht, sollte vor Einleitung einer medikamentösen Behandlung in den meisten Fällen ein 24-Stunden-Blutdruckmonitoring durchgeführt werden. Als Beispiel sei neben der bekannten „White-Coat-Hypertonie“ auch die „maskierte Hypertonie“ genannt. In dieser nicht seltenen Situation ist der Blutdruck im Alltag wesentlich höher als in der Arztpraxis (Stress im Beruf, aber auch nächtliche Hypertonie zum Beispiel beim obstruktiven Schlafapnoesyndrom). Auch hypotensive Episoden unter Therapie können gut erkannt werden.
Blutdruckselbstmessung: Zur Kontrolle einer laufenden Behandlung ist die Blutdruckselbstmessung ideal geeignet. Es gelten dieselben Regeln zur Standardisierung wie für die Praxismessung. Günstig ist die zweimalige Messung am Morgen und am Abend über 7 Tage, wobei jeweils der Mittelwert notiert wird. Die Selbstmessung involviert den Patienten in das Management seiner Erkrankung, was die Compliance günstig beeinflussen kann. Allerdings kann es zu Problemen mit der korrekten Dokumentation der Messwerte kommen, weshalb Geräte mit automatischem Speicher zu bevorzugen sind.
Grundlage der Einteilung ist aufgrund der Studienlage weiterhin der Office-Blutdruck. Optimaler Blutdruck ist mit < 120/< 80 mmHg definiert, normaler Blutdruck mit 120–129/80–84 mmHg, hochnormaler Blutdruck mit 130–139/85–89 mmHg.
Die Schwelle zum Bluthochdruck ist in den europäischen Guidelines von 2018 140/90 mmHg (Office-Blutdruck). Dies entspricht im 24-Stunden-Blutdruckmonitoring einem 24-Stunden-Durchschnitt von 130/80 mmHg, einem Tagesdurchschnitt von 135/85 mmHg und einem nächtlichen Durchschnitt von 120/70 mmHg, weiters einem Durchschnitt in der Blutdruckselbstmessung von 135/85 mmHg.
Als Basis sind Lebensstilmaßnahmen (siehe unten) immer empfehlenswert beziehungsweise erforderlich.
Eine medikamentöse Blutdrucksenkung ist in folgenden Szenarios indiziert:
Indikation für medikamentöse antihypertensive Therapie im Alter:
Die neuen Empfehlungen der European Society of Hypertension und der European Society of Cardiology 2018 resultieren aus der Zusammenschau der im Folgenden angeführten Studienergebnisse:
Die neue Empfehlung 2018 lautet (Tab. 3):
Eine medikamentöse Blutdrucksenkung unter 120/70 mmHg wird nicht empfohlen.
Zielwerte für Out-of-office-Messungen sind weiterhin nicht evidenzbasiert verfügbar. Als Faustregel kann man davon ausgehen, dass ein Office-BD-Zielwert von 130 mmHg systolisch etwa einem 24-Stunden-Durchschnitt von 125 mmHg und einem Durchschnitt in der Selbstmessung von < 130 mmHg entspricht.
Lebensstilmaßnahmen können das Auftreten einer Hypertonie sowie die Notwendigkeit einer medikamentösen Therapie bei Grad-1-Hypertonie verhindern oder verzögern. Sie steigern die Effektivität einer medikamentösen Therapie, dürfen eine solche – wenn nötig – aber niemals verzögern.
Folgende Lebensstilmaßnahmen werden empfohlen:
Unter einer antihypertensiven Monotherapie erreichen weniger als 50 % der Patienten normale Blutdruckwerte. Eine Zweifachkombination kann bei etwa 70 %, eine Dreifachkombination bei etwa 80 % der Patienten zu normalen Blutdruckwerten führen. Durch die erfolgreiche Therapie, möglichst in einer einzigen Tablette, steigt die Adhärenz. Da bei einer Kombinationstherapie nicht alle Komponenten maximal ausdosiert werden müssen, steigt auch die Verträglichkeit, was ebenso günstig für die Adhärenz ist. Weiters fällt bei Beginn der antihypertensiven Behandlung mit einer Zweifachkombination auch das Problem weg, dass die Behandler manchmal trotz nur fraglichen Erreichens der Zielwerte bei einer Monotherapie verharren („therapeutic inertia“).
Es wird daher für die meisten Patienten eine initiale medikamentöse Zweifachkombinationstherapie empfohlen (Ausnahmen sind gebrechliche ältere Patienten oder Grad-1-Hypertonie bei niedrigem kardiovaskulären Risiko). Diese enthält einen RAAS-Blocker (ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker) plus einen Kalziumantagonisten oder ein Diuretikum.
Beta-Blocker sollten mit RAAS-Blockern (ACE-Hemmer oder ARB), Kalziumantagonisten oder Diuretika insbesondere aus kardialen Indikationen (Angina Pectoris, post MCI, Herzinsuffizienz, Herzfrequenzkontrolle) kombiniert werden.
Falls eine Zweifachkombination nicht ausreicht, ist eine Dreifachkombination RAAS-Blocker (ACE-Hemmer oder ARB + Kalziumantagonist + Diuretikum) als Single-Pill-Kombination empfehlenswert.
Falls die 3-fach-Kombination nicht ausreicht, wird als 4. Substanz Spironolacton empfohlen. Falls dies nicht vertragen wird, anstelle dessen Amilorid, höhere Dosen eines Diuretikums, Beta-Blocker oder Alpha-Blocker.
ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten dürfen nicht kombiniert werden.
Wissenswertes für die Praxis